Design aus Indien – Dressing up

Design aus Indien

IDLI by Thierry Journo

Ein größerer Gegensatz zwischen einem Idli und Thierry Journo ist kaum denkbar. Ein Idli ist ein fester, etwas fad schmeckender Reiskuchen in der südindischen Küche, der erst dadurch an Geschmack gewinnt, dass man ihn in ein scharfes Gemüsecurry tunkt. Bei Thierry Journo ist gar nichts fad: Seine Kleider, Möbel, Teppiche, Vasen, Lampen und Bilder sind allesamt bunt und auffällig, er selbst sprudelt seit Jahren über von Ideen und lässt die Welt daran teilhaben. Zwei Tage mit Thierry sind so reich an Gesprächen wie ein ganzes Leben in einem maghrebinischen Dorf. Denn das brachte Thierry, der als Kind italienisch-französischer Eltern in Tunesien aufwuchs und später in Paris zu Hause war, nach Indien mit: die Erfahrung einer Kultur, die das Geschichtenerzählen pflegt und Farben im Alltag nicht scheut. Thierrys Marke heißt IDLI: Wie in der südindischen Küche werden einfache und solide Grundzutaten mit einer Menge kreativer Zusätze gemischt, und das Ergebnis ist bemerkenswert.
Seine Mode kleidet nicht nur – aber auch – yogagestählte französische Herzoginnen
Ich kenne Thierry seit sieben Jahren. Schon damals teilte er seine Zeit zwischen Paris und Jaipur im nordindischen Rajasthan. Inzwischen sind die Reisen nach Paris Besuchsreisen geworden; der Mittelpunkt von Thierrys Leben ist Indien geworden. Und das hat seinen Grund: In Rajasthan werden Stoffe und Farben hergestellt, die sich in Thierrys Kollektionen wiederfinden. Jaipur hat eine Reihe traditioneller Handwerke bewahrt, zu denen das Färben, Sticken, der Blockdruck, aber auch Lederwarenherstellung und Goldschmiedekunst gehören. Deshalb ist Thierry nicht der einzige Franzose, der in Jaipur lebt und sowohl für den indischen als auch den europäischen Markt hochwertige und vor allem schöne Waren kreiert: Zu den Menschen, die er mir bei meinen Besuchen vorgestellt hat, gehören unter anderem die Juwelierin Marie-Hélène de Taillac, die inzwischen einen Laden an der New Yorker Madison Avenue betreibt, oder die weltweit bekannte Brigitte Singh, die den traditionellen Hand- oder Modeldruck in Jaipur wiederbeleben half und an den zeitgenössischen Geschmack anpasste, ohne dass seine indischen Wurzeln ihre Erkennbarkeit verloren.
Design aus Indien

IDLI by Thierry Journo

Und schließlich Hervé Vital, dessen romantisches Mosaic’s Guesthouse den Mosaiken seines Besitzers als Rahmen dient, der im übrigen auch ein wirklich guter Koch ist.
Thierry Journo bezieht von diesen Menschen, aus den überreichen visuellen Eindrücken Indiens, vor allem aber aus seinem geradezu enzyklopädischen Gedächtnis für Muster, Farben und Strukturen seine Inspiration. Ich war bei einem Besuch vor kurzem beeindruckt, wie sich sein Stil in den letzten Jahren entwickelt hat, ohne die Charakteristika der Anfangsjahre je zu verleugnen. Hemden, die ich vor sieben Jahren gekauft habe, sind mühelos als verwandt mit denen von heute erkennbar und daher auch noch immer tragbar – und dennoch halte ich die heutigen für subtiler und besser. Sie nehmen indische Motive ebenso wie europäische auf, und ihre Muster, Schnitte und Farben gehen zum Teil weit in die Modegeschichte beider Kontinente zurück, um über Umwege dann doch in sehr heutigen Designs anzukommen, die ausgefallen und tragbar zugleich sind.
Design aus Indien

IDLI by Thierry Journo

Wenn man sich – zumal als Mann – wenigstens ein bisschen was traut.Thierry schneidert zwar vor allem für Frauen, und neben yogagestählten französischen Herzoginnen mit der richtigen Figur für alles habe ich auch schon dickliche Frauen aus Europa und Indien in seinen Kleidern bemerkenswert gutaussehend gefunden.

