Slowflowers

 

Tulpen, Osterglocken, später im Jahr vielleicht Rosen, Rittersporn, Glockenblumen, Zinnien, Malven, Kosmeen oder Schleierkraut: Ein das ganze Jahr über blühender Garten ist der Traum jeder Gärtnerin. Wenn genug Blumen  blühen, um die Gartenfreude gebunden als Strauß ins Haus zu holen, ist das Glück vollkommen.

 Jetzt im Frühjahr ist der richtige Zeitpunkt, um einen Garten anzulegen, neu zu gestalten oder auch nur andere Akzente zu setzen.  Mehr dazu hier:

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Foto: Sebastian Link

 

 

Zuerst Tulpen und Osterglocken, später im Jahr vielleicht Rosen, Rittersporn, Glockenblumen, Zinnien, Malven, Cosmeen oder Schleierkraut: Ein das ganze Jahr über blühender Garten ist der Traum jeder Gärtnerin. Das Ideal: Es lässt sich jederzeit ein bunter Strauß ins Haus holen, und trotzdem sehen die Beete nicht wie gerupft aus. Um einen solchen Blütenrausch drinnen und draußen hinzubekommen, braucht man etwas Know-how – und eine gute Planung. Mit der beginnt man am besten jetzt, denn das Frühjahr ist der richtige Zeitpunkt, um einen Garten anzulegen, neu zu gestalten oder andere Akzente zu setzen.

Bitte keine Pestizide

 

Die meisten Schnittblumen im Handel kommen nicht aus Deutschland, sondern aus Ländern wie Kenia, Sambia, Äthiopien oder Ecuador. Woher genau, bleibt unklar, denn anders als bei Obst und Gemüse gibt es bei Blumen keine Pflicht, die Herkunft zu deklarieren. Ähnlich ist es beim Einsatz von Pestiziden, die zu Rückständen im Boden oder an den Pflanzen führen können. Darüber gibt auch ein Fair-Trade-Siegel nur begrenzt Aufschluss. Es steht nur für akzeptable Produktionsmethoden, etwat die Ausstattung der Beschäftigen auf Blumenfarmen mit Schutzanzügen und das Trainings zum sicheren Umgang mit Chemikalien. Zum Thema Pestizide bei Blumen steht in den Satzungen des Vereins zur Förderung des fairen Handels in der Einen Welt (TransFair e.V.) dass sie auf ein Mindestmaß zu reduzieren sind „und soweit unvermeidbar, dann die am wenigsten giftigsten Pestizide in der geringstmöglichen Ausbringungsmenge anzuwenden“ sind. Das ist interpretierbar.
Deshalb hat 2014 eine Gruppe von GärtnerInnen in den USA die Slowflower-Bewegung ins Leben gerufen. Wer sich dem Slowflowern verpflichtet, verwendet gar keine Pestizide, düngt nur mit organischem Material, verzichtet zu 100 Prozent auf den Einsatz von genmanipulierten Pflanzen und verwendet nach Möglichkeit nur Saatgut biologischen Ursprungs. Regionalität und Saisonalität, Vielfalt und das Denken in Kreisläufen – dem Garten wird über die Kompostwirtschaft zurückgegeben, was ihm entnommen wurde – gehören außerdem zu den Richtlinien. Auf Flächen unter einem Hektar bauen die langsamen Gärtnerinnen eine möglichst große Vielfalt an – Monokulturen sind verpönt. Ihre Blumen liefern sie auf Bestellung für Hochzeiten und andere Festivitäten, verkaufen sie auf Märkten und arbeiten mit engagierten Floristinnen und Floristen zusammen. Und diese Prinzipien der Slowflower-Bewegung sind natürlich auf die private Gärtnerei übertragbar.

Gründungsmitglied in Deutschland war Katharina Funk, die 2018 eine Facebook-Gruppe mit dem schönen Namen „Deutschsprachige Schnittblumen BauerINNEN“ einrichtete. Nach ersten Treffen wurde daraus 2019 die deutsche Slowflower-Bewegung mit mittlerweile rund 70 Mitgliedern, Blumenbauern und engagierten Floristinnen. Katharina Funk bezeichnet sich selbst allerdings als Blumengärtnerin. Ursprüngliche Ambitionen, aus ihrem Garten ein Business zu machen, hat sie verworfen. Sie gärtnert lieber in aller Ruhe in ihrem 350 Quadratmeter großen Schrebergarten in Bremen und teilt auf ihrem Blog „aus-dem-garten.de“ Erfahrungen und gärtnerische Leidenschaft.

