Die Pelzfrage

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Prada Frühjahr Sommer 2014

„Wie stehst du eigentlich dazu, ist Pelz tragen o.k.?“ Stellen Sie diese Frage mal so ganz nebenbei der besten Freundin, der Schulkameradin ihres 14-jährigen Sohnes, vielleicht auch dem Kollegen mit der schicken Lammfelljacke, der sicher nie behaupten würde, er hätte einen Pelz im Kleiderschrank. Die Rechtfertigungen beginnen schon in dem Moment, in dem Sie die Frage stellen. „Eigentlich nein, aber vielleicht eventuell doch, es kommt halt darauf an. Ist ja schließlich so schön warm, irgendwie archaisch.“ Und schließlich: „Daunen werden auch gerupft und im Grunde genommen dürfte man ja dann auch keine Eier mehr essen. Selbst bei Bio-Eiern weiß man ja inzwischen nicht mehr ganz sicher, ob sie wirklich von glücklichen Hühner gelegt wurden.“ Fast nie kommt ein eindeutiges „Nein“ oder ein selbstbewusstes „Ja“. Meist bleibt am Ende ein verdruckstes „Njein“ im Raum stehen. Weil eine politisch und moralisch einwandfreie Lebensführung selbst in der diogenesischen Tonne nicht mehr zu garantieren wäre, schwindet der Widerstand.

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Dolce & Gabbana Sommer 2014

Und besonders schwer fällt es, Position zu beziehen, wenn der Pelz von der Oma oder der Mama quasi zu einem gekommen ist, wenn er da so ohne eigenes Tun plötzlich in all seinen weichen Qualitäten vor einem liegt. Cashmere-Nerz ist der Hingucker Die Komplexität der Lage schwächt den Kampfesgeist. Zu vielfältig sind die Informationen. Es ist doch glaubwürdig, dass Pelzzüchter kein Interesse an Tieren haben, die sich in engen Käfigen gegenseitig den teuren Pelz zerbeißen. Wer mag schon so genau beurteilen, ob den Nerzen der Platz im Käfig tatsächlich weniger wichtig ist als die gemütlichen Nisthöhlen, die ihnen in verantwortungsbewussten Farmen natürlich geboten werden. Und dann aber berührt einen der Begriff „Pelzfarm“ doch irgendwie unangenehm.

Aber ist Kunstfell tatsächlich eine Alternative? Abgesehen davon, dass es natürlich doch nie so kuschelig ist, leuchtet die Überlegung ein, dass es sich um Plastik handelt. Die Produktion und schließlich die Entsorgung als Sondermüll tun dem Planeten ja auch nichts Gutes. Dann doch lieber das Naturmaterial. Interessanterweise antwortet in der natürlich nicht repräsentativen Umfrage des Autors nur eine Friseurin, Cora, entsetzt und eindeutig mit „nein, Pelz, nie!“ Diejenige, die täglich mit Haaren arbeitet, kann tierisches Fell einfach nicht leiden. Und außerdem, wo jeder zweite jetzt Vegetarier ist und sogar vegane Restaurants auf dem Vormarsch sind, findet sie Pelz einfach nicht vertretbar. Aber natürlich, wenn eine Kundin im Pelz kommt, nimmt sie ihr – mit leichtem Unwohlsein – den Mantel ab und beschüttet ihn nicht mit Farbe. In Farbe tauchen den Pelz übrigens sowieso nicht mehr nur Tierschützer. Auf der Webseite des deutschen Pelzinstituts ist zum Beispiel zu lesen: „Pelz wird nicht mehr unauffällig innen oder reduziert an Kragen oder Ärmeln eingesetzt. Die Träger und vor allem die Trägerinnen demonstrieren modische Stilsicherheit mit leichten Pelzen, geschoren, gerupft, in Ultramarin und Aquamarin gefärbt, elegant oder auch sportlich. Ob als Cape, Riesenkragen, rockbreite Saumumrandung oder als Ganzpelzmantel: Pelz und Genuss gehören wieder zusammen. Und wenn es nur ein Ausrufezeichen sein soll, dann sind ‚Gorilla-Arme‘ aus Langhaarfell zum ultrakurz geschorenen Cashmere-Nerz der Hingucker.“

 

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Miu Miu Sommer 2014

Pelz-Erbinnen lassen umarbeiten

 

