Entzückend, dieser Hauch von Nichts. Der Bikini von Chanel ist einfach ideal, um nach dem späten Frühstück vom Deck der Yacht ins Meer zu springen.
Vielleicht in Mexiko, Puerto Vallarta, wo Kate Winslet gerne Zeit verbringt. Fisher Island vor der Küste Miamis ist ebenfalls ein schöner Ort, um im Winter Sonne zu tanken und ein paar Freunde zu besuchen, etwa Demi Moore, Julia Roberts, Lenny Kravitz oder Ricky Martin, die man hier des Öfteren antrifft. Ideal für den Sundowner mit ihnen ist vielleicht das hauchzarte bodenlange Volantkleid mit Äffchenprint von Valentino – eine gänzlich schwerelose Angelegenheit bei gehobenen Temperaturen.
In den sogenannten Cruise- oder Resort-Kollektionen von eben Valentino über Armani, bis zu Gucci, Prada, Saint Laurent oder Givenchy finden sich nur Outfits, die dafür gemacht sind, beim Winterurlaub in der Wärme auf exklusiven Yachten oder in luxuriösen Ferienresorts die fabelhafteste Figur zu machen. Das Modejahr hat also eine Saison dazugewonnen, und das ist nicht der Klimaerwärmung, sondern der ausgeprägten und fashionablen Reiselust der Reichen und Schönen geschuldet.
Dem daraus entstehenden Modevakuum – denn nichts ist bekanntermaßen älter als die gerade vergangene Sommersaison – haben die Designer Abhilfe verschafft. Kaum ein Modelabel verzichtet noch darauf, neben den traditionellen Kollektionen eine eigene Linie für den Trip in die Sonne vorzustellen, wenn es zu Hause eisig kalt ist – nur zu verständlich. Denn, ganz ehrlich, wer hat schon Lust, für diese schöne Reise wieder die ollen Designerfetzen vom Sommer in die Louis-Vuitton-Tasche zu packen?
Die 70er Jahre sind Gesetz
Für alle, die sich nur ab und zu ein Designerteil leisten können, und deren Platz auch im Winter das Büro und nicht die Yacht ist, sind diese Zwischenkollektionen insofern interessant, als dass einem ja niemand verbietet, zum Beispiel ein Blüschen aus der Cruise Collection auch im nächsten Sommer noch zu tragen. Und natürlich ist ein Babydoll von Dior garantiert auch ein Hingucker auf der Silvesterparty in heimischen Gefilden.
Das Spektrum der gezeigten Kleidungsstücke ist mittlerweile auch nicht mehr auf Bade- und Strandmode beschränkt, sondern bezieht alle Eventualitäten ein, wie Schlechtwetterfronten über dem Kreuzfahrtschiff oder Bekleidungsvorschriften in Ländern, die Schulter- und Kniebedeckung verlangen. So mutet es zumindest an, wenn man sich einen Überblick verschafft. Ein ungeschriebenes Gesetz scheint auch zu sein, dass die 60er und 70er immer wieder durchschimmern oder sogar dominant den Ton angeben.
Auf der Männermodewoche Spring/Summer 2015 in Paris hatte Hedi Slimane für Saint Laurent unter dem Motto „Psych Rock´s New Rising“ Jimi Hendrix, Roger Daltrey und Keith Richards quasi auf den Laufsteg geschickt mit Westen, fransigen Ponchos und engen Lederhosen. Slimane setzte sich über Geschlechterrollenzuweisungen hinweg, ließ eine Frau die Schau eröffnen und präsentierte zwischen vielen Unisex-Looks, die von Männermodels getragen wurden, auch einige Frauenlooks. Letztere wurden von der Modewelt der Einfachheit halber in Resort Collection umgetauft, weil man sie anders nicht einzuordnen wusste. Lässig, flatternd, aufgeschlossen und rockig wirkt diese Hommage an die 70er.
Bei Miuccia Prada schon länger im Trend, zeigt Miu Miu Looks, die von den späten 60er und frühen 70er Jahren inspiriert sind: Mikrokleider und Hosenanzüge im Stewardesslook, Retroprints, die ziemlich psychedelisch und trotzdem modern wirken. Von bunten Wildlederkleidern und Häkeltops ließen sich auch die Gäste Alexa Chung und Uma Thurman faszinieren.
