Auf ins Grüne

Die Experten des Farbberatungsunternehmens Pantone haben Greenery zur Farbe des Jahres erkoren. Weshalb? Dieser frische, gelbgrüne Farbton stehe für das Wiederwachen der Natur, für Neuanfang und mache Hoffnung in einer in vielerlei Hinsicht schwierigen Weltlage, so die Begründung. Außerdem sei er lebensbejahend und ließe einen förmlich in die Natur eintauchen. Gründe genug also, dass der Farbton „Greenery“ in Mode-, Architektur- und Designwelt ab sofort eine Hauptrolle spielt. Tatsächlich entdeckt man, erst einmal darauf aufmerksam gemacht, überall Wohnaccessoires und andere fashionable Artikel, die einen in diesem hellen, optimistischen Grün anleuchten. Aber gab es die Farbe Grasgrün nicht eigentlich schon immer? Ja natürlich, aber tatsächlich war sie keine Lieblingsfarbe der Designer und auch von OttonormalverbraucherIn nicht. Sie mache blass und sei schwierig zu kombinieren; mit dieser Feststellung wäre man wohl im Bekanntenkreis auf wenig Widerspruch gestoßen. Wer will schon aussehen, als sei ihm speiübel. Dieses unbehagliche Gefühl gegenüber der Farbe, die uns doch im Frühling, wenn die ersten jungen Blätter spießen, so verzaubert, galt nicht nur in der Mode, sondern auch in Einrichtungsfragen.

 

 

Mit Grün wird die Wohnung zur Oase

Grüne Wände? Um Gottes willen, die lassen einen fahl aussehen wie eine Wasserleiche, grüne Möbelstoffe oder gar grüne Möbel? Womit soll man die denn kombinieren? Nun ja, wer es nicht ausprobiert, wird es nicht rausbekommen. Tatsächlich ist es nämlich gar nicht so schwierig. In Begleitung etwa mit Weiß wirkt Greenery sauber und klar, mit Pink modern und jung, mit Haselnussbraun gediegen und erwachsen, mit Schwarz streng und elegant. Ein frischer, grüner Akzent in der Wohnung wirkt tatsächlich, als habe man die Fenster geöffnet und ein mildes Frühlingslüftchen zöge durch den Raum. Die grüne Lampe, die Vase aus grünem Glas oder ein paar neue, grüne Kissen haben schon ihre Wirkung. Ein grünes Sofa oder auch ein Sessel entwickeln schnell Oasenqualität in der Wohnung. Erstmal auf den Geschmack gekommen, wundert man sich, dass der Farbton Greenery nicht längst ein Evergreen ist.

Tropenfeeling

Die Sehnsucht nach Grün gibt es übrigens auch noch in einer exotischeren Ausprägung, was sich an einem fulminanten Comeback der Zimmerpflanzen zeigt. Es können in einem stylishen Haushalt gar nicht genug sein. „Es grünt so grün“ von der Kaktee über den Philodendron bis zur Yucca-Palme. Große Palmenblätter, exotische Blüten auf Tapeten und Stoffen verbreiten keine frische Brise, sondern vielmehr schwüles Tropenklima. Hat ja auch seinen Reiz, die eigene Wohnung als Lodge jenseits von Afrika zu inszenieren. Als blumige Deko gehören dazu nicht Tulpen aus Holland, sondern tropische Schönheiten wie Strelitzien, Ingwerblüten oder Anthurien.

Greenery – mehr als nur ein Farbton

Den Hang zu Grünem kann man natürlich auch in einen größeren Zeitgeist-Zusammenhang stellen. Alles Gärtnerische, die Beschäftigung mit dem Grün, ist ja schon eine ganze Weile Trend. Je virtueller unser Alltag wird, desto größer ist offensichtlich das Bedürfnis, frische Luft zu schnappen, auch mal ganz real in der Erde zu wühlen und einer Pflanze beim Wachsen zuzusehen. Der grüne Deko-Trend in der Wohnung ist im Grunde also nur eine Weiterführung der neuen Freude am Gärtnern auf dem Balkon, im eigenen Garten oder rund um den Baum vor der eigenen Haustür, der schon eine ganze Weile zu beobachten ist. Selbst der Berliner Schrebergarten droht gentrifiziert zu werden. Hipster bauen sich Designerlauben. Wer hätte das gedacht. Tomaten, Salat und Bohnen aus dem Eigenanbau gelten als das Non Plus Ultra der Guerilla Gardening Aktionen, also zum Beispiel das spontane Verstreuen von Wiesenblumensamen auf dem Mittelstreifen, um den eigenen Kiez etwas schöner zu machen, sind Teil der Urban Gardening Bewegung. Urban Gardening bedeutet, städtischen Raum gärtnerisch zu nutzen. Auch auf kleinsten Flächen – bis hin zur Nutzung alter Eimer oder Container – wird möglichst umweltschonend Anbau betrieben. Manchem gilt es als Beweis besonderer Naturverbundenheit, seine Tomaten auf dem Balkon in alten Joghurtbechern zu sähne. Nicht jede Facette des Urban Gardening ist tatsächlich so nachhaltig, wie sie gerne wäre, aber die generelle Botschaft ist vernünftig. Regionalen Anbau zu fördern statt Äpfel aus Neuseeland einzufliegen, Kindern zu zeigen, dass Tomaten nicht im Supermarkt wachsen, und schlussendlich kochen und keine Konserve aufmachen, das macht Sinn. Ob der Prinzessinnengarten in Kreuzberg, das Almende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld oder die Lasker-Wiese am Ostkreuz – diese Projekte bringen Menschen zusammen und Natur zurück in die Stadt. Man kann also mit Fug und Recht sagen, „Greenery“ ist mehr als ein Farbton, es ist eine Lebenshaltung.