Der weltweite Pelzhandel erreicht einen Wert von 15 Milliarden US Dollar, 4,5 Milliarden in der EU und 10,6 Milliarden in Nicht-EU-Ländern, informiert das deutsche Pelzinstitut. Besonders Asien treibt das Wachstum an, der chinesische Markt erbringt ein Viertel der gesamten Pelzverkäufe. Aber auch in Deutschland wurde im Jahr 2012 ein Jahresumsatz von 1,065 Milliarden Euro mit Pelzen gemacht. Etwa 4300 Beschäftigte arbeiten in der Pelzbranche, weiter 13000 in Geschäften, die Pelze im Sortiment führen. 750 Kürschnerbetriebe gibt es und 23 Pelzfarmen. Angst vor der Peta haben heute wohl nur die wenigsten Pelzfreunde. Und gerade diese Tierschutzorganisation hat mit ihrer Supermodelkampagne ja bewiesen: Gegen Pelz zu sein ist leicht, seiner weichen Verführung nicht zu erliegen, aber wohl unmöglich. Naomi Campbell jedenfalls wandelte das Motto „Lieber nackt als Pelz“ um in „Lieber Pelz als nackt“, und zeigt sich längst wieder ungeniert in große Pelze gehüllt. Unlängst auch in Berlin in opulentem Rotfuchs. Auch auf der Berliner Fashion Week sind Pelze kein Tabu. Junge Bloggerinnen, Chefredakteurinnen und Fashion-Groupies schmücken sich mit fremdem Fell. Wenige tragen Pelz von Kopf bis Fuß, bei vielen schmückt aber ein Pelzkragen den Parka oder eine von russischen Schapkas inspirierte Mütze den Kopf. Gerade diese vermeintlich kleinen Mengen Pelz, die Applikationen, Verzierungen und Besätze summieren sich weltweit. Olaf Fechner, Chef von einem der ambitioniertesten Kürschnerbetriebe Berlins beobachtet momentan aber auch eine „Pelz-Erbengeneration“, die mit dem alten Nerzmantel unter dem Arm in seinen Salon kommt und fragt, was aus dem noch zu machen wäre. Nicht selten ein völlig neuer Mantel. „Das Umarbeiten ist ein wichtiges Standbein für uns Kürschner“, sagt Fechner. Die Mäntel werden völlig neu zusammengesetzt und können etwa geschoren oder gerupft werden. Beim Rupfen werden die lang herausstehenden Haare, in der Fachsprache Granne, entfernt und schon ist der Pelz viel leichter. „Bei dem Wert und der Langlebigkeit des Materials lohnt sich der finanzielle Aufwand oft, einen Mantel vollständig umzuarbeiten. Die Kundin geht dann mit dem Gefühl aus dem Salon, sie hätte einen neuen Mantel.“ Das hat natürlich seinen Preis. Eine aufwendige Umarbeitung kann auch schon mal 3000 Euro kosten. „Aber“, sagt Fechner, „die Weltnachfrage ist riesengroß, deshalb sind Nerze momentan extrem teuer, das kann sich rechnen. „Das Argument der Nachhaltigkeit und Langlebigkeit wird von Pelzfreunden gerne ins Spiel gebracht, um ihrer Liebe zum Material einen politisch korrekten Mantel zu verleihen. Am Ende bleibt oft doch ein vages Gefühl des Unwohlseins, wie in so vielen anderen Bereichen unseres Lebens. Wer hat nicht schon mal daran gedacht, Vegetarier zu werden, um dann doch, weil der Magen knurrte, die Zeit knapp ist und der Duft köstlich, eine Currywurst zu ordern. Blumen mit Pestiziden, gepflückt von unterbezahlten Arbeiterinnen, das Billigshirt aus Indien, die Bio-Flugmango aus Südamerika und so weiter und so weiter. Konsum ist mehr denn je eine Gewissensfrage. Bei der 14-jährigen Paula aus Köln diente die Frage: „Pelz ja oder nein“ in der Schule sogar als kontroverses Thema, um das Argumentieren zu üben. „Die Pelzgegner hatten gute Argumente“, sagt sie, aber cool findet sie Pelz schon auch. „In der Klassenarbeit schreibt man dann natürlich, dass man dagegen ist“, aber wenn es darauf ankäme, gibt sie zu, könnte auch sie nicht ausschließen, sich mal von einem Pelz verführen zu lassen. Und damit ist sie in großer Gesellschaft.