Für Valentino entwarfen Maria Grazia Chiuri und Pierpaolo Piccioli Looks, die dem Stil Frida Kahlos nachempfunden waren: romantische, entrückte, wie aus der Zeit gefallene Kleider mit Spitzeneinsätzen, riesigen Stickereien und transparenten Stoffen, die mal an eine Priesterin in Weiß, mal an Aristokratinnen aus dem 19. Jahrhundert erinnern. Dem gegenüber stand eine Serie, der ein Valentinoprint von 1973 zu Grunde lag: Minikleider im superbunten Zickzack mit ebenso farbigen Jäckchen, die einen beim Hinschauen fast schwindelig werden ließen. Die 60er und 70er Jahre umgibt ein ungebrochener Glamour. Natürlich sind es nicht speckige Jeans und und alte Jesuslatschen, die die Designer inspirieren, sondern der Jet Set jener Jahre.
Der Begriff war gerade erst erfunden und meinte bis in die 60er nur einen überschaubaren Kreis der Superreichen, die den Boulevardblättern gerne Auskunft über Partys in Acapulco oder Dinner auf Aristoteles Onassis´ Yacht gaben. Verehrt wurden sie wie Hollywoodstars – und dazu gehörte natürlich der passende Look: Die Damen trugen Diamanten und Couture-Mode, die ihr Luxusleben verkörperte. Und die sich im Vergleich zu den 50ern auch ziemlich viel erlauben konnte.
Kein Aufwand ist zu groß
Dass nun also die Modedesigner diesem Zauber immer wieder verfallen, wundert kaum. Karl Lagerfeld allerdings beschwerte sich neulich über diesen immer wiederkehrenden Trend in den Resort Collections – und wendete sich stilistisch lieber den Superreichen der modernen Welt zu. Für Spektakel ist er ja bekannt, die letzte Cruise Collection präsentierte er in den Gärten des Versailler Schlosses, davor in einem der teuersten Hotels, Hotel du Cap, an der Cote d’Azur – die Kleider waren zum Teil mit echten Juwelen besetzt. Dieses Jahr war Dubais Jumeirah Beach als Austragungsort für seine Resort Collection. Auf einer künstlich aufgeschütteten Sandbank war in achtwöchiger Intensivarbeit ein Chanelpalast errichtet worden, rundherum mit Palmen und Gräsern bestückt.
Um als Nichtprominenter in den VIP-Status aufzusteigen und in die engere Auswahl der potenziellen Adressaten einer Chanel-Einladung zu gelangen, musste man rechtzeitig vorher ein paar Zehntausende in den drei
Chanelboutiquen der Region vershoppen. Der Andrang soll immens gewesen sein, die „Entschädigung“ aber auch: In traditionellen Holzbooten mit leuchtend rotem Dach wurden die Gäste, darunter Tilda Swinton und Freida Pinto, auf die Insel befördert, um dort in ungeahnte Sphären einzutauchen. Einmal übergesetzt lief man auf Holzstegen dem temporär existenten Gebäude entgegen, das über und über im Stil der arabischen Schnitzereien des Chanel-Logos besetzt war – das sich auch einfach sehr gut dazu anbot, in zwei ineinanderverschlungene Mondsicheln umgedeutet zu werden. Zu Beduinenmusik wurde Tee gereicht und wie in einer überdimensionierten Lounge mit tiefgelegten Sitzen, die mit dem Boden aus einem Guss erschien, schlängelte sich der crèmeweiße Lauftsteg, über den weibliche Aladins und arabische Prinzessinnen tänzelten.
An Haremshosen hatte man sich spätestens sattgesehen, als sie kombiniert mit Pumps regelmäßig auf der Straße grüßten – und beinahe immer wirkten wie eine Zeichnung, die man lieber gleich verwirft. Chanel verlieh diesem Kleidungsstück wieder seine alte Würde, ließ sie mal in Gold erglänzen, mal bestickt oder geblümt auftreten und kombinierte sie mit Kleid oder Tweedjacke. Sie machte eine gute Figur und gern gemeinsame Sache mit Aladinslippern. Anstelle einer Öllampe trugen die Models Chaneltaschen in Ölkanisterform, denen aber auch kein Dschinn mehr innewohnte. Kaftanlooks mit langen schmalen Hosen orientierten sich an der traditionellen arabischen Kleiderordnung der Männer.
Aber, wenn auch in einer subtileren Art, auch hier blitzten ab und zu die 70er durch: goldene Schlaghosen, Kniestrümpfe zu Minikleidern, viel Kajal und aufgeplusterte Frisuren.
So schön und edel diese Reisekollektionen auch sein mögen, die Orte ihrer Inspiration, das Art-Déco-Viertel in Miami, Saint-Tropez in den Siebzigern oder Palm Springs in den Fünfzigern und auch Dubai, hat das nicht auch etwas Gestriges? Ein melancholischer Hauch von Orient-Express, „Titanic“ und alten James-Bond-Filmen umweht diese Mode für die reichen Reisenden und ihre abgeschlossene Welt in einer Luxusblase.