„Zusätzlich“, „nebensächlich“, „ein der Mode angepasstes Beiwerk“, so oder ähnlich klingen offizielle Definitionen, die die Funktion von Accessoires, also Schuhen, Taschen, Gürteln, Schmuck etc. beschreiben.
Das klingt nicht nur ältlich , sondern ist tatsächlich absolut überholt. Man könnte eher die These aufstellen: Das Accessoire entscheidet, ob ein Look modisch ist oder eben nicht, es ist der entscheidende Punkt, der den Strich erst zum i macht. Der Schmuck im Art Deco Look, der Rucksack von Hermès oder die Sneakers mit Budapester-Muster, Accessoires geben Auskunft darüber, wie modisch up to date Trägerin oder Träger sind.
Die anschwellende Bedeutung dessen, was von der Bedeutung her Nebensache ist, hat natürlich damit zu tun, dass zumindest bei vielen, und gerade den Modeinteressierten, die Kleiderschränke voll sind. Niemand muss sich etwas Neues kaufen, nur das Besondere löst noch den „Muss-ich-haben“-Reiz aus. Die Basics von Jeans über T-Shirt bis zum kleinen Schwarzen finden sich in den meisten Kleiderschränken und meist auch in mehrfacher Variation.
Der Preis spielt eine untergeordnete Rolle
Die Verkaufszahlen zeigen, entschlossen gekauft werden zurzeit auffällige Einzelteile und da spielt der Preis dann eine durchaus untergeordnete Rolle. Bestes Argument, um diesem nicht zu bezwingenden Kaufdrang eine rationale Erklärung zu geben: Solche Eyecatcher brezeln die faden Basics, die sich im Schrank angesammelt haben, noch mal so richtig auf. Tatsächlich ist da etwas dran. Die großen Luxusmarken Prada, Dior, Gucci und Co profitieren gerade besonders und wagen es auch wieder, ihr Logo großzügig zu platzieren. Offensive Label-Prints galten in den letzten Jahren als eher uncool, nun sind sie wieder da. MCM-Taschen, Marc-Jacobs-Schriftzüge und Aigner-Gürtelschnallen beweisen es. Dem neuen Designer-Duo von Kenzo, Humberto Leon und Carolin Lin, gelang mit dem Pulli mit Tigerkopf und großen Kenzo-Logo sogar auf Anhieb ein echter Fashion- Coup, den sie mit magischen Augen und Fischen in den nächsten Saisons zu widerholen suchten.
Mode kommt nicht ohne ein bisschen Firlefanz aus
Das unverkennbare Stück ist ein Must-have. Wie von der Modebranche bestellt scheint es da, dass die holländischen Forscher Rob Nelissen und Marijn Meijers von der Universität Tilburg jüngst herausgefunden haben, dass Personen, die erkennbar Designer-Teile tragen, automatisch als wohlhabender eingestuft und eher für einen Job empfohlen würden. Für ihr Experiment haben die Professoren Versuchspersonen Fotos von einem Mann mit T-Shirt, mal ohne, mal mit Phantasie-, mal mit Designer-Logos von Lacoste und Tommy Hilfiger gezeigt. Obwohl es immer exakt das gleiche Shirt war, galt der Träger vom Shirt mit Designer-Logo immer als der kompetenteste. Wenn das kein Aufruf zum Luxus-Shoppen ist.
Tatsächlich bekommen aber auch kleinere unbekannte Labels durch den Trend zum Besonderen eine Chance. Der gute Look kann den Markennamen durchaus schlagen, gerade kleine individuell geführte Geschäfte ziehen daraus ihren Gewinn. Und auch die Hersteller von Kleidern im mittleren Preissegment beginnen umzudenken, Einzelteile und Accessoires gewinnen an Bedeutung. Als Folge davon beginnen auch schon das Angebot und die Präsentation in Warenhäusern, die keine Luxustempel sind, sich zu verändern.
