100 Jahre Bauhaus: Das Bauhaus war eine Schule und eine Bewegung. In nur 14 Jahren veränderte es das Gefühl für Ästhetik bis heute.

In unzähligen Arztpraxen und um Esstische stehen heute die berühmten Freischwinger. Statt vier Füße gibt ihnen geschwungenes Stahlrohr federnden Halt. Der quadratische Sessel von CL2 von Le Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand ist längst ein Statussymbol geworden. Freischwinger und Sessel CL 2 sind Klassiker der Moderne, in den 20er Jahren entworfen von Bauhäuslern. Damals waren sie etwas völlig Neues, absolute Avantgarde. Nicht ohne Grund gilt das Bauhaus als die prägendste und bedeutendste Schule für Architektur, Design und Kunst im 20. Jahrhundert.Es hat das Gefühl für Formen und Ästhetik seiner Zeit vollständig verändert. Dekorationen und Ornamente, die nur der Repräsentation dienten und um die Jahrhundertwende so beliebt waren, lehnten die Bauhäusler ab. Das fundamentale gestalterischen Prinzip der Bewegung lautete: Die Form folgt der Funktion. Das Alltägliche, Praktische verlangen sie, sollte so selbst zu Kunst werden. Mit dem praktischen hat das nicht immer so geklappt. Viele Bauhausmöbel sind ohne Frage schön, aber nur bedingt bequem. Die architektonischen Ideen des Bauhaus haben – missverstanden – weltweit seelenlose Kästen entstehen lassen, die sich Häuser nennen. Insgesamt gesehen aber waren die Ideen des Bauhaus, sein klares Konzept, dass die Form der Funktion folgen soll, bahnbrechend und wegweisend.

Formvollendet Leben

 

Sitzende mit Bühnenmaske von Oskar Schlemmer im Stahlrohrsessel von Marcel Breuer, um 1926. Foto: Erich Consemüller, Bauhaus-Archiv Berlin / © Dr. Stephan Consemüller
Zu sehen in der „original bauhaus“ Jubiläumsausstellung des Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung in Kooperation mit der Berlinischen Galerie 6. September 2019 – 27. Januar 2020. www.berlinischegalerie.de

 

Studium und handwerkliche Ausbildung gehörten im Bauhaus zwingend zusammen. In den späteren Jahren wurden auch die neuen technischen Möglichkeiten immer wichtiger, die die Industrialisierung mit ihrer Massenproduktion möglich machten.
Im Bauhaus diskutierten Meister und Schüler in den Werkstätten, etwa für Metall, Druck, Töpferei, Malerei oder auch Weberei. Neues entstand durch die Offenheit des Denkens und die gegensätzlichen Persönlichkeiten aus aller Welt, die sich in den Meisterklassen trafen und austauschten. Die Gründung des Bauhaus war eine Reaktion auf die Schrecken des 1. Weltkriegs und die sozialen Verwerfungen in den Jahren danach. Die Menschen sollten, so die Idee, unabhängig von ihrer sozialen Klasse, in einer genauso formvollendeten wie ihnen dienenden Umgebung leben. 1919 vom Architekten Walter Gropius in Weimar gegründet, zog das Bauhaus, dem Druck der Nationalsozialsten weichend, zunächst nach Dessau, dann nach Berlin, wo es 1933 schließlich geschlossen werden musste. Die „Bauhäusler“ konnten den Kampf gegen die Nazis nicht gewinnen, die ihre Ideen und ihre Kunst als entartet beschimpften und denen deren gemeinschaftliche Arbeitsweise an sich suspekt war. Viele Möbelentwürfe des Bauhaus sind heute Klassiker der Moderne und werden weiter produziert. Die Formensprache des Bauhaus, sein Ideal von der Funktionalität, die die schöne Form prägt, ist allen Widersprüchen und gegenläufigen Strömungen zum Trotz nicht überholt.

Architektur – Schnörkel verboten

 

Neue Meisterhäuser Dessau (Haus Gropius und Meisterhaus Moholy-Nagy), Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin. Copyright: Stiftung Bauhaus Dessau, Foto: Yvonne Tenschert

 

Die Architektur war eines der wichtigsten Ausbildungsfächer am Bauhaus. Flachdächer, lange Fensterbänder, Glasfassaden und rechte Winkel sind zuverlässige Kennzeichnen der Bauhausarchitektur und bis heute weltweit Inbegriff „moderner Architektur“. Die von Walter Gropius entworfenen Lehrgebäude und Meisterhäuser zeigen wie das Bauhaus Architektur verstand: Als Gesamtkunstwerk, zu dem oft auch die bis ins Detail geplante Inneneinrichtung gehört. Seit 1996 gehören die Bauhaus-Stätten zum Weltkulturerbe. In den Meisterhäusern lebten so prominente Professoren wie etwa Klee oder Kandinsky.

