Glenn Marten, 40, ist der Designer der Stunde. Auf Anhieb gelang ihm als neuem Creative Director bei Diesel ein fulminantes Comeback. Das Jeans-Label galt in den letzten Jahren als outdatet. Ein bekannter Name zwar, aber ohne modischen Glanz, eine Marke für das Outlet, nicht für den Laufsteg. Dank Glenn Martens ist Diesel wieder begehrenswert. Wer ist der Mann, dessen Karriere bei Jean Paul Gaultier begann, der mit seinem Label Y/Project Fashion-Insider begeisterte? Und wie gelang es ihm, Diesel wieder cool zu machen?
Bevor Glenn Martens 2020 bei Diesel begann, galt er als Mann für die modische Nische, dessen avantgardistische Kollektionen eher nicht massentauglich waren. Bei seinem Unisex-Label Y/PROJECT verbindet er hohe Schneiderkunst mit Lässigkeit, spielt mit Proportionen und dem Mix von Materialien, verwendet für seine Entwürfe Denim genauso wie Spitzen, Brokat oder Wolle. Oft wird das Street-Couture genannt, ein Begriff, den Martens nicht schätzt, weil er seiner Meinung nach die hervorragende Qualität seiner Kleider nicht zum Ausdruck bringt.
Für seine Gaultier Haute Couture Kollektion griff er Jean Paul Gaultiers Beschäftigung mit Korsetts und Transparenz auf. Die New York Times adelte ihn dafür mit dem Titel „First Great Designer of 2022“. Jada Pinkett Smith erregte bei der Oscarverleihung 2022 in einem smaragdgrünen Kleid von Glenn Martens größte Aufmerksamkeit. Chloë Sevigny heiratete in einem Modell von ihm.
In den Y/PROJECT-Kooperationen mit traditionellen Marken wie UGG und Fila bewies Martens, dass er Klassiker neu denken kann. Für UGG entwarf er Overknees, Pantoletten und Hausschuhe. Fila Basics, wie T-Shirts oder Trainingshosen, gab er einen neuen Twist durch schiefe Kragen, asymmetrische Knöpfungen und vergrößerte Proportionen. Ein Armloch konnte auch als Halsöffnung genutzt werden, eine Hose wie ein Rock getragen werden.
Der Weg in die Mode, eher zufällig
Glenn Martens wuchs in Brügge, Belgien, auf, beendete mit 21 Jahren sein Studium der Innenarchitektur und fühlte sich zu jung, um gleich zu arbeiten. Mode war für Martens bis dahin kein Thema. Weil ihm das Gebäude so gut gefiel, bewarb er sich am Fachbereich bei der berühmten Königlichen Akademie der schönen Künste in Antwerpen. Dort wurde sein Talent erkannt. Nach dem Studium arbeitete er als Junior-Designer bei Jean Paul Gaultier.
Diesel, Renzo Rosso und Glenn Martens
Die Looks der 90er-Jahre beeinflussen seit einigen Saisons die Mode: der perfekte Zeitpunkt für einen Diesel-Neustart. In den 90er- und 2000er-Jahren war Diesel die angesagte Marke für modische Jeans. Slogans wie „For Successful Living“ oder „Only the Brave“standen für das Image des Labels. Diesel-Jeans stellten alteingesessenen Marken wie Levis in den Schatten. Weil sie teurer waren, galten sie zudem als Statussymbol. Nach der Jahrtausendwende geriet das Label modisch ins Abseits. Dank ihrer Bekanntheit behielt die Marke das Potenzial für ein Comeback. Diesel Gründer Renzo machte Glenn Martens 2020 zum neuen Creative Director. Martens gelang auf Anhieb, die Marke wieder ins Gespräch zu bringen. Selbstverständlich legte er den Fokus auf Jeans, aufwändig bemalt, zerrissen, ausgefranst, netzartige Spitze, Cut-Outs, Mikro-Miniröcke, tief sitzende Hosen. Besondere Beschichtungen und Waschungen des Denim stehen für den wieder ins Leben gerufenen Spirit der Marke.
Glenn Martens gelingt es das Lebensgefühl der 90er ins Heute zu bringen. Er greift das Bedürfnis trotz aller Krisen zu feiern auf und verbreitet es mit Hilfe der sozialen Medien weltweit. Glenn Martens versteht Diesel als tolerante „demokratische Marke“, die breit aufgestellt mit vielen Kollektionen in verschiedenen Preislagen jedem etwas bietet. Die auf dem Laufsteg in Mailand gezeigten prêt-à-porter-Kollektionen gehören in die Luxus-Liga der Mode. Renzo Rosso sieht in Diesel „eine moderne Alternative zur Welt des Luxus“.
Nachhaltig Diesel
Glenn Martens gibt offen zu, dass bei Diesel nicht alles nachhaltig gefertigt wird. Aber er hat das Label auch in dieser Hinsicht auf den Weg gebracht. Deshalb wurden die Denim-Artikel mit der Absicht, sie umweltfreundlicher zu produzieren, unter die Lupe genommen.
Die Teile der neuen Capsule-Kollektionen „The Denim Library“ haben in den Taschen einen QR-Code, mit dem die Träger:innen sich über den zertifiziert nachhaltigen Denim informieren können. Die Kollektion ist nur in einer begrenzten Farbpalette erhältlich, um Wasser und Bleichmittel zu reduzieren.
Glenn Martens versteht den Umgang mit Jeans, das hat er mit Y/PROJECT bewiesen. Er ist ein Avantgardist, der Traditionsmarken erneuern kann, ohne Kundi:nnen zu verschrecken. Selbst minimalistische Entwürfe sind bei ihm opulent. Spaß, Ironie und auch Absurdität gehören für ihn zur Mode. Das alles erklärt, warum er für Diesel genau der richtige Designer ist.