Berliner Brillen – Gut gerahmt!

ic! Berlin, Mykita, Lunettes Selection, Kuboraum: Vier Labels, vier Erfolgsstories. Mit ihren individuellen Brillengestellen haben es diese Labels geschafft, Berlin ein unverkennbares Gesicht zu geben. Stars wie Madonna, Ophra Winfrey, Brad Pitt, Matthew McConaughey, Lady Gaga, Yoko Ono, Daniel Craig, Rihanna, Elton John oder auch Prinz Albert II von Monaco wurden schon mit Berliner Brillen gesichtet. Kuboraum, 2012 gegründet, das jüngste Label in der Reihe neuer Berliner Brillen Marken, ist vermutlich das unkonventionellste. Gegründet wurde Kuboraum von zwei Italienern, LIVIO GRAZIOTTI und SERGIO EUSEBI. „Dreamed in Berlin, made in Italy“ lautet die Devise der beiden. Die ‚Kuboraum Masks‘, so nennen sie ihre Brillen, haben Kunstcharakter, sind wie Objekte im Gesicht. Sie sollen der Persönlichkeit einem Raum geben, in dem sie sich zugleich verstecken und entfalten kann. Daher auch der Name. Er ist inspiriert vom „White Cube“, also dem weissen Raum, in dem Galerien so gerne Kunst präsentieren. Und gerade die Kunstszene scheint sich auch von den ausdrucksvollen Berliner Brillen angesprochen zu fühlen Sergio Eusebi berichtet, auf der letzten Biennale in Venedig habe er sogar mehr Menschen mit Kuboraum Masks gesehen, als auf der Fashionweek. Berlin ist für Sergio Eusebi und LIVIO GRAZIOTTI die Stadt, der kreative Ort, der sie inspiriert und dessen phasenweise Düsternis sie süditalienischer Sonne vorziehen. Das Handwerk, die Produktion, überlassen sie allerdings den eigenen Landsleuten. Die ersten Kuboraumbrillen hatten große massive, schwarze Acetatgestelle, der Nasenbügel ist ein großer dunkler Buckel, manches Model scheint von eine Schweissermaske inspiriert zu sein. Der Kuboraum Showroom in der Köpenickerstraße ist nicht weiss, sondern ziemlich dunkel. Die Wände sind schwarz, mit den Objekten und Kerzen wirkt er wie er eine Rauminstallation. Tatsächlich werden hier aber die Brillen ausgestellt, die den Status Berlins als Hauptstadt der Brillen noch einmal einen neuen Schub verliehen haben – weit über Deutschland hinaus. Die neuesten Entwürfe sind weniger massiv, dabei aber nicht weniger exzentrisch. Wie ein Ast mäandert etwa ein Bügel zum Ohr und hat – von Hand – bearbeitet eine Art Rindenstruktur. Was macht den Erfolg von Kuboraum aus? Sergio Eusebio ist überzeugt, dass viele Menschen nicht mehr so viel Geld für Mode an sich ausgeben wollen. Sie interessieren sich mehr für das besondere Einzelteil. Statement Pieces sind gefragt. Ein Kuboraumbrille ist ein Statement – ein Fashionstatement. „ Und“, sagt er, „ ich bin stolz darauf, dass wir als Label wahrgenommen werden, nicht als Brillenhersteller“. Wohl wahr, Kuboraumbrillen sind in besonderer Weise erkennbar, etwa so, wie man einen Missoni Pullover am Muster erkennt.

 

Nicht einfach Brillenhersteller, sondern eine Marke

 

Diese besondere Wiedererkennbarkeit ist vielleicht das typische des Berliner Brillenhypes, der mit der Brille „Jack“ von ic! Berlin 1996 begann. Drei Jungs, Harald Gottschling und Philipp Haffmans, Designstudenten und der Pr-Profi Ralph Anders entwickelten ein aus dünnem Blech gestanztes, extrem leichtes und flexibles Gestell. Der eigentlich Clou waren aber die nur ineinander gesteckten, schraubenlosen Scharniere. Bei einer ic! Brille kann sich nichts lockern, nichts herausfallen oder brechen. Ratz-fatz lassen sich die Brillen per Hand zusammen- und auseinanderbauen. Weltrekord: 3,3 Sekunden. Vor gut 20 Jahren wurden die ersten ic Brillen in einer kleinen 2 Zimmer Wohnung erdacht und und zusammengebaut. Heute werden sie auf mehr als 5000 Quadratmetern an zwei Standorten in Berlin produziert und in 60 Ländern auf sechs Kontinenten verkauft. Die ic! Kollektion „plotic urban“ zum Beispiel mit ihren Linien „Metropolis“, „Uptown“, „Downtwown“, „Utopia“ und „Dystopia“ verspricht einen 3d gedruckten Sommerurlaub im Gesicht. Wenn andere sich am Stand drängeln, soll sie Begleiterin beim genussvollen Weg über die leeren Boulevards der Sommerstadt sein. Farben wie „Brutal Blue“ und „Powered Beige“ deuten schon an, dass die Fassungen der urban Kollektion ausdrucksstark sind, inspiriert von der Architekturstil des in den 50er Jahren entwickelten sogenannten „Brutalismus“, die Fassungen sind inspiriert von Wolkenkratzern bis hin zu verfallenen Plattenbauten. Typisch Berlin!

