Lust auf Möbel, die Laune machen

Der Salone del Mobile, die weltweit größte Möbelmesse, ist das Trendbarometer in Sachen Interior. Nach drei Jahren Unterbrechungen fand die 61. Ausgabe wieder im April statt. In der Regel frühlingshaft und sonnig, ist der April der perfekte Monat, einen Mailandbesuch mit der Gelegenheit zu verbinden, sich in Einrichtungsfragen auf den Stand der Dinge zu bringen. Das sind die wichtigsten Trends des Salon del Mobile 2023.

Mailand – Stadt des Designs

So voll ist die Mailänder City nur während des Salone del Mobile. Selbst Fußgänger stehen im Stau zwischen den vielen Menschen, die sich Design-Neuheiten für ihr Zuhause anschauen möchten. Fast kein Geschäft, das nicht mit einer besonderen Installation oder Dekoration das Interior-Thema aufgreift. Der Bürgermeister der Stadt, Giuseppe Sala, sagt über den Salone del Mobile: „Während der Messetage werden die Stadt und die Veranstaltung fließend zu einem Teil des anderen.“ Die Showräume in dem sogenannten Fuorisalone überall in der Stadt – und besonders konzentriert im Künstler-Viertel Brera – sind für alle Design-Interessierten offen. Die eigentliche Messe ist Profis vorbehalten. Das besondere Flair entsteht aber dadurch, dass sich ganz Mailand während der Messetage zu einer Stadt des Designs entwickelt.

Die Messe in den Hallen der Rho Fiera

In den Messehallen präsentieren Aussteller aus aller Welt Sofas, Tische, Stühle, Sideboards, Betten und und und. 170.300 Quadratmeter muss erwandern, wer wirklich alles sehen möchte, was die Messehallen des Salone del Mobile zu bieten haben. Die vielen Showrooms und Präsentationen außerhalb der Messe kommen noch dazu.Der Rundgang durch die Messehallen ist für Interior-Profis Pflicht, der Ausflug in die Showräume in der Stadt die Kür. Wer sich für exklusive Neuheiten und High-End-Design interessiert, konzentriert sich auf die Messehallen, in denen die großen internationalen Hersteller, wie B&B Italia, Molteni, Minotti, Knoll, Thonet, Kettal ausstellen. Schon dafür genügt ein Tag kaum.

Farbe als Ausdruck von Lebensfreude

Ein Rundgang über die Messe macht deutlich, die wichtigsten Trends des letzten Jahres werden fortgeschrieben, sind aber im Detail noch prägnanter.
Die Formen von Sofas, Sesseln, auch von Regal-Systemen sind organisch, knubbelig. Vieles erinnert an die Formgebung der 70er-Jahre. Gelb-, Rot-, Olive- und Ockertöne kommen noch kräftiger zum Einsatz als im letzten Jahr. Die Kombination von kräftigen Rot- und Gelbtönen ist beliebt und kann als Ausdruck von Lebensfreude verstanden werden.

Wohlfühlwelten in Creme und Sand

Eine trendige Alternative sind Einrichtungen komplett in Creme- und Sand-Tönen. Wollige, stark texturierte Materialien, Fellkissen und Flokati-Teppiche – Stichwort 70er-Jahre – schaffen eine behaglich elegante Atmosphäre. Die Erinnerungen an die 70er werden durch Farben und Formen geweckt. Während der Mittagspause in einer der diversen Food-Corners auf der Messe macht die elegante Interior-Designerin und Geschäftsinhaberin Silvia Solaroli eine Pause. In ihren zwei Geschäften, Rubiròsa, eines in Mailand, das andere in Milano Marittima an der Adria, bietet sie edle Vintage-Möbel, zeitgenössisches Design, und eigene Entwürfe an. „Was mir diese Saison aber besonders auffällt, ist der eklektische Umgang mit verschiedenen Stilen und Materialien und vieles, was ursprünglich für den Außenbereich gedacht war, findet jetzt auch innen Verwendung.“
Damit spricht Silvia Solaroli einen wichtigen Trend an: Es wird kaum noch ein Unterschied zwischen Outdoor- und Indoor-Möblierung gemacht.

