Neue Shopping Kanäle

Die Sonne scheint, die Temperaturen steigen. In den letzten Wochen hätten viele von uns gerne ein neues leichtes Hemd, ein Sommerkleid oder vielleicht wenigstens ein frühlingshaftes T-Shirt gekauft. Beim Lieblingsgeschäft, in dem die Inhaberin oder der Inhaber die persönlichen Vorlieben kennt und eventuell figürliche Herausforderungen nicht noch einmal ausführlich erläutert werden müssen, war das vor Ort ja nun leider nicht möglich. Der Modehandel versuchte trotzdem das Beste aus der Situation zu machen und reagierte kreativ. Anna Lenz, Redakteurin der Mode-Fachzeitschrift Textilwirtschaft, hat beobachtet, wie Modeunternehmen angesichts der Ladenschließungen über soziale Netzwerke mit den Kunden in Kontakt bleiben – oder, im Idealfall, sogar weiterhin Ware verkaufen. „Viele Stores und Labels sind auf den sozialen Medien gerade unglaublich kreativ. Die Angebote gehen dabei weit über das reine Verkaufen hinaus. Das reicht vom Aufruf, lokale Händler zu unterstützen, über die Unterhaltung in der Quarantäne bis hin zum Bekunden von Solidarität und Mitgefühl. Instagram spielt dabei auch mit seinen Möglichkeiten des Live-Streamings eine große Rolle. Darüber werden zum Beispiel Home-Offices vorgestellt, Yoga-, Workout- und Koch-Kurse angeboten oder Modenschauen live übertragen.“ Natürlich geht es auch darum, das Geschäft wenigstens am Köcheln zu halten. Denn die Not ist groß. Laut einer bundesweiten Blitzumfrage der Textilwirtschaft unter Führungskräften im Modehandel schätzen fast 40 Prozent die Insolvenzgefahr ihres Unternehmens als „sehr hoch“ ein. Die Umsätze sanken im März im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent, meldet das Magazin.
Das Geschäft muss also dringend am Laufen gehalten werden. Deshalb wurden zum Beispiel Gutscheine angeboten als Anreiz, nicht selten mit einem Aufschlag. Für einen 100 Euro Gutschein etwa darf jetzt, nachdem die Läden wieder öffnen dürfen, für 130 Euro eingekauft werden. Auch Auswahlpakete mit kompletten Outfits wurden verschickt, oft nach einer Facetime- oder Skype-Beratung. „Viele Modeunternehmen öffnen sich in der Krise ganz neuen Plattformen. Das können soziale Netzwerke wie TikTok sein, aber auch neu eröffnete Online-Shops, das Verkaufen über Facetime oder Live-Shopping via Instagram. Dabei haben sich gerade die Live-Shopping-Formate für einige der Händler zu einem durchaus lukrativen Verkaufskanal entwickelt. Sie können den normalen Geschäftsbetrieb zwar nicht komplett ersetzen, bieten aber immerhin die Möglichkeit, einen Teil der Umsatzeinbrüche aufzufangen“, so Lenz.

Die Beratung mit Facetime war tatsächlich viel unkomplizierter, als ich mir vorgestellt hatte

 

 