 

EXTRA

Genuss auf kleinstem Raum


Foto:hauert

Im Sommer werden Garten und Balkon zum zweiten Wohnzimmer. Grüner geht’s nicht. Statt Duftkerzen verbreiten hier nun Feder- und Pfingstnelken, Duft-Thymian, Lavendel, Bergminzen oder Vanilleblumen Wohlgerüche. Für die meisten von uns ist übrigens der Bauerngarten mit seiner Mischung aus Blumen, Gemüse und Beeren der ideale Garten. Er ist romantisch und praktisch dank Rittersporn und Kosmeen, weil hier auch Mangold, Kohl, Salat und die eine oder andere Beere geerntet werden können. Apfel und Birnen werden auf der benachbarten Obstwiese geerntet. So sieht das gärtnerische Paradies aus. Und die Realität? In der Regel ein Balkon so um die sechs Quadratmeter groß. Wenig Raum also, um gärtnerischen Ehrgeiz zu entfalten – außer man erobert auch die Vertikale. Für Balkonwände bieten sich Pflanztaschen an, in denen Salat, Kräuter oder auch Blumen gedeihen. Typisch Urban Gardening wäre vom alten Schuh bis zum Tetra Pak jedes denkbare Behältnis zu nutzen, was sich gerade findet und anbringen lässt. Natürlich macht aber auch der Handel diverse Angebote für vertikale Bepflanzungssysteme, die, was Gießmöglichkeiten und Praktikabilität angehen, einfacher zu handhaben sind. Und die Apfelernte – im 3. Stockwert? Bleibt wohl wenig wahrscheinlich. Irrtum!

Balkon statt Kühlschrank

Tatsächlich gibt es eine große Auswahl an kleinen Obstgehölzen, die im Kübel und auch auf dem Balkon reiche Ernte versprechen. Angeboten werden nicht nur Äpfel und Birnen, sondern auch Kirschen, Aprikosen, Nektarinen oder Pflaumen in Kleinformat. Egal ob in Kronen-, Spindel- oder Säulenform, das Geheimnis sind schwach wachsende Unterlagen. Die kleinen Bäume im Kübel müssen mit einem Pfahl gestützt, regelmäßig gewässert und gedüngt werden, da unterscheiden sie sich nicht von anderen Balkonpflanzen. Fazit: Es gibt viele Möglichkeiten, auch auf kleinstem Raum den gerade so beliebten Naschgarten einzurichten. Dann lassen sich außer eine paar Tomatenpflanzen und zwei Salatköpfen doch noch Radieschen, Bohnen oder vielleicht sogar Zucchini kultivieren. Statt zum Kühlschrank zu laufen, ist in den nächsten Monaten der Balkon das Ziel, um sich mit einer Beere, Birne oder Cocktailtomate zu verwöhnen. Wichtiger als die Größe ist am Ende die Lage des Balkons. Wieviel Licht und Sonne er täglich hat, ist die entscheidende Voraussetzung für gärtnerische Erfolge. Danach muss sich die Bepflanzung richten. Auf dem Schattenbalkon wird das Aroma der Tomaten mau schwach ausfallen. Und deshalb muss man nicht Trübsal blasen, sondern gärtnerische Phantasie in das Gestalten eines Schattengartens vielleicht mit Farnen, Hortensien und Begonien lenken. So ein Balkon kann sogar zu etwas ganz Besonderem werden. Für jeden Standort gibt es attraktive Gestaltungsmöglichkeiten. Auch eine Bepflanzung ausschließlich in Grün kann ihren Reiz haben und wäre sogar besonders trendy. Stichwort Greenery.