Mit dem Einstecktuch ist das so eine Sache. Je nachdem, wer es wann wie trägt, kann es einigermaßen albern oder auch ziemlich cool wirken.
Es ist in etwa so wie mit dem hochgestellten Kragen beim Polohemd.Kann stylish sein, aber auch gewollt wirken. Besonders in Kombination mit gegeltem Haar und Siegelring. Sie sehen den Typ vor sich, der das trägt!? Andererseits, Pete Doherty oder, um ein weniger extremes Beispiel zu nennen, Ryan Gosling, die kann man sich schon ganz sexy vorstellen im Sakko mit Tuch. Allerdings ist Ryan Gosling ja einer, dem die Damen auch in einer weißen Jacke aus Ballonseide mit goldenem Skorpion auf dem Rücken hinterherpfeifen.
Zum Begriff Pochette gesellt sich der Gentleman
Schon der Begriff Einstecktuch ist ein Problem, er ist nicht weit weg von der Herrenhandgelenktasche, und auch das französische Pochette ist nicht wirklich besser. Es klingt genauso affektiert, wie ein Einstecktuch wirken kann, wenn man es mit zu viel Bedeutsamkeit trägt: als Punkt auf dem i des Styles, womöglich zum blauen Sakko, zu ausgewaschenen Jeans und Sneakers in der Hoffnung, damit besonders lässig zu wirken.
„Ich bin ein Moderebell“ steht diesen Typen ganz groß auf die Stirn geschrieben. Auch die vielen Stilberater, die zum Begriff Pochette inflationär das Wort Gentleman gesellen, verleiden einem dieses männliche Accessoire. „Das Einstecktuch, auch Kavalierstuch oder Pochette genannt, ist das klassische Accessoire für den Gentleman.
Wählen Sie zwischen diversen Farben und Mustern, unendlichen Falttechniken und stimmen Sie das Einstecktuch auf Ihren persönlichen Stil ab!“, so etwas ist da zu lesen. Man ahnt, wie dieser persönliche Stil aussehen könnte und lernt den Begriff Kavalierstuch kennen. Wenn man also aufgefordert ist, eine Art Ratgeber zum Thema Einstecktuch zu schreiben, läuft man Gefahr, sehr verzopfte Tipps und Meinungen zum Thema Herrenmode zu verbreiten und sich selbst ein bisschen lächerlich zu machen.
Das größte Problem mit Einstecktuch, Pochette oder Kavalierstuch ist die gängige Einschätzung, dass es ein Ausdruck von Individualität sei. Genau das ist es nicht: Wer ein Einstecktuch braucht, um Individualität zu beweisen, dem mangelt es an ihr. Nun haben Männer aber keine allzu große Auswahl an Accessoires, die es ihnen ermöglichen, spielerisch mit dem Thema Mode umzugehen. Es wäre also doch auch schade, die Möglichkeiten Akzente zu setzen, durch Ausschluss des Einstecktuchs noch mehr einzugrenzen. Es gilt also Regel Nummer eins: Das Einstecktuch nie als Ausdruck von Persönlichkeit verstehen. Zweitens: Zu festlichen Anlässen und natürlich als Bräutigam sollte man das Einstecktuch einfach nehmen als das, wofür es gedacht ist, nämlich als festliches Accessoire. Am besten aus weißem Leinen. Das wirkt dann elegant und nur darum geht es. Drittens: Alles andere ist Freestyle und unterliegt allein der eigenen Geschmackssicherheit. Die Regeln, wie man ein Einstecktuch faltet, Bauschfaltung, Kronenfaltung, Dreiecksfaltung, um nur drei von zahlreichen Varianten zu nennen, lässt sich unschwer in den unzähligen Ratgebern nachschauen. Vielleicht entwickeln Sie ja auch Ihre ganz eigene Technik. Ob Sie Paisleymuster mit Streifen und Karos mixen, ob Sie das Einstecktuch mit Krawatte oder ohne tragen, entscheiden Sie selbst. Es darf durchaus aus Seide sein, die Kante handgerollt, Ausnahmen bestätigen die Regel. Der Grundsatz, dass das Einstecktuch einen Farbton der übrigen Garderobe aufnehmen sollte, hat natürlich etwas Überzeugendes, aber vielleicht würde es genau Ihre Individualität beweisen, wenn Sie ihn einfach ignorieren!?