Der Blumengarten: Ein anspruchsvolles Hobby

 

Katharina Funk liebt alle Blumen, besonders angetan haben ihr es aber die einjährigen, aus Samen gezogenen Schnittblumen. Sie hat sie nicht gezählt, „aber so um die 200 Sorten verschiedener Blumen wachsen schon in meinem Garten“, schätzt sie. Kornblumen, Zinnien und Cosmeen empfiehlt sie für erste Versuche mit der Anzucht aus Samen. Schwieriger zum Keimen zu bringen seien dagegen Löwenmäulchen, Phlox oder Sommerastern. Einer ihrer besonderen Lieblinge ist Feldrittersporn, der sich selbst aussät, von Mai bis August blüht, schneckensicher und weniger anspruchsvoll ist als die Staude.

Die einjährigen Blumen blühen überhaupt im Gegensatz zu den Stauden länger und nicht nur einmal. Wer Blumen regelrecht ernten möchte, dem empfiehlt Katharina Funk, ein Schnittblumenbeet anzulegen. Es sollte eher kleiner als zu groß sein, damit man beim Schnitt nicht in das Beet treten muss und dabei etwas niedertrampelt. In kleinen Stadtgärten oder auf der Terrasse kann man auch Kübelbeete anlegen und in ihnen pflanzen. Etwa sechs Sorten passen auf drei Quadratmeter, zum Beispiel Kornblumen, Löwenmäulchen, Cosmeen, Zinnien, Levkojen und Strohblumen. Aus ihnen lässt sich dann ein vielfältiger, aber immer noch harmonischer Strauß binden. Die Strohblumen machen getrocknet noch im Winter Freude.

Katharina Funk ist hauptberuflich Grundschullehrerin, was ihr an Zeit bleibt, verbringt sie im Garten. Im Frühjahr lässt sie ihre Sämlinge in Boxen auf der Terrasse wachsen. Zuerst die Cool Flowers, die einen Kältekick vertragen. Dazu gehören Rudbeckia, Glockenblumen, oder Fingerhut. Dann sind die Sommerblüher , etwa Astern, Kosmeen, Kapuzinerkresse und Phlox an der Reihe – diese lieber etwas später als zu früh. „Sie brauchen lange Sonne und einen warmen Boden“, sagt Funk. Anfang April ist ein guter Zeitpunkt, um die Sommerblüher zu säen. Nach den Eisheiligen im Mai werden sie dann ausgepflanzt.

Blumensamen kann man inzwischen auch im Supermarkt kaufen, die Auswahl an Biosaatgut ist leider beschränkt. Demeter- oder Bingenheimer Saatgut ist im Zweifel eine gute Wahl. Es stammt aus biodynamischer Züchtung und ökologischen Landbau. Wem es gelungen ist, seinen Garten zum Blühen zu bringen, der wird irgendwann aber auch anfangen, die Samen der eigenen Blumen zu sammeln. Das ist ohne Frage nicht nur die kostengünstigste, sondern auch die nachhaltigste Methode, um neue Pflanzen heranzuziehen.

Die Beschäftigung mit Samen und einjährigen Blumen ist vielleicht keine Wissenschaft, aber doch ein anspruchsvolles Hobby. Es geht um Keimquoten, versetzte Aussaat, One-Hit-Wonder, Cut-And-Come-Again-Blüher, um die Anzucht mit künstlichen Licht, die Winteraussaat und so weiter. Außerdem wird das Thema insektenfreundlicher Garten immer wichtiger. Spezielle Wildblumen, Samenmischungen mit nektar- und pollenreichen Blumen sind hilfreich. Grundsätzlich gilt: Gefüllte Blüten mögen fürs Auge schön sein, Insekten können sie nicht anziehen. Ihre zurückgebildeten oder nicht mehr zugänglichen Staubblätter bieten keine Nahrung für Bienen und andere bestäubende Insekten.

