Liegen lassen

Bett, schlafen, Holz, Purismus, wohnen

Noah

Es gibt romantische und puristische Betten, kleine und große, Klapp- und Gästebetten, Himmel- oder auch Kinderbetten. Ein weites Feld, möchte man meinen, aber das gleich vorab: Betten gehören ganz offensichtlich nicht zu dem, womit sich die Designer weltweit bevorzugt beschäftigen. Ein erstaunliches Resumée des Salone Internazionale del Mobile Milano, der weltweit größten und auch was den Anspruch an Innovation und Design betreffend, wichtigsten Möbelmesse der Welt. Auch deshalb verblüffend, weil, so heißt es, der Mensch ja immerhin etwa ein Drittel seines Lebens in der Horizontalen, will sagen im Bett, verbringt. Die alternde Gesellschaft plagen Rückenbeschwerden, und die über 10 000 Besucher des Salone Mobile sind in der Mehrzahl keine Jungspunde, von denen man annehmen könnte, dass sie sich einfach eine Matratze auf den Boden legen. Sie wirken, als ob sie durchaus Interesse und Geld für ein Bett mitbringen würden. Tatsächlich sind aber an den Ständen der internationalen Hersteller – wenn es hochkommt – jeweils zwei Betten zu besichtigen, oft auch gar keines. Stattdessen fehlen an kaum einem Stand Neuinterpretationen des Ohrensessels. Stimmt natürlich, in einigen von ihnen ließe sich ohne Frage ein Nickerchen machen! Auch das vielfältige Lounge-Mobiliar für den Garten lädt zum Liegen ein, und Küchen nehmen derartige Ausmaße an, dass die Arbeitsplatten ganz bestimmt, und nicht selten auch die Abwaschbecken, als Schlafstätten dienen könnten.

Bett, schlafen, Holz, Purismus, wohnen

Einmal im Jahr im Mailand: Salone del mobile

Auf der Suche nach dem perfekten Bett, das als Bett gedacht ist, heißt es sich die Füße wund laufen, und zwar in der ganzen Stadt. Einmal im Jahr ist nämlich ganz Mailand eine Ausstellungsfläche des Möbeldesigns. Nicht nur auf dem eigentlichen Messegelände, auch in diversen Vierteln der Stadt wird gezeigt, was es an Innovationen in Sachen schöner Wohnen gibt. Im feinen Innenstadtviertel Brera zum Beispiel, oder auch in den Höfen, Remisen oder ehemaligen Werkhallen der etwas abseits gelegeneren Bezirke Tortona und Lambrate. Natürlich muss man auch im Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia in der Nähe der Metro Sant Ambrogio vorbeischauen, wo sich etwa der britische Design Star Tom Dixon mit der der Aura des Leonardo da Vinci schmückt, und anschließend mal dem wuselig-dekorativen Spazio Rossana Orlandi einen Besuch abstatten, einem etwas versteckten, aber ungeheuer angesagten Ausstellungsraum für zeitgenössisches Design. Von moderner Keramik bis zum kolumbianischen Recyclingprojekt, das aus alten Plastikflaschen und traditionellem Flechtwerk wunderschöne Lampenschirme entstehen lässt, ist hier sehr vieles zu bestaunen – nur leider kein Bett. Vor jedem zweiten Hauseingang hängen in Mailand die Fahnen des Salone, die anzeigen, dass sich hier das Neueste aus der Welt des gut geformten und durchdachten Mobiliars kennenlernen lässt.

Ein Bett für keine Wohnung

Das erste Bett auf der Suche nach dem geschmackvollen Schlaf ist ein Bett für keine Wohnung. 180 cm breit, zwei Meter lang, das hohe Kopfteil schwingt nach hinten aus und wird unversehens zur Tischplatte. „Sleep, eat, work: relax“ fassen die Hersteller des „Bed’n Table“ ihre Vision zusammen. Tisch und Bett in einem. Was nach einer guten Idee für die kleine Studentenbude klingt, ist so ausladend, dass das Ungetüm nur Platz in einem großen Loft finden würde. Und da sollte man annehmen, Tisch und Bett wären nicht nur besser getrennt, sondern wohl auch formschöner unterzubringen. Immerhin lassen sich angesichts dieses Hybrids aus Bett und Tisch drei generelle Feststellungen machen: 1. Multifunktionale Möbel sind meist verkopft und selten schön. 2. Das Lieblingsmaterial vieler Designer – nicht nur für Betten – ist helles Holz. 3. Das Kopfteil ist der Teil eines Bettes, für den die Designer das meiste Interesse aufbringen, dann beschäftigen sie sich noch ein wenig mit den Füßen, die mal keck geschwungen, mal als plumpe Vierecke, dem Oberteil Halt geben. Elegant wirken Betten, die scheinbar schwebend den richtigen Komfort zum Schlafen geben. Das Bett selber ist eine Fläche, auf der die Matratze frei aufliegt. Ihr eine gekonnte Rahmung zu geben, scheint nicht up to date zu sein.

