„Who‘s next“ heißt eine Pariser Modemesse. Gute Frage und die zentrale in der Mode , die immer nach vorne schaut. Allerdings, Jacke, Kleid oder Rock werden nicht mehr neu erfunden. Die aktuellen Kollektionen, und das momentan mehr denn je, sind immer auch eine Synthese der vergangenen Saisons und daran ist nichts Schlechtes. Dem Zeitgeist steht zur Zeit nicht der Sinn nach modischer Revolution.
Nach Jahren schriller Farbigkeit, nach Retro-Manie und dann der Entdeckung des neuen Minimalismus gilt nun: Die Mode ist weder minimalistisch noch maximalistisch, sie gibt vielen Strömungen Raum und zeigt sich im Großen und Ganzen optimistisch, was zum Beispiel daran sichtbar wird, dass Dekorationen, schöne Prints und Farbe absolut erwünscht sind. Wichtig ist dabei eine selbstbewusste Lässigkeit des Looks, das spielerisch Leichte ist gefragt, nicht das streng Konstruierte. Ein kleines bisschen Übermut gestatten sich die Designer. Über die Stränge geschlagen wird aber nicht.
Haut und Körper
Im Sommer 2014 wird Haut gezeigt, aber unter einem Schleier, der etwa aus Netzstoff, „Mesh“ genannt, bestehen kann, auch aus zarter Spitze und Gaze – oft in Weiß. Feminin und romantisch ist die Aussage dann, oder geht mit Netz-Top, -Shirt oder -Kleid mit einem Touch ins Sportive wie etwa bei Issey Miyake. Gucci gelingt es sogar, Sport- und Cocktailmode in eine aparte Verbindung zu bringen – Netzhemden aus lasergecutteter Seide und seidene Jogginghosen gingen über den Laufsteg.
Gerne werden transparente Stoffe auch gedoppelt, oder Bustiers oder Bandeaus unter allzu durchsichtigen Oberteilen getragen. Was bleibt, ist eine nie lüsterne Ahnung von Nacktheit. Trotzdem ist diese Mode ein Aufruf zur Körperertüchtigung. Die Figur muss schon stimmen, um sich die neue Transparenz erlauben zu können. Übrigens, auch die Nabelschau ist – auf dezente Art – wieder gestattet. Von Balenciaga über Marc Jacobs bis zu Karven oder Versace, bauchfrei ist ein Trend – und sei er auch ein „Zufall“, weil kurze Oberteile verrutschen.
Die Kunst sich anzuziehen
Die zeitgenössischen Designer verstehen sich in der Regel nicht als Künstler, sondern als Kreative, die ein begehrenswertes Produkt für eine Saison kreieren. Es scheint nun, als ob dem Kunstmarkt, der Bilder zu Höchstpreisen auf den diversen Messen zwischen Basel und Miami schon anbietet, wenn die Leinwand noch gar nicht trocken ist, das Prinzip Mode zunehmend ein Vorbild ist. Mit Sinn für Ironie begegnet Karl Lagerfeld dem Thema. Als „Chanel Art“ wurde sein Kollektion für diesen Sommer angekündigt und, weil der Meister die Dinge stets im großen Stil inszeniert, verwandelte er das Pariser Grande Palais in einen weissen Ausstellungsraum und präsentierte 75 von ihm in Auftrag gegebene „Kunstwerke“, die allesamt einen Bezug zur Marke Chanel hatten:
Das Parfüm Nr 5, die Kamelienblüte, die gekreuzten Cs, die Perlen ließen sich in den Objekten und Bildern immer wieder entdecken. Die Kollektion, die in dieser Kulisse zu Jay-Zs „Picasso Baby“ gezeigt wurde, ist – darin besteht Lagerfelds große Kunst – typisch Chanel und erst auf den zweiten Blick von besonderer Kunstfertigkeit und innovativ. Die charakteristischen Tweed Stoffe zum Beispiel waren bei genaueren Hinsehen gar kein Tweed, sondern in aufwendigen neuen Verarbeitungsverfahren hergestellte Gewebe im Chanel Look, ein Trompe l‘oil sozusagen. Manche der eleganten Kleider wirkten wie aus roher Malerleinwand hergestellt. Das Kunst Thema war nicht nur bei Chanel allgegenwärtig.
