Faride Bassenge – Das Grün der Sayyid

 

Faro Portrait Küche gross

 

Fari Bassenges Café in der alten Akademie der Künste im Hansaviertel war ein Treffpunkt nach Empfängen und Ausstellungseröffnungen, nicht nur wegen der Qualität der Speisen, sondern auch wegen der menschlichen Qualitäten der Betreiberin. Nach der Wende gelang ihr ein ähnlicher Erfolg im Alten Museum auf der Museumsinsel. Die Mutter dreier Töchter – eine Restauratorin, eine Ärztin und die Sängerin Lisa Bassenge – wohnt im Grünen. In vielen der umliegenden Häusern lebte und lebt, wer nach dem Mauerbau zur Westberliner Gesellschaft gehörte. Zumindest derjenigen, die das kulturelle Leben bestimmte. Fari Bassenge ist ein Beispiel für die Schönheit des Alters und für Stil – wer mag, auch Style –, der keine Frage von Trends ist, sondern von gelebtem Leben, von Großzügigkeit und einem unbedingten Verlangen nach Qualität. Egal worum es geht. Ein Hausbesuch, ein Gespräch über die ersten Jahre in Deutschland und ihre Arbeit als Dolmetscherin für afghanische Flüchtlinge.

 

 

Interview Nikolas Feireiss
Fotos Jordana Schramm

 

 

Fari, wann und weshalb bist Du nach Deutschland gekommen?

 

Ich bin mit 17, Ende der fünfziger Jahre, nach Deutschland gekommen, einfach, weil ich weg wollte. Ich wohnte bei einer Familie, die zwei Kinder hatte und bei der auch meine Cousine lebte, da konnte ich wohnen. Als erstes habe ich Kosmetikbildung gemacht. Die Sprache lernen und Kosmetik, das gehörte sich für eine junge Frau. Dann habe ich eine Ausbildung als Hebamme gemacht und lange in Krankenhäusern und später selbstständig gearbeitet. Mir war klar, dass ich in Deutschland bleiben wollte und das hieß volle Power geben. Ich habe in einem halben Jahr die Sprache gelernt. Ich habe mir unglaublich viel Mühe gegeben. Es war trotzdem nicht leicht, in einem fremden Land anzukommen.

 

 

Das Café in der alten Akademie der Künste, das Du lange geführt hast, war ein Teil Westberlins. Wie war die Zeit damals?

 

Na, das Café war auch furchtbar viel Arbeit, aber Westberlin ist für mich eine Heimat geworden. Ich habe hier Freunde gefunden und Arbeit. Beides war vergleichsweise leicht. Die Atmosphäre in der Mauerstadt war intim, man kannte sich und kulturell war unglaublich viel los. Es war speziell und man darf es im Rückblick natürlich auch nicht verherrlichen.

 

 

Wie war die Situation damals im Iran? Gegen das Regime des Schahs wurde in Deutschland demonstriert.

 

Von heute aus gesehen war der Schah das kleinere Übel, aber natürlich war das auch keine Situation, die man sich wünschen konnte. Viele Menschen saßen damals zu Unrecht im Gefängnis. Dass ich nach Deutschland gekommen bin, hatte aber wirklich keine politischen Gründe. Ich wollte einfach weg von zu Hause.

 

 

Fari Küche mit mir

 

 

War es selbstverständlich, dass eine junge Frau die Familie verlässt und auswandert?

Es war nicht selbstverständlich, aber möglich. Ich komme aus einer Mittelschichtsfamilie, meine Mutter war Direktorin einer Schule, meine Onkel waren Ärzte und Apotheker. Es hängt natürlich auch von der sozialen Schicht ab, in meiner Familien jedenfalls hatten die Frauen das Sagen.

 

 

Was ist Dir von Deiner ersten Zeit in Deutschland in Erinnerung?

 

Wir sind nachts in Deutschland angekommen. Ich erinnere mich noch, dass ich morgens früh aus dem Fenster geschaut habe und gar nicht glauben konnte, wie schön die Landschaft war. Ich sah den Starnberger See, eine Kirche, die Berge, alles war grün. Als wir dann nach Garmisch gefahren sind, habe ich wirklich geglaubt, die Landschaft sei angelegt. Ich konnte mir das gar nicht vorstellen. Natürlich gab es auch im Iran Gärten, aber nur hinter Mauern. Ich kannte die Wüste, aber grüne Wiesen …?

 

 

Fari Garten Blumen

 

 

Wie fremd war Dir Deutschland?

 

Es war ein Kulturschock. Vieles verstand ich nicht. Zum Beispiel, dass die Menschen im Zug ihre Butterbrote auspackten und aßen. Bei uns wäre es undenkbar gewesen, zu essen und es nicht mit anderen zu teilen. Auch dass mir jemand eine Briefmarke abkaufen wollte. So einen kleinen Betrag, das kam mir seltsam vor, kleinlich. Unvorstellbar. In meiner Kultur ist man sich näher, vielleicht herzlicher. Deutschland war mir in vieler Hinsicht fremd, aber ich wusste auch, dass ich nie wieder in den Iran zurückgehen würde. Ich bin heute Deutsche und Perserin. Ich hab mein Leben von Anfang an alleine in die Hand genommen und hart dafür gearbeitet.