Für Prinzessinnen auf der Erbse

Viele Betten mit den einfach aufliegenden Matratzen wirken, als seien sie für die Prinzessin auf der Erbse gemacht. Aber vielleicht, weil sie sich mit der Konstruktion eines formschönen Rahmens nicht aufhalten wollen, toben sich die Hersteller und ihre Designer beim Thema Kopfteil aus. Es ist in der Regel hoch und auch sehr tief. Manchmal verlängert es das Bett nach hinten, weit über das Maß, das notwendig wäre, um etwa als Ablage für Buch und Brille zu dienen, im Extremfall eben zum Esstisch – siehe oben. Nicht selten ist es aber reine Dekoration. Die Kopfteile sind in ihren luxuriösen Varianten aus Leder, gerne creme- oder cognacfarben, aus Samt, aus Filz, oder auch Leinen. Sie werden rechts und links von zwei Gürteln in Form gehalten, sind mal gesteppt, mal in Quadrate oder Rechtecke aufgeteilt. Viel Sorgfalt wird darauf verwendet, Kissen und Überdecken auf dem Bett zu dekorieren.

Die Designerin der Stunde: Patricia Urquiola

Das quadratisch gesteppte Muster einer Rückwand wird durch sorgfältig gefaltete Decken auf dem Bett nachgezeichnet, mitunter ist vor lauter Kissen gar kein Bett mehr zu sehen. Besonders schick sind sie in der Kombination von zartem Gelb, pudrigem Rosa, Erbsengrün und Korallenrot. Das sind die Farben der Saison, für die die spanische Designerin und Wahl-Mailänderin Patricia Urquiola verantwortlich zu machen ist. Sie ist die Designerin der Stunde. Kaum ein High-End Hersteller, der auf sich hält, hat nicht ein Stück von ihr im Programm, oder gleich den ganzen Stand von der Designerin entwerfen lassen. Die neue Mailänder Missoni-Filiale und auch das edle Schuhgeschäft Santini sind jüngst von ihr konzipiert worden und selbstverständlich offizieller Programmpunkt der Mailänder Möbelmesse. Natürlich hat Urquiola auch Betten entworfen, zum Beispiel für B&B Italia, Moroso oder Molteni & Co. Keines davon ist ganz neu – und deswegen stehen sie auch nicht auf der Messe – aber ein Möbel von Urquiola gehört offensichtlich in jeden trendbewussten Haushalt. Wer gerade ein Bett sucht, sollte ihre Entwürfe, etwa das „Lowland“, das „Tufty-Bed“ oder die „Night & Day„-Serie ins Auge fassen: Angesagter geht‘s nimmer und die Namen sind Programm.

Das Schlafzimmer ist Statussymbol

Der Architekt Stefan Flachsbarth vom Berliner Büro bfs design sieht die Mailänder Messe als Gelegenheit, einen Überblick über neueste Entwicklungen zu bekommen, Produkte direkt und nicht nur im Katalog zu sehen. Seine internationalen Bauherren geben Häuser oder Wohnungen oft gleich inklusive Einrichtung bei ihm in Auftrag. Allerdings, so die Erfahrung, auch sie behandeln das Thema Bett stiefmütterlich. Wenn Interesse besteht, dann geht es nicht selten in erster Linie um Repräsentation. Das Schlafzimmer ist Statussymbol. Kein Wunder also, dass die neuen Betten meist so viel Platz beanspruchen. Nicht nur die Rückwände sind groß, sondern auch die Rahmung, auf der die Matratzen liegen. Ganz allgemein bestimmen drei Themen das Angebot: Erstens mit Stoff oder Leder gepolsterte Betten, für die meist Stoffe aus der Kollektion verwendet werden, die auch für Sofas und Sessel verarbeitet werden. So entsteht in der gesamten Einrichtung ein einheitlicher Look, der allerdings schnell etwas „Hotelliges“ bekommen kann.

Eiche und Nussbaum

Zweitens: Auch Betten aus Holz, in heller Eiche oder Nussbaum sind ein Trend. Sie haben mitunter einen Vintage-Touch. Die deutschen Hersteller E15 oder Zeitraum haben schöne Modelle im Angebot. Für die intellektuell und puristisch eingerichteten Kunden kommen, drittens, Metallbetten, wie sie im Programm von MDF Italia oder Lehni angeboten werden, in Frage. Wem das zu ungemütlich kühl ist, hat auch noch eine ganz andere Alternative, die allerdings dem Architekten Alpträume bereitet – aber auf der Mailänder Messe wird jeder Geschmack bedient. Im sogenannten „Classic“ Bereich sieht es so aus, als seien Versailles, Disneyland und alle Träume von 1001 Nacht in eine Halle gepfropft. Gedrechselte Rosen, goldene Ranken, Baldachine, Säulen und Spitzenbordüren, Intarsienarbeiten, mit Strass besetzte Bettrahmen oder griechisch-römisch, zum Teil auch orientalisch anmutende Ornamentik lassen einen schwindelig werden. Schlafen wie der Sonnenkönig oder Cinderella? Kein Problem! Auch das ist Bettkultur.

Rein und raus

Im Trend liegen Boxspringbetten mit zwei oder drei Auflagen. In den USA sind sie Standard, bei internationalen Hotelketten ebenfalls. Sie haben weder Lattenrost noch Bettgestell, sondern eine matratzenähnliche Unterkonstruktion, darauf liegt die eigentliche Matratze, meist Federkern, und darauf noch eine Auflage. Die Einstiegshöhe liegt rückenfreundlich zwischen 60 und 70 Zentimetern.

Einmal im Monat sollten Matratzen gedreht oder gewendet werden, um eine gleichmäßige Abnutzung zu erzielen. Ist auch gut für die Belüftung, denn der Mensch gibt pro Nacht im Schlaf ca. einen halben Liter Schweiß ab. Die Lebensdauer einer Matratze liegt den Fachverbänden zufolge bei acht bis zehn Jahren.