Ildikó Kieburg-Diehl und Tarané Hoock sind Partnerinnen der Agentur se7entyn9ne in Berlin, die Fotoproduktionen im Interior Bereich plant und ausführt. 1979 sind beide auch geboren. Das Angebot ihres Lieblingsgeschäfts „Romans“ zum Shoppen via Facetime haben sie auf Instagram entdeckt. Es kam ihnen gerade Recht, die beiden hatten Lust auf ein neues Frühlingsoutfit. „Kleidung shoppe ich eher nicht online“, erzählt Ildikó Kieburg-Diehl. „Bilder sagen mir meist zu wenig und es fehlt mir die persönliche Beratung.“ Das Angebot von Elena Schmuschkowitsch, eine Video Führung durch den Landen zu machen, die neuen Modelle erklärt und gezeigt zu bekommen, hat sie aber neugierig gemacht. „Das wollten wir mal probieren. Und es hat gut funktioniert“, sagen die Geschäftspartnerinnen unisono. „Wir hätten das allerdings nicht gemacht, wenn wir nicht schon lange Kundinnen bei Elena gewesen wären“, ergänzt Tarané Hoock. „Elena kennt unseren Geschmack, unsere Größen und hat eine Vorstellung davon, was gut in unsere Garderobe passen könnte.“ Für die Kundinnen und die Boutique-Inhaberin war diese Art von Modeberatung und Verkauf eine Premiere. Elena Schmuschkowitsch bietet in einer Seitenstraße des Kurfürstendamms einen individuellen Label Mix auf etwa 100 Quadratmetern. „So eine extreme Situation gab es natürlich noch nie“, sagt sie, „Ich musste mir etwas ausdenken. Die Beratung mit Facetime war tatsächlich viel unkomplizierter, als ich mir das vorgestellt hatte. Ich bin einfach durch den Laden mit dem Handy gegangen und habe gezeigt, was es Neues gibt und was den beiden vielleicht gefallen könnte. Wir haben dann eine Auswahl besprochen, die habe ich mit einem Kurier geschickt und die beiden haben in Ruhe alles ausprobiert und schließlich auch etwas gekauft“, freut sich die Ladeninhaberin. „Elena hatte noch ihre Mitarbeiterin im Geschäft, die sich manche Teile angehalten hat, dadurch haben wir dann auch noch mal eine bessere Vorstellung bekommen, wie die einzelnen Teile getragen aussehen könnten“, erzählt Ildikó Kieburg-Diehl. Und, Frage an Kundinnen und Geschäftsinhaberin: Ist das Shoppen per Video auch eine Option, wenn Corona das Leben nicht mehr bestimmt? Durchaus! „Wir sind oft lange in der Agentur und haben dann keine Zeit mehr, ins Geschäft zu gehen, da kann das schon Mal ganz praktisch sein. Es ist natürlich etwas anderes als der Besuch im Laden, wo man sich schnell mal ein Kleid überziehen kann. Aber es hat auch seine Vorteile, zu Hause alles anprobieren zu können“, meint Ildikó Kieburg-Diehl. „Irgendwie hat es einfach auch Spaß gemacht, es war etwas Neues“, berichtet Tarané Hoock von diesem Shopping Erlebnis. Elena möchte Ihren Kundinnen diese Option unbedingt auch in Zukunft anbieten, nicht zuletzt, weil es sicher weiter Kundinnen und Kunden geben wird, die sich ungerne unter Menschen begeben, wenn es nicht zwingend notwendig ist. Festzuhalten bleibt aber, für diese Art einzukaufen, ist es schon vorteilhaft, wenn man sich kennt, sich schon mal im Laden getroffen hat und ein Vertrauensverhältnis besteht. Neben der individuellen Beratung haben einige Geschäfte auch Live-Shopping-Formate für ein größeres Publikum auf Instagram angeboten. Sie waren durchaus erfolgreich, dafür muss man aber auf Instagram schon lange aktiv und sehr erfolgreich gewesen sein.

Die Krise verlangt vollen Einsatz

 

Kerstin Görling vom Frankfurter Geschäft Hayashi, eines der führenden progressiven deutschen Contemporary Fashion Geschäfte mit über 27 0000 Followern, konnte trotz Corona und Dank Instagram bis zu 200 Kundinnen gleichzeitig über Trends, Farben und die neuen Looks des Frühjahrs informieren. „Das hat Spaß gemacht und sich auch wirtschaftlich gelohnt. Normalerweise hat man ja nie so viele Kundinnen gleichzeitig im Laden. Dabei ist ein guter Samstagsumsatz herausgekommen“, berichtet sie fröhlich. Mit der Kommentarfunktion konnten die Kundinnen kommunizieren, etwa darum bitten, eine Hose nochmal genauer zu sehen, oder das Dessin eines Kleides in Nahaufnahme. „Bestellt wurde dann auf allen sozialen Kanälen per Mail, WhatsApp, Instagram. „Wir haben Päckchen verschickt oder auch selber an die Tür gehängt.“ Die Krise verlangt von Kerstin Görling und ihren MitarbeiterInnen vollen Einsatz. Das Life-shopping Angebot werden sie aufrechterhalten. „Es ist etwas anderes, kommt Kundinnen mit wenig Zeit entgegen und denen, die auch nach der Ladenöffnung noch vorsichtig sind. Und: Gewissermaßen ist es wie ein besonderes Event!“ Die Stilberaterin Sophie B. Krüger aus Berlin hat auch schon vor Corona online beraten. „Die Kundinnen, die die Online-Stilberatung in Anspruch nehmen, sind in der Regel versiert im Umgang mit den sozialen Medien. Sie besuchen Webinare, nehmen öfter an Videokonferenzen teil und kommunizieren selbst auch mit ihren Kunden auf virtuellem Wege“, weiß sie zu berichten. Meist sind es mehrere Termine, zwischendurch werden „Hausaufgaben“ vergeben. „Bei der Beratung geht es nicht darum, dass die Kundin vor der Webcam posiert oder einzelne Kleidungsstücke hochhält. Wir entwickeln im Gespräch und anhand ihrer Fotos den individuellen „Garderoben-Fahrplan für sie“, erklärt sie.
So dramatisch die Krise gerade auch für den Modehandel ist, zwingt sie doch auch zu Kreativität. Mit Aktionen wie #supportyourlocaldealer sind sich Kunden und die Händler ihres Vertrauens mancherorts nähergekommen. Krisen schweißen bekanntermaßen zusammen. Und mit Live-Shopping- Formaten via Instagram oder ganz individuell mit Face Time, Skype oder WhatsApp sind Formate getestet worden, die die Möglichkeiten einzukaufen, um eine Option erweitern. Gerade auch kleinere Geschäfte, für die ein Onlineshop keinen Sinn macht, könnten davon auch in Zukunft profitieren.

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