 

Bühne: Mensch Maschinen

 

Triadisches_Ballett BayerJuniorBallett
Copyright: Wilfried Hösl

 

1921 gründete Walter Gropius am Bauhaus eine Bühnenwerkstatt und entwarf ein „Totaltheater“ mit drehbarer Bühne, das aber nicht realisiert wurde. Dieses Theaters sollte eine Art architektonische Maschine werden, die den Besucher durch ihre ständige Veränderung zum Teil des Geschehens macht. Da Wortkünstler am Bauhaus fehlten, konzentrierte man sich auf bildnerische Elemente wie Farbe oder Bewegung. Leiter der Bühnenwerkstatt war von 1925 bis 1929 der Maler, Bildhauer und Bühnenbildner Oscar Schlemmer. Schlemmers Kostüme für das Triadische Ballet aus Kegel, Zylinder und Kugel entwickelt, ließen nur wenig Bewegungsspielraum. Der theatralische Tanz seiner bizarren Figurinen steht für die Verbindung von Mensch und Technik, die einen neuen, nie ermüdenden Menschen schaffen würde. Sein triadisches Ballett, obwohl nie im Bauhaus aufgeführt, wurde denn auch die berühmteste Bühnenarbeit, die mit dem Bauhaus in Verbindung gebracht wird.

Gemeinsam: Alles ist Kunst

 

 

Im Bauhaus arbeiteten Künstler und Handwerker zusammen. Das Bauhaus wollte eine neue Welt erschaffen. Dafür wurde die Kreativität der Künstler gebraucht. Viele stellten sich gerne in den Dienst der Sache, glaubten, dass die Welt neu gedacht besser werden könnte. Unter ihnen so berühmte Namen wie Paul Klee, Oscar Schlemmer oder Wassily Kandinsky.

 

Neu und modern:Stahlrohr

 

 

Ein Stuhl, der nicht auf vier Füßen, sondern auf gebogenem Stahlrohr stand, war damals etwas wirklich Neues. Häufig wurde im Bauhaus Stahl als Rahmen benutzt, Es reduzierte Produktionskosten und entsprach dem Ideal der einfachen Form. Die Werkstatt der Möbeldesigner war nur eine von vielen Produktionsstätten am Bauhaus, aber ohne Frage eine der erfolgreichsten und am längsten nachwirkenden. Für Bauhaus-Originale zahlen Sammler heute immense Summen.

 

Ganz alltäglich – Die klare Form

 

 

Auch alltägliche Gebrauchsgegenstände unterlagen dem Diktat der klaren Form . Das berühmte Tee-Service von Marianne Brandt zum Beispiel ist unverkennbar Bauhaus. Sie ist übrigens eine der wenigen bekannten Bauhäuslerinnen. In Sachen Gleichberechtigung war die Herren am Bauhaus nicht sehr fortschrittlich.

 

Feste feiern

 

Mitglieder der Bauhauskapelle, unbekannter Fotograf, 1930, Bauhaus-Archiv Berlin

 

Die Bauhauskapelle spielte oft amerikanisch inspirierten Jazz. Feste zu feiern gehörte quasi zum pädagogischen Programm des Bauhaus. Das Tanzen war dort ein Lieblingssport. Die Bauhausfeste sollten den Gemeinschaftsgeist stärken. Am Bauhaus lehrten und lernten unterschiedliche und streitfreudige Persönlichkeiten aus der ganzen Welt.Die Feste sollten auch helfen Spannungen abzubauen.

 

Bauhaus Fotografie: Neues Sehen

 

 

In den 20er Jahren entwickelt sich eine neue Stilrichtung in der Fotografie, in der nicht mehr die Malerei Vorbild war. Die Bauhäusler verstanden sich als Pioniere eines zukünftigen Gesellschaftsmodels. Ihre avantgardistische Fotografie interessierte sich für Industriemotive, wählte extreme Perspektiven und Ausschnitte. Auch Oberflächen und Materialeigenschaften wurden in Szene gesetzt, übliche Strukturen der Bildsprache, Komposition, Beleuchtung und Belichtung in Frage gestellt. Das Neue Sehen wollte dynamischer sein, auf den gesellschaftlichen Fortschritt der Zeit reagieren und ihn dokumentieren. Es war ein sehr experimenteller Stil, der sich kompositorisch keinen Regeln unterwarf.

 

BAUHAUS ADRESSSEN UND TERMINE

Zum 100jährigen Jubiläum planen alle Bauhaus-Institutionen diverse Ausstellungen und Veranstaltungen.

Anlässlich des 100. Gründungsjubiläums des Bauhauses zeigt die Ausstellung des Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung in der Berlinischen Galerie berühmte, bekannte und vergessene Bauhaus-Originale. „original bauhaus jubiläumsausstellung vom 6.9.2019 – 27.1.2020
www.bauhaus.de
www.berlinischegalerie.de
BERLINISCHE GALERIE
Landesmuseum für Moderne
Kunst, Fotografie und Architektur
Alte Jakobstraße 124–128
10969 Berlin
bg@berlinischegalerie.de
Tel +49 (0)30-789 02-600

the temporary bauhaus-archiv / museum für gestaltung
Knesebeckstraße 1-2,
10623 Berlin
Telefon: 030 2540020
www.bauhaus.de

BAUHAUS UND DIE FOTOGRAFIE – ZUM NEUEN SEHEN IN DER GEGENWARTSKUNST
NRW-Forum Düsseldorf
7. DEZEMBER 2018 – 10. MÄR 2019
Ehrenhof 2
D – 40479 Düsseldorf
Tel. +49 (0)211 – 89 266 90

Stiftung Bauhaus Dessau
Gropiusallee 38
06846 Dessau-Roßlau
Tel +49-340-6508-250
Fax +49-340-6508-226
E-Mail service@bauhaus-dessau.de

Bauhaus-Museum Weimar
Stéphane-Hessel-Platz 1
99423 Weimar
Aktueller Hinweis
01.01.2018 – 05.04.2019
geschlossen – Das Bauhaus-Museum Weimar eröffnet am 6. April 2019.