Die Männer sind den Damen dicht auf der Spur
Heute will jeder ein „Concept-Store“ sein, also ein Geschäft, das einen Lifestyle verkauft und dessen Angebot besonders individuell ausgesucht ist. Die Berliner Mode-Messen von Bread & Butter Premium, Capsule bis zu Show and Order profitieren von diesem Trend. Aus der ganzen Welt kommen die Einkäufer auf der Suche nach neuen Labels, die den anspruchsvollen Kunden etwas bieten, das sie noch überrascht. Ganz neu ist allen, die sich professionell mit Styling beschäftigen, die Bedeutung des Accessoires tatsächlich nicht Die New Yorker Designerin Kate Spade, 1996 und 1999 vom Council of Fashion Designers of America erst mit dem Perry Ellis Award als neues Talent im Accessoire Design und dann als Accessoire-Designerin des Jahres ausgezeichnet, schreibt in ihrem Buch „Style“: „Es ist das, was du dazu fügst, was deinem Aufritt Persönlichkeit und Stil gibt“. Nur logisch also, dass ihr Motto „Accessorize, Accessorize, Accessorize“ lautet. Und auch Coco Chanel hatte mit ihren Perlenketten und Kamelienblüten die Bedeutung des gekonnten Schmückens erkannt. Mode kommt eben nicht ohne ein bisschen Firlefanz, einen Tick Extravaganz, das gewisse Etwas und die individuelle Note aus. Es scheint gerade ein frischer Wind über die Laufstege zu wehen, die Schnitte werden schärfer, die Proportionen subtiler, die Prints gewagter, Accessoires und Einzelteile eigensinniger.
Nie mehr als eine Statement Piece pro Outfit
Und wenn sie so eigensinnig sind, dass sie ein ganzes Outfit charakterisieren, kommen im wahrsten Sinne des Wortes die Statement Pieces ins Spiel. So lautet das neudeutsche Wort der Mode-Branche für das ganz besonders besondere Accessoire oder das wirklich unübersehbare Einzelteil. Diese Statement Pieces verleihen dem eigenen Auftritt etwas Spielerisches, mal einen Touch Dramatik, mal genau die richtige Dosis Sexyness, um richtig Party zu machen und geben natürlich ganz deutlich zu erkennen, das man weiß, wo der Hase modisch langläuft. Atemberaubend hohe High Heels heißen bei Insidern übrigens schon „Statement Heels“. Für Designer, Hersteller und Geschäfte haben die Statement Pieces einen ganz besonderen Vorteil. Sie sind gewissermaßen Saisonartikel, seien sie auch noch so luxuriös. Was in einem Jahr ein exzentrisches Must-have war, ist im nächsten Schnee von gestern, an den man sich noch dazu nur allzu gut erinnert. Da hilft nur Einlagern und in zehn Jahren als edles Vintage-Stück wieder ausgraben. Aber Vorsicht! Beim Umgang mit Accessoires und Statement Pieces lohnt es sich unbedingt an ein Zitat der cleveren Coco Chanel zu erinnern: „Lebenskunst ist die Kunst des richtigen Weglassens. Das fängt beim Reden an und endet beim Dekolleté“. Diese Regel gilt ganz besonders auch für Statement Pieces. Nie mehr als eines pro Outfit.
Und noch etwas: Es sind auf keinen Fall nur Frauen, die gekonnt modische Statements setzen, die Männer sind ihnen dicht auf der Spur. Sie lassen ein elegantes Outfit durch einem lässigen Schuh weniger formell, dafür um so modischer aussehen, sie ersetzen die Aktentasche durch einen coolen Beutel oder tragen ein Hütchen, mit dem sie Modewitz und Modemut beweisen. In vielem war Coco Chanel ihrer Zeit voraus, ihr Aperçu, nach dem „ein Mann anziehen kann, was er will – er bleibt doch nur ein Accessoire der Frau“, wirkt im Angesicht heutiger männlicher Extravaganzen tatsächlich nicht mehr zeitgemäß.