Berliner Brillen – Individuelle Nischenprodukte gefallen

Ein ganz persönliches Motiv, nämlich ihre eigene Sehschwäche und die Faszination für hochwertige Vintage Designobjekte brachte Ute Geyer auf die Idee 2006 ihr Geschäft „Lunettes Selection“ zu eröffnen. Die Angebote beim traditionellen Optiker gefielen ihr nämlich nicht. Das klassische Kassengestell war ihr zu sehr Medizinprodukt, die meisten Brillen großer Hersteller oder Lizenznehmer zu offensichtlich mit einem Logo versehen. Außerdem erkannte sie früh den Hang fashionabler Berliner und Berlinerinnen zu kleinen, feinen Nischenprodukten und limitierten Auflagen. Typisch Berlin wiederum ist das Talent Vintagestücke als etwas Besonderes zu entdecken und geschickt zu kombinieren. Bei Lunettes Selection gab es deshalb zunächst ausschließlich Vintage-Originale, etwa von Dior, Porsche Carrera, Alain Mikli oder Robert La Roche. Dann erweiterte Ute Geyer ihr Angebot um aktuelle Kollektionen von Traditionsmanufakturen wieetwa Algha Savile Row, Moscot oder Epos Milano. Das bei der Auswahl die Brille als Designobjekt nicht als Lesehilfe im Vordergrund stand, zeigte sich auch daran, dass man in den ersten Jahren mit der Fassung von Lunettes zum traditionellen Optiker gehen musste, um sich Gläser anpassen zu lassen. Das hat sich inzwischen geändert. Ein „hauseigener“ Optiker ergänzt das Angebot. Seit 2011 gibt es schließlich eine eigene Kollektion mit dem Namen „Lunettes Kollektion“. Inzwischen sind mehr als dreißig Berliner Brillen Modelle in unterschiedlichen Farben und Größen im Angebot. Kollaborationen mit Modedesignern wie etwa Julian Zigerli, John Lawrence Sullivan oder dem Label Odeeh sichern und festigen die Idee der Brille als modisches Accessoire, losgelöst von der reinen Funktion als Sehhilfe. 2018 kooperiert Lunettes wieder mit Julian Zigerli. Der Schweizer Mode-Designer, der seine Kollektion auch schon auf der Berliner Fashion Week gezeigt hat, macht High Tech Mode mit Humor und passt vielleicht deswegen so gut zu „Lunettes Kollektion“. Pointillismus als Print auf den Brillengestellen, dazu pastellfarbenen und verspiegelte Gläser für die Sonnenbrillen: Kunst, Mode und die Berliner Torstraße, wo sich auch das Lunettes Geschäft befindet, inspirieren die Sommerkollektion 2018.

Kollaborationen: Gemeinsam noch besser

 

Kollaborationen sind für alle Berliner Brillenmacher eine wichtige Möglichkeit in Bewegung zu bleiben und auf sich aufmerksam zu machen. ic! Berlin etwa tat sich schon mit dem Berliner Designer Dawid Tomaszewski zusammen. Es entstand ein Kollektion eleganter und avantgardistischer Sonnenbrillen. Mit dem Pariser Brillendesigner und Jeremy Tarian wurde eine Kollektion veganer Bio-Brillen entwickelt.
Platzhirsch und umsatzstärkstes Brillenlabel ist ohne Frage Mykita. Und natürlich hat auch Mykita schon diverse Kollaborationen geschlossen. Zum Beispiel mit den Designern Bernhard Willhelm oder Damir Doma. Und die Maison Margiela Modelle trugen bei der Schau für den Sommer 2018 nicht zum ersten Mal Mykita Brillen auf der Nase. Mit dem kalifornischen Kult-Streetwearlabel 424 gibt es für diesen Sommer ein Kooperation limitierter Sonnenbrillen. Das minimalistisch runde Model „Erin“ bekam kalifornische Leichtigkeit durch einen silbernen Rahmen und extrem rote Gläser oder einen goldenen Rahmen mit extrem blauen. Mykita hat eine Reihe unterschiedlicher Brillenkollektionen, mit immer unverkennbaren Designanspruch, aber abgestufter Auffälligkeit. Die neue „Lessrim“ Kollektion etwa ist minimalistisch. Zeitgemäß interpretiert sie den Begriff „randlose Brille“ neu. Die Gläser sind in filigranen Edelstahl eingefasst und erwecken den Eindruck, frei zu schweben. Mit einem Durchmesser von 0,5 Millimetern legt sich die Fassung bündig in die Glasnut – sichtbar bleibt nur die Nuance einer Kontur.
Dass auch Mykita Brillen als technisches Kennzeichen ein schraubenloses Gelenk haben, ist kein Zufall. Es wurde von den ic Designern entwickelt. Sie hatten sich vom Unternehmen getrennt. Die Details des Hin – und Her der Firmengründer sind den üblichen Schwierigkeiten junger Unternehmen geschuldet. Fest steht, geschadet hat es niemandem. Die Berliner Brillenmacher gehören zu den internationalen Stars der Branche. Vielleicht nicht umsatzmäßig, aber was Designanspruch und Zeitgeist betrifft. Sie haben Berliner Brillen zu einem modischen Accessoire gemacht, dass einen Look perfektioniert und klar erkennbar modischen Anspruch signalisiert. Dass die Fassungen nebenbei auch als Sehhilfen und Sonnenschutz funktionieren – um so besser. Allerdings kann man sich nicht sicher sein, ob nicht manche Fashionista einfach Fensterglas in ihrer Brille trägt. Denn wie gesagt, Berliner Brillen sind ein Statement. Ein Fashionstatement!