Homestaging: Wenn die Wohnung zur Bühne wird

„Home Staging ist Visual Marketing am Point of Sale.“ Noch Fragen? Was hier neudeutsch auf den Punkt gebracht wird, ist der Trend, Wohnungen – wahlweise und nach Angebot auch Villen oder Townhouses – für den Verkauf so herzurichten, dass ein Wohlfühlgefühl entsteht. Ziel ist eine Atmosphäre der Wohnlichkeit und des Styles, die das „Produkt Wohnraum“ in einer Weise präsentiert, dass potenzielle Käufer, wenn sie nur ein Foto sehen, am liebsten gleich einziehen würden.

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Fantastic Frank Home Staging

Foto: Daniele Ansidei, Styling Babette Fischer

Foto: Daniele Ansidei, Styling Babette Fischer

Wenn sie das Objekt dann am „Point of Sale“, der in diesem Fall gleichbedeutend ist mit dem ins Auge gefassten Wohnraum, begehen, stellt sich am besten allein die Frage: „Nehme ich die Wohnung pur oder gleich mit Einrichtung?“

Fantastic Frank Home Staging

Foto: Magnus Pettersson, Styling Coco Lapine Design

Es ist nämlich durchaus nicht unüblich, dass potente Bewerber das Gesamtpaket wählen, also Wohnung inklusive Mobiliar. Markus Pöllinger, Managing Director der Berliner Dependance der aus Stockholm kommenden Immobilienagentur Fantastic Frank, sagt, gerade die vielen Auswärtigen, die sich in Berlin eine Zweit- oder Drittwohnung zulegen, sind für solche Deals aufgeschlossen.  In den USA werden schon seit Anfang der 70er Jahre Immobilien für den Verkauf dekoriert, in Skandinavien ist Home Staging auch schon länger erfolgreich. Hierzulande wird das verkaufsfördernde Potenzial der dekorativen Eingriffe gerade erkannt. Sarah Van Peteghem, eine junge Belgierin in Berlin, die für Fantastic Frank als Interiordesignerin arbeitet, erzählt, dass sie bei ihrem ersten Job vor allen Dingen private Möbel verwendet hat, um die Wohnung auszustatten. Gerade diese Wohnung wäre dann problemlos „all inclusive“ verkauft worden.

Home Staging Fantastic Frank

Foto: Daniele Ansidei

Sie legte ihr Veto ein. Die Anekdote illustriert, was Sarahs Prinzip bei der Gestaltung der Räume ist, „es muss persönlich aussehen, als ob jemand hier wohnt“. Um diesen Look hinzubekommen, legt sie die Kissen nicht allzu akkurat aufs Sofa, beim Bett wird das Laken eben nicht ganz straff gezogen. Es darf ein Buch aufgeklappt auf dem Couchtisch liegen, in der Küche stehen ein paar wohlgeformte Kaffeetassen auf dem Designertisch, und im Kinderzimmer scheint noch die Girlande vom letzten Geburtstag zu hängen. Die Fotos, die Fantastic Frank zeigt, um seine Immobilien anzubieten, könnten allesamt aus einer Zeitschrift für Interior Design stammen.

 

Coco Lapine Design Home Staging

Foto: Coco Lapine Design

 

Für russische Oligarchen darf es noch ein bisschen mehr Gold sein

Apropos, auf allerluxuriösestem Niveau hat gerade das Interiormagazin AD – Motto: Nur das Beste ist gut genug – gemeinsam mit dem Real-Estate-Unternehmen Ralf Schmitz eine neugebaute Dahlemer Villa eingerichtet. Acht Zimmer verteilt auf 270 Quadratmeter beherbergt das neoklassizistische „Haus Weyhe„ – eine „Rez-de-Chaussee-Wohnung“, so heißt es im Magazin. Etwas nüchterner ist im Angebot die Rede von Hochparterre. Entstanden ist, so AD, ein „Apartment auf internationalem Niveau, das sich traut, Farbe zu bekennen. Leuchtend, persönlich elegant.“ Der Aufwand für dieses Projekt, das, bevor es verkauft wird, zehn Monate als Showroom dient, ist exzeptionell und sprengt die üblichen Grenzen des Home Staging bei weitem. Für gemunkelte 2,8 Millionen muss natürlich etwas geboten werden. Zum Beispiel safrangelbe Seidentapeten im Esszimmer, pinkfarbene Cocktailsessel vor dem Kamin und ein Aufgebot an internationalen Kunsthandwerkern. Niederschmetternd ist in der Bauphase, dass es einen Moment so scheint, als sei für die Herstellung eines Esszimmertisches, genannt „Pommersk fyr“, nicht genügend abgelagertes Kiefernholz da. Die Nachricht kommt aus Dänemark vom Schreinerkollektiv Kobenhavn Mobelsnedkeri, aber – es grenzt an ein Wunder – der allerletzte Stapel genügt, um doch noch einen Tisch nach Berlin Dahlem zu schicken: „Orange glühendes Holz unter einer Harzschicht, so schön, als wäre es in Bernstein gegossen“ schreibt AD.

