Ein Bild vom Mann

In unserer komplexen Welt gibt es nicht mehr das eine Bild vom Mann, sondern viele unterschiedliche Typen.Besonders schön beobachten lässt sich das am Rande der Schauen, und ganz besonders während der Männermodemesse Pitti Uomo im Januar und Juni in Florenz. Auf vergleichsweise kleinem Raum in den Pavillons auf dem Messegelände des Fortezza da Basso und in der Innenstadt – in Konkurrenz zur unbekleideten Schönheit des David – schlagen Jungs und Männer aller Altersklassen das Pfauenrad.

 

Der Fashionist

Der Fashionist trägt Dandystyle, und zwar bis an die Grenze zur Kostümierung. Anzüge in Azurblau, Maisgelb oder auch rotweiß gestreifte sind underdressed, wenn sie nicht mit Einstecktuch, Krawatte, bunten Socken und verspiegelter Sonnenbrille komplettiert werden. In dieser Saison tragen viele Herren außerdem Slipper mit Bommeln und Panamahüte mit aufs Outfit abgestimmten Bändern. Je nachdem wie kernig der Mann sich sieht, ist er tätowiert, trägt Vollbart und diverse Armbänder, in massivem Silber und/oder schwarzem Leder an definitiv beiden Armgelenken. Diese Looks sind dem Bild vom klassischen Mann und italienischer oder englischer Schneiderkunst verpflichtet, wenn auch in außerordentlicher Exzentrik. Noch eins drauf setzen männliche Fashionvictims in Spitzen- oder Rüschenblusen, in Röcken und Sandalen mit Fellbesatz. Sie sind voll und ganz auf der neuen Gucci-Linie, mit der Alessandro Michele die Modewelt zunächst verblüfft und dann maßgeblich beeinflusst hat. Es sind, das muss man sagen, in erster Linie modefreudige Japaner, die die Gendergrenzen mutig überschreiten und damit vielleicht die wahre Avantgarde bilden. Ganz allgemein lässt sich sagen, der Fashionist hat einen Hang zu barocker Opulenz und Schmuck in vielen Facetten. Das können die Ledermänner des während der Pitti als neuer Versace gefeierten Fausto Puglisi sein, die wie moderne Legionäre daherkommen, oder eben moderne Dandy-Varianten wie etwa in den Schauen von Dolce & Gabbana, Alexander McQueen oder im Extrem Gucci.

Das Model

Bei den Models gibt es unterschiedliche Kategorien und Rankings, mit der ihr Erfolg gewertet wird. Fest steht, es sind nicht Typen, die man klassischerweise als „schöne Männer“ bezeichnen würde, die auf den oberen Plätzen landen. Gefragt sind junge, sehr dünne Jungs mit besonderen Kennzeichen wie einer markanten Nase, schmal zueinanderstehenden Augen oder Schmollmund. Artur Chruszcz etwa, ein blasser Knabe mit Segelohren, steht dank aktueller Kampagnen zum Beispiel für Ermenegildo Zegna oder Modeproduktionen für das i-D-Magazin an oberster Stelle der Newcomer. Lucky Blue Smith, 18 Jahre alt und 1,89 Meter groß aus Utah, wurde berühmt, als er seine Haare platinblond färbte und sie damit seinem Teint anglich. Er steht nicht nur auf der Liste der 50 Top Male Models, sondern ist auch der erfolgreichste Coverboy. In den letzten zwölf Monaten zierte sein blasses Antlitz 24 internationale Titel. Zum Vergleich, der Kollege an zweiter Stelle, Jordan Barrett, schaffte es nur auf sechs Magazine. Trè Samuels, ein afrikanisch-australischer 17-Jähriger aus Melbourne mit Wuschelkopf und Hühnerbrust ist das erfolgreichste Model auf dem Laufsteg. Trè Samuels lief in diesem Jahr schon für Labes wie Neil Barrett, Jil Sander oder Marni. Es sind allesamt androgyne Typen, die als besonders cool gelten. Sie präsentieren am überzeugendsten die neuen Oversized-Schnitte, die kimonoartigen Jacken und weiten Hemden, wie sie etwa Raf Simons in seiner Robert Mapplethorpe gewidmeten Schau präsentiert hat. Unisex ist überhaupt ein wichtiges Thema, was sich auch daran zeigt, dass inzwischen oft Damen- und Herrenkollektionen gemeinsam gezeigt werden. Bei Prada und Gucci etwa mischten sich Jungs und Mädchen munter auf dem Laufsteg. Ihre Klamotten hätten sie durchaus auch tauschen können.

Der Freizeit-Athlet

Für den Alltag jenseits der Laufstege und abseits der Mode-Hotspots ist der Einfluss der Sportswear – im Übrigen nicht nur auf die männliche Garderobe – sicher am wichtigsten. Turnschuhe, Jogginghose, Polohemden sind heute auch im Büro ganz selbstverständlich. Athleisure heißt der Trend, dessen Ende noch lange nicht in Sicht ist. Und gerade Männer, für die neben dem Design Komfort und Funktionalität durchaus ausschlaggebend für die Auswahl ihrer Garderobe sind, unterstützen ihn. Die gute Nachricht lautet: Das sieht auch ziemlich gut aus. Trendy wäre zum Beispiel, das Polohemd durch einen feinen Sommerpulli oder ein leichtes Langarmshirt zu ersetzen. Blousonjacken sind quasi unverzichtbar für den Athleisure-Look, sie dürfen kastig sein oder wie eine Bomberjacke geschnitten. Gestrickte Blazer und Bundfaltenhosen sind im Kommen, die Silhouetten weiterhin eher schmal. Stoffe mit hohem Stretchanteil für Hosen, Jacken oder Anzüge sorgen dafür, dass man das Gefühl hat, für das nächste Workout die Garderobe fürs Büro eigentlich nicht wechseln zu müssen. „Smart Casual“ heisst dieser Look dann neudeutsch. In diesem Zusammenhang spielt Jersey eine große Rolle. Muster sind dezent, die Farbpalette ist eher konservativ: Blautöne werden kombiniert mit Weiß, Schwarz oder Grau. Mit Grün in Nuancen von Mint bis Gras oder auch Kirschrot können Akzente gesetzt werden. Es gibt kaum eine Männerkollektion für den Sommer 2016, in der nicht sportive oder Outdoor-Elemente den Kleidern Lässigkeit und Leichtigkeit geben. Das gilt für so unterschiedliche Schauen wie die von Prada, Versace, Bottega Veneta oder Jil Sander. Der Mann in Bewegung, auf Reisen, beim Sport oder einfach durch die Stadt, beschäftigt die Designer.
Wer sich etwas umschaut, auf den Schauen während der Pitti Uomo und später in den Geschäften findet in jeder Kollektion Teile, die alltagstauglich sind. Kleider aus schön anzufassenden Stoffe, die angenehm auf der Haut sind und mit Spaß getragen werden können. Gut aussehen und sich noch besser fühlen: unser Trend Nummer 1.