Die Blumendessins bei Hermes wurden von Rousseau inspiriert, Jil Sanders gebrochene Muster sind der Arbeit des Arte Povera Künstlers Alighiero Boetti nachempfunden, die elegant dunkle Sportivität bei Gucci bekommt noch einen besonderen Akzent durch die vom Art-Nouveau-Illustrator Erté inspirierten extrem vergrößerten floralen Prints. Miuccia Prada ließ ihren gesamten Showroom von Street-Art-Künstlern ausmalen, die gefeierte Phoebe Philo von Céline nannte Graffitis, allerdings so wie Brassaï sie fotografiert hätte, als Ausgangspunkt ihrer Inspiration. Wilde Farbstriche in den Primärfarben Blau, Gelb, Rot oder auch Schwarz-weiß – Brassaï lässt grüßen – geben oversized geschnittenen Kleidern, Röcken, Tuniken und Mänteln eine expressionistische Attitüde. Fransen, grober Strick, Beuteltaschen und Plisseeröcke machen die vibrierende Dynamik aus. Während die Céline-Looks von Phoebe Philo ein Drunter-und-Drüber, ein Lagenlook, ein Spiel mit Transparenz und Volumen ist, widmet sich ihr Pendant, die Mailänder Fashionqueen Miuccia Prada, in ihrer Kollektion dem Thema Sportivität. Zu trikotartigen Kleidern gehören Stulpen und Sportsandalen genauso wie Schmucksteine und Faltenröcke. Gemeinsam haben sie Eklektizismus als Prinzip und sind damit Vorbild für viele ihrer Kollegen.
Durchaus möglich, dass die Modemacher momentan kreativ und handwerklich anspruchsvoller arbeiten, als einige der gehypten Künstler. Street-Art, Mailand, Sommer 2014, Prada Miuccia Prada, starke Frauen
Was soll ich tragen?
Die neuen It-Pieces sind Evergreens der Mode. Gewinner der Saison sind Röcke in allen Varianten, besonders gerne plissiert, weit schwingend und wadenlang, aber auch kniekurz, drapiert und gesmoked lösen sie das Kleid als modisches Must-have ab. Trendsetterinnen tragen ab sofort Rock. Kombiniert werden können die neuen Röcke zum Beispiel mit Sweatshirts, die weiter ein Lieblingsthema vieler Designer sind. Sie kontrastieren perfekt etwa den wieder angesagten Plisseerock und stellen die so dringend gefragte Lässigkeit her.
Zu den Wiedergängern der Mode, die immer dann auftauchen, wenn man sie fast schon vergessen hätte, gehört auch der Hosenrock. Jetzt ist es soweit. Es sind weniger die Röcke, die zum Comeback des Hosenrocks führen als vielmehr die trendigen Shorts, die von Saison zu Saison weiter werden und zum Hosenrock mutieren. Ein anderes Evergreen, das sich auch immer wieder neu erfindet, ist die weiße Bluse. In diesem Frühjahr ist sie gewickelt, gerüscht oder gefältelt präsenter denn je. Bottega Veneta, Valentino oder Nina Ricci, um nur einige zu nennen, zeigen die weiße Bluse auf modisch höchstem Niveau.
Trendbewusstsein beweist auch – und das nicht nur am Abend – ein Tick Disco-Glamour im Outfit. Große Steine, Stickereien, Pailletten, aber auch Lurex oder metallisiertes Leder, Gold und Silber schmücken abendliche Outfits, aber auch Sweater oder Blousons. Die neue Prächtigkeit wird etwas gedimmt durch fließende Formen. Wie gesagt: Bloß nichts übertreiben.