Für entschiedene Anhänger des „less is more“ oder des „more is more“

Unverkennbar sind Einflüsse der großen europäischen Designer – Thierry hat u. a. für Givenchy gearbeitet –, deren Verarbeitung in indischen Stoffen und Farben, die aus beiden Welten kommen. Das gleiche gilt aber auch für die etwas kleinere und vom Hemd über den Anzug bis zum Kaschmirpullover farblich und durch die Schnitte interessante Herrenkollektion: Die fünfundzwanzigjährigen Models auf Thierrys Website sehen ohnehin umwerfend darin aus, aber auch ich – geplagt von beginnender Reifenbildung in der Körpermitte – kann sie gut tragen.

Erik Kurzweil ist Deutscher Diplomat, lebte und arbeitete u.a. in Indien, den USA und Rumänien. Seit August 2012 Stellvertretender deutscher Botschafter in Afghanistan.

Erik Kurzweil ist deutscher Diplomat, lebte und arbeitete u. a. in Indien, den USA und Rumänien. Seit August 2012 stellvertretender deutscher Botschafter in Afghanistan.

All das unter einer Prämisse: Man darf auch als Mann keine Angst vor Farben haben und auch nicht davor, aufzufallen. Aber wenn Gott uns hätte unsichtbar machen wollen, dann würde Thierry Journo jetzt wohl buntgemusterte Tarnkappen schneidern. Entdecken kann man das – außer im Netz – alles in Thierry Journos neuem Laden in Jaipur. Der Laden an sich ist schon die Reise wert: Er liegt im Komplex des märchenhaften Narain Niwas Hotels und direkt neben der Bar Palladio, Jaipurs schönster Restaurant-Bar, die regelmäßig auch interessante Künstler präsentiert. Das Geschäft, das als Thierry-Journo-Gesamtkunstwerk konzipiert ist, bietet neben Bekleidung unter anderem Taschen – sehr schön die in vielen Stoffen und Designs erhältliche Dada Bag. Daneben gibt es eine Auswahl an eleganten Möbeln und ein paar nicht eben unauffällige Wohnaccessoires. Neu sind nepalesische Wollteppiche mit hoher Knotendichte in zeitgenössischen Farben und geradlinige, aber dennoch verspielte Chaiselongues und Stühle, die nach indischer Art mit Hanf bezogen sind. Nach meinem Empfinden funktioniert Thierrys Kunst, wenn man entweder ein entschiedener Anhänger von less is more oder aber von more is more ist. Ein Stück von IDLI bestimmt leicht ein ganzes Outfit oder einen Raum. Wer mehr verträgt, kann das kombinieren: Das geht dann aber nur nach dem Prinzip viel hilft viel. So passt der wirklich originelle Schmuck – rokokoinspirierte Stücke mit Halbedelsteinen in rosafarbener oder blauer Fassung zum Beispiel – nach landläufigem Gefühl für Understatement am ehesten zu einem einfachen Kleid. Wer aber entschlossen ist, sein Leben fröhlicher zu machen, kombiniert ihn mit Kleidern, Schals und Taschen von Thierry, stellt sich auf einen seiner bunten Teppiche und knipst die rote Lampe an. Als Hintergrund für das Selfie mit IDLI taugt ein Aquarell mit indischem Palmengarten, das gut auch in Marie Antoinettes Petit Hameau hätte hängen können. So funktioniert IDLI – nimm solide Zutaten, füge eine Menge scharfer Gewürze hinzu, und dann sei mutig und greif zu.

 

 

IDLI by Thierry Journo, Narain Niwas Palace Hotel, Kanota Bagh, Narain Singh Road, Jaipur- RJ 302004, Indien
Telefon: + 91 141 2211894; Mobil: +91 98 2807 5684; www.idlidesign.com

 

Marie-Hélène de Taillac, 20 East 69th Street, New York, NY 10065, Vereinigte Staaten Telefon: +1 212 249 0371; www.mariehelenedetaillac.com

 

Brigitte Singh c/o Aleta, Aleta Ltd Studio, 83 Battersea Business Centre, 99/109 Lavender Hill, London SW11 5QL, Vereinigtes Königreich (nur nach Vereinbarung)
Telefon: +44 20 7228 9676

 

Mosaic’s Guesthouse, Siyaram Ki Doongri, Amber, Jaipur – RJ, Indien
Telefon: +91 141 2530031; Mobil: +91 99 5045 7218; www.mosaicsguesthouse.com