 

 

Was war noch neu für Dich?

 

Am Anfang habe ich an jedem blühenden Baum Äste abgebrochen oder Blumen gepflückt. Ich erinnere mich, dass ich meiner Gastwirtin einen Strauß Herbstzeitlose mitgebracht habe. Sie sagte ganz erschrocken: „Kind, die sind sehr giftig und stehen unter Schutz, die darf man nicht einfach pflücken“. Das wusste ich natürlich nicht. Diese Art Umweltbewusstsein oder eine Idee von Naturschutz hatten wir nicht.

 

 

Fari Küche Bilder

 

 

Du hast Dich als freiwillige Helferin angeboten?

 

Ja, als Dolmetscherin. Ich spreche Farsi wie viele Afghanen auch. Ein großer Teil der afghanischen Flüchtlinge ist übrigens zunächst nach Persien geflohen und dann, da sie dort nicht bleiben durften, nach Deutschland gekommen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, wie belastend das ist, diese hoffnungslosen Menschen zu erleben, und wie schwierig die Organisation ist. Auch die Helfer vor Ort sind mitunter überfordert. Vieles ist zu bürokratisch.

 

 

Was meinst Du damit?

 

Ich habe einerseits erlebt, dass eine eine Familie nach zwei Tagen von Kopf bis Fuß eingekleidet ist, auf der anderen Seite werden Familien getrennt, weil es nicht genug große Wohnungen gibt. Dabei wären die glücklicher, gemeinsam in einer kleinen Wohnung zu leben als getrennt. Es gibt viele Kommunikationsprobleme, und es sind natürlich auch, so ist jedenfalls mein Eindruck, dass es viele nicht gut ausgebildete Menschen sind, die kommen. Gerade die Mädchen durften oft nicht in die Schule gehen. Viele sind Analphabeten. Es wird viel Arbeit zu leisten sein.

 

 

Fari im Gespräch

 

 

Wie stehst Du zum Thema Kopftuchverbot. Hilft es jungen Frauen?

 

Ich finde es schwierig, Kopftücher zu verbieten, denn das bedeutet in der Folge, dass streng religiöse Familien ihre Töchter nicht mehr in die Schule schicken. Als Reza Schah Pahlavi 1936 den Tschador verbot, war das genau die Folge im Land. Warum ist es nicht möglich, alle Lebensformen zu tolerieren? Für das Nebeneinander einzustehen?

 

 

Hast Du Ablehnung als Ausländerin erfahren?

 

Ausländerfeindlichkeit habe ich schon erlebt, allerdings eher, wenn ich in einer Gruppe mit persischen Freundinnen unterwegs war oder mit meiner Familie. Im Kaufhaus hat man meine Mutter und mich beobachtet und uns unterstellt, wir würden stehlen. Auch in meinem beruflichen Umfeld habe ich immer wieder Vorbehalte gespürt. Heute, wo meine Haare weiß sind, ist es besser. Und ich war immer selbstbewusst genug, mich zu wehren.

 

 

Fari Artischocken gross

 

 

Wir sitzen in Deiner grünen Küche, überall in Deiner Wohnung findet sich Grün wieder. Deine Lieblingsfarbe?

 

Ja, Grün ist meine Lieblingsfarbe. Es begann mit grünen Gläsern, die ich von meiner Großmutter bekommen habe. Jetzt habe ich eine grüne Küche, grüne Servietten, grüne Schalen, Handtücher, Kerzen …  Es ist übrigens auch das Grün der Sayyid, die als Nachfahren Mohammeds grüne Turbane tragen dürfen. Meine Liebe zu Grün hat damit aber nichts zu tun. Es waren die grünen Gläser meiner Großmutter, mit denen alles begann. Das meiste, was ich besitze, ist getrödelt. Ich trödle für mein Leben gerne. Bis heute bin ich fast jedes Wochenende auf dem Flohmarkt.

 

 

Gibt es etwas besonders Persisches in Deinem Haus?

 

Am persischsten ist mein Garten. Es gibt einen kleinen gemauerten Teich, eher einen Brunnen, eine Mauer, auf die man sich setzen kann, und im Sommer lege ich Teppiche nach draußen. Und natürlich, meine Küche ist sehr persisch inspiriert. Das persische Essen ist köstlich.

 

 

Fari Wohnzimmer gross

 

 

Paravant, Spiegel und immer wieder Blumenmotive

Paravant und Spiegel und immer wieder Blumenmotive

Fari Kinderstuhl Fari Flur

 

 

Fari lila kissen gross

 

 

Kleines Arbeitszimmer

Kleines Arbeitszimmer

Fari Tischchen Fari Balkon

 

 

Fari Kinderzimmer gross

 

 

Fari Dahlien gros