Das Role Model

 

 

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Günther Krabbenhöft springt behände aus dem Taxi: „Ich habe den ganzen Januar Termine“, sagt er – Interviewanfragen, die Süddeutsche hat ihn eingeladen, Events wollen sich mit ihm schmücken. Der volle Terminkalender macht ihn etwas atemlos.„Offensichtlich versprechen die sich etwas davon, dass ich da bin“, sagt er amüsiert, aber auch ein bisschen verwundert. Krabbenhöft wurde bekannt, als ein Foto von ihm im Internet auftauchte, ein japanisches Modemagazin sich nach ihm in Berlin auf die Suche machte und mit ihm eine Modestrecke fotografierte. Nun findet man bei Google in 0,37 Sekunden 60.000 Ergebnisse zum, wie er genannt wird, „Fashion-Rentner“ oder„Hipster-Opa“. Begriffe, mit denen er sich nicht identifizieren mag, die ihn am Ende aber auch nicht stören. Gelassenheit ist eine Qualität des Alters. „Wissen Sie, ich bin einfach ein gut angezogener älterer Herr. Übrigens auch nicht 104 Jahre alt, wie gerne geschrieben wurde, sondern 70. Und natürlich bin ich auch kein Hipster-Opa. Ich bin der Opa meiner Enkel, sonst von niemandem.“ In der Nähe von Hannover ist Krabbenhöft aufgewachsen, sein Leben hat er in Berlin als Koch verbracht. „Nicht mein Traumberuf, aber ok.“

Dieter Krabbenhöft am Kreuzberger Engeldamm.

Günther Krabbenhöft am Kreuzberger Engeldamm.

 

Ein Fashion Victim ist er nicht

 

Kleidung war für ihn, so lange er denken kann, von Bedeutung. Er war es sich immer wert, gut auszusehen. Der Begriff Fashion-Rentner trifft allerdings auch insofern nicht, als Krabbenhöft nie an Mode im Sinne von neuesten Trends interessiert war. Es geht ihm um Selbstdarstellung, aber ein Fashion Victim ist er nicht. „Gut angezogen sein hat auch nichts mit Geld zu tun“, sagt er, das sei eine Ausrede. Günther Krabbenhöft ist ein freundlicher älterer Herr, der plaudert und verblüffend professionell vor der Kamera posiert. In die Wiege gelegt war ihm das anscheinend nicht. Seine beiden älteren Geschwister sind anders. Nur er, das Nesthäkchen, hat dieses Gen, nur ihn hat es in die Stadt gezogen. Bei aller Bereitschaft zu plaudern, wirklich privat wird er nie. Er lädt nicht dazu ein, nachzuhaken. Er trägt seine Haut nicht zu Markte, gibt nichts Intimes preis in der Hoffnung auf mehr Aufmerksamkeit. Er bespielt das System nicht, gerade das macht ihn natürlich interessant. Ja, seine Enkel sind dem Opa zugetan, seine Tochter, die er allein aufgezogen hat, ist auf einem ganz anderen Trip. Die Frage, woher seine Affinität zu schönem Aussehen kommt, kann oder mag er nicht erklären. Seine charmante Unverbindlichkeit und die Unabhängigkeit, „ich brauche ja nichts dazuzuverdienen – für fünfzig Jahre Arbeit ist die Rente zwar klein, aber sie kommt“, kennzeichnen ihn. Für eine strampelnde Hipster-Szene, die sich von einem Projekt zum nächsten rettet, ist dieser bunte alte Mann, der neben ihr im Berghain tanzt, ganz sicher ein Role Model.

 

Ein Mensch, der die ihm verbleibende Zeit genießt

 

Krabbenhöft ist authentisch und damit auf ganz unerhörte Weise modern und altmodisch zugleich. Wie oft wurde der Begriff Authentizität in Werbung, Magazinen und Trendanalysen als Maß der Dinge vorgestellt, missbraucht und totgeritten. Wie groß ist da das Erstaunen, wenn dann plötzlich einer auftaucht und so selbstverständlich er selbst ist. Kein Star, kein Millionär, einer der so alt aussieht, wie er ist, keiner der irgendetwas sein oder darstellen will. Krabbenhöft, so scheint es, ist einfach ein Mensch, der die ihm verbleibende Zeit genießt, seinen plötzliche Bekanntheit mit einem gewissen feuilletonistischen Abstand betrachtet und auch gut allein mit sich klar kommt. Ein wünschenswerter Zustand. Krabbenhhöft ist sicher ein bisschen eitel, aber nicht eitel genug, um so zu tun, als sei ihm das alles egal. Nein, er freut sich und genießt. Und er passt auf, dass er nicht überrollt wird. Eine langjährige Freundin, die zu Besuch in Berlin immer bei ihm gewohnt hat, nimmt sich plötzlich ein Hotel aus Rücksicht auf seine Verpflichtungen. Das gibt ihm zu denken. Natürlich habe ich mehr als früher zu tun, aber „trotzdem bin ich doch davon ausgegangen, dass wir die verbleibende Zeit gemeinsam verbringen“. Zeit mit Freunden verbringen, das, so wird im Gespräch immer wieder deutlich, ist ihm am wichtigsten. Ein Traum? Mit nahen Menschen gemeinsam in einem Haus auf dem Land leben. „Na, fast hab ich das ja geschafft“, setzt er nach. „Ich lebe immerhin in einer Hausgemeinschaft, die sie sich lange kennt und schätzt.“ Natürlich kann man Krabbenhöft nicht treffen, ohne eine Frage zu seinem Style zu stellen. Was sind für ihn die wichtigsten Accessoires? Fliege und Hut!

 

 

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