Leitstauden und Bodendecker

 

Für die Gestaltung eines Blumenbeets, das den Garten schmückt und das Auge erfreut, gibt es einige simple Regeln, und eine davon ist stilistischer Natur: Nicht ohne Grund bilden „Haus und Garten“ ein Begriffspaar – sie sollten ästhetisch eine Einheit bilden. Zum Landhaus passt ein mediterraner Blumengarten, vielleicht auch ein wilder Bauerngarten, zum Bauhaus-Bungalow eher ein formaler Garten mit exakt abgegrenzten Beeten. Versuche, den nach Norden ausgerichteten Vorgarten in ein mediterranes Paradies zu verwandeln, werden zwangsläufig scheitern. Kein Grund, traurig zu sein. Für manch einen beweist sich erst im gekonnt angelegten Schattengarten wahre Gärtnerkunst. Zwischen Funkien und Farnen setzen hier Eisenhut und Fingerhut, Azaleen, die Elfenblume, die Trollblume, das Leberblümchen, Akelei oder die japanische Anemone und der Storchschnabel farbig blühende Akzente.

Bei der Anlage eines Beets unterscheidet man zwischen Leitstauden, Begleitpflanzen, Bodendeckern und einjährigen Dauerblühern, die sich dann auch besonders gut für die Vase eignen. Die Leitstauden sind größer als ihre Begleiter, sie geben dem Beet gewissermaßen Charakter. Viele von ihnen sind auch nach der Blüte im Herbst noch dekorativ und sollten deshalb erst im Frühjahr geschnitten werden. Typische Leitstauden sind Rittersporn, Schafgarbe, Eisenhut, Kugeldisteln, Herbstanemone oder auch Astern. Sie ziehen den Blick auf sich und sollten farblich aufeinander und mit der übrigen Pflanzung abgestimmt sein. Typische Begleitstauden wären zum Beispiel Frauenmantel, Akelei, Kaukasus-Vergissmeinnicht oder Glockenblumen, Fingerhut, Tränendes Herz. Als Bodendecker eignen sich das anspruchslose Blaukissen, auf trockenen Böden bienenfreundliche Duftnesseln oder das Felsensteinkraut, Fingerstrauch, den es in Weiß, Gelb und Pink oder Rot gibt, die blaue unkomplizierte Polsterglockenblume und viele mehr.
Vor dem Pflanzen ist die Entscheidung zu treffen welche Form das Beet haben soll. Die klassische englische Rabatte am Gartenrand ist schnurgerade, aber auch organische Formen haben ihren Reiz. Sogenannte Inselbeete liegen inmitten einer Rasen- oder Pflasterfläche. Bei der Farbgestaltung kann man sich am Regenbogen orientieren, Ton in Ton arbeiten oder bewusst Kontraste setzen. Das ist Geschmacksache. Grundsätzlich lassen helle Blüten eine kleine Fläche größer wirken, dunkle verkleinern große Gärten optisch. Warme Farben, ein Meer von gelben Tulpen zum Beispiel, hebt gefühlt die Gartentemperatur an kühlen Apriltagen. Ein gezeichneter Plan hilft den Garten zu gestalten. Wo ist es schattig, wo sonnig? Passt der Gartentisch in die Ecke hinten links und ist der Weg zum Kompost breit genug für die Schubkarre? Das sind so Fragen, die sich beim Anlegen eines Garten stellen. Wenn dann irgendwann- gut Ding braucht Weile – von Mai bis November die Blumen in den Beeten blühen ist das schon Grund ein bißchen stolz zu sein. Auch auf die schönen Sträuße, die sich jetzt vor der Haustür zusammenstellen lassen. Nur eines noch: Wer einjährige Schnittblumen in bestehende Beete setzt und mit Stauden kombiniert, sollte darauf gefasst sein, dass das Schneiden für die eigene Vase schwerer fallen wird. Das Beet könnte danach nämlich ein wenig geplündert aussehen. Dafür aber weiß man immer, woher die Blumen stammen, und muss sich nie wieder mit der Antwort „vom Großmarkt“ zufriedengeben. Ansonsten hält man sich am besten an Floristinnen, die sich der Slowflower-Bewegung angeschlossen haben (www.slowflower-bewegung.de). Manche von ihnen liefern auch in ihrer Region aus. Für sie, genauso wie für Hobby-Gärtnerinnen und -Gärtner gilt der Satz, mit dem Voltaire seine Novelle „Candide oder der Optimismus“ beendet hat: „Wir müssen unseren Garten pflegen.“ Und das war für ihn keine Drohung, sondern eine Freude. Voltaire war nicht nur Philosoph, sondern auch begeisterter Gärtner.