 

Coco Lapine Design Home Staging

Foto: Coco Lapine Design

 

Anlässlich des Champagnerempfangs, bei dem die Wohnung das erste Mal einer interessierten und ausgewählten Öffentlichkeit vorgestellt wird, ahnt man, dass auch die Immobilienbranche, Boom hin oder her, gerade in diesem High-End-Segment kein Zuckerschlecken ist. Die Kundinnen und Kunden, die hier umworben werden, sind schwer zufrieden zu stellen. Eine Dame im kleinen Schwarzen etwa amüsiert sich mit der Keckheit finanzieller Sorglosigkeit bei der Besichtigung des zum Kinderzimmer gehörenden Bades über das Geräusch, welches die Glastür der Dusche beim Einschnappen macht. „Da wäre wohl noch etwas Nachbesserung wünschenswert“, empfiehlt sie ganz und gar nicht schnippisch. Sie ist einfach irritiert ob so einer akustischen Störung. Man beobachtet, wie die Matratze auf dem von der britischen Designerin Ilse Crawford entworfenen Bett „Companions“ wippend probegesessen wird, der eine oder die andere bemerkt: „alles ziemlich bunt hier.“ Der Blick schweift mit leichtem Zweifel über die von der Decke herabrieselnden jadegrünen, türkisfarbenen oder gelbgeflammten Steine, die auf die mit blauer Seide bespannten Wände des Livingroom von Hand gemalt wurden. Auf den Schreck ist ein Schluck Ruinart fällig. Gut, dass gerade wieder nachgefüllt wird. Offensichtlich ist noch nicht jeder in Deutschland reif für diesen eklektizistischen internationalen Style. Für AD ist das Apartment ein Beitrag zur Geschmacksschulung. Es sollte eine Wohnung gestaltet werden „anders als jene chromstarrenden Statuskulissen, besonders in Deutschland, über die wir uns allzu oft echauffieren. Keiner jener „white cubes“, in denen selbsternannte Gralshüter eines längst erkalteten Purismus gerade mal einen Eames Chair dulden …“ Falls sich keine junge Familie – für die nämlich ist das Appartement eingerichtet und gedacht – findet, muss man sich wohl trotzdem keine Sorgen um das Real-Estate-Unternehmen Peter Schmitz machen. Berlin zieht internationale Kundschaft an, bei der das Geld sowieso lockerer sitzt und deren Vorstellung vom repräsentativen Wohnen schon im 21. Jahrhundert angekommen ist. Und bei einer Dependance für Berlinbesuche darf es vermutlich sowieso ein bisschen gewagter zugehen. Russische Oligarchen werden sicher noch ein bisschen mehr Gold verlangen. Markus Pöllinger von Fantastic Frank gibt freimütig zu, dass er gerne auch, aber eben nicht nur, Luxusetablissements im Angebot hat. „Der Mix muss stimmen, mache Vermittlungen können schon sehr anstrengend sein.“

 

Aufräumen, Mängel beseitigen, Nippes entfernen

Immobilienfirmen und ihre Stylisten arbeiten für ihre Jobs in der Regel mit Einrichtungshäusern und Herstellern zusammen, die die Möbel ausleihen. Ein eigener Fundus mit persönlichen Accessoires und Vintage-Stücken ist hilfreich, genauso wie ein Netzwerk an zuverlässigen Handwerkern. Manche Dinge lohne es zu kaufen, wenn der Verkaufspreis dank Home Staging höher wird. Seit 2009 gibt es eine Deutsche Gesellschaft für „Home Staging und Redesign“ mit Sitz in Wiesbaden, die auch eine Ausbildung anbietet, in der es nicht nur um gestalterische Fragen geht, etwa, wie optimiere ich Licht, wie arbeite ich mit Farben, Gerüchen oder Stoffen, sondern auch darum, wie man sich selbst vermarktet, profitabel arbeitet und welche Serviceleistungen zum Angebot gehören sollten. Oft sind es allerdings Innenarchitekten oder Visual Merchandiser, also Menschen, die sich sowieso professionell mit der gekonnten Inszenierung von Räumen oder Verkaufsflächen beschäftigen, die das Home Staging als ein interessantes Betätigungsfeld für sich entdecken.
Glaubt man den vielen begeisterten Kunden, die auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Home Staging und Redesign zitiert werden, dann haben sich auch Ladenhüter durch Home Staging wie geschnitten Brot verkauft. „Wir hätten nie gedacht, dass Home Staging so viel ausmacht! In vier Tagen verkauft nach fast zwei Jahren – wir sind baff!”, bedankt sich zum Beispiel ein Ehepaar aus der Pfalz. Dankenswerterweise gibt die Gesellschaft auch einige Tipps zum „Selbermachen“. Ganz vorne steht: Eine Immobilie, die man verkaufen möchte, darf man nicht mehr als Zuhause ansehen. Dann heißt es aufräumen, Mängel beseitigen, Nippes entfernen, für angenehmes Licht sorgen und den Platz optimieren. Gut möglich, dass man nach Befolgen der Maßnahmen den Verkaufswunsch noch mal überdenkt. In jedem Fall sind alle Tipps für jeden hilfreich, der endlich schöner wohnen möchte.