Die Euroluce: Lasst es leuchten

Die Euroluce ist eine Messe in der Messe, die sich alle zwei Jahre dem Thema Beleuchtung widmet. Das Angebot an Lampen zu jedem Einrichtungsstil ist fast unüberschaubar. Auffällig ist die große Zahl rein dekorativer Lampen, die mehr Kunstobjekte sind als Leuchtkörper sind. Sie verleihen einem Raum Atmosphäre und sind Eyecatcher. Immer größer wird das Angebot an kleinen aufladbaren Tischleuchten, die drinnen und draußen variabel eingesetzt werden können. Gläserne Kugelleuchten in verschiedenen Größen und Farben sind ein Trend. Reine Lichtplaner:innen, die Hand in Hand mit Achtekt:innen arbeiten werden immer gefragter.

Die Fuorisalone: Die Möbelmesse in der Stadt

Die Messehallen der Rho Fiera werden zunehmend von den großen Herstellern mit riesigen, fast häuserähnlichen Messebauten bespielt. Kleinere Unternehmen neigen inzwischen dazu, in der Stadt Räume anzumieten. Michael Reß, CEO der deutschen Mark Schönbuch hat sich zum Beispiel dafür entschieden. Er erklärt das so: „Auf der Messe läuft man schneller Gefahr unterzugehen und Interessierte zu verpassen. Unser Schönbuch Space in Brera ist ein offener und kommunikativer Ort, der unseren besonderen Style und unser jährliches Farbkonzept unserer Kreativ-Direktorin Carolin Sangha perfekt zum Ausdruck bringt.“
Der Showroom liegt auch gleich in der Straße, die dem Viertel seinen Namen gibt, in der Via Brera 2. Rot und Pink sind die Wände. Vorgestellt werden hier unter anderen Neuheiten die AYKA genannten Poufs, die als Sitz, als kleiner Beistelltisch oder einfach als dekoratives Objekt im Raum Verwendung finden können. In Blau, Rosa oder Gelb strahlen sie in Kombination mit den leuchtenden Wandfarben genau die Leichtigkeit und Lebensfreude aus, die den Salone 2023 so sympathisch machen.

Home Spa

Auffällig sind in diesem Jahr die aufwendigen Inszenierungen rund um das Thema Home Spa. Luxuriöse Bad-Armaturen, Wasserfall- und Nebelduschen, elegante Badewannen, Whirlpools und Designer-Saunen für den privaten Bedarf gönnt sich, wessen Einrichtung sonst schon alle Wünsche erfüllt. Etwas ganz Besonderes sind die aus echtem Bambus gefertigten Wasserhähne des Herstellers Gessi, die bewusst an die Handtaschengriffe begehrter It-Bags erinnern. Jede Armatur ist ein Unikat, da kein Bambus dem anderen gleicht. Auch das feine Klickgeräusch beim Anstellen des Wassers gehört zum Design, das den Anspruch erhebt, Komfort auf allerhöchstem Niveau zu bieten.
Andere interessante Hersteller:innen zum Thema sind Agape und Grohe aus Deutschland, vor dessen riesiger Inszenierung in der Pinatkothek sich lange Schlangen bildeten.

Möbel Couture

Giorgio Armani öffnete zum ersten Mal die Türen des Hauptsitzes seines Unternehmens im Palazzo Orsini in der Via Buorgonuovo 11. Er präsentierte in den sonst nur Haut-Couture-Kundinnen zugänglichen, mit Fresken verzierten Räumlichkeiten eine Auswahl handgefertigter „Couture-Möbel“, besonders edel, ein komplett aus Perlmutt gearbeiteter Schminktisch.
Nice to know: Zum ersten Mal zeigte Armani auch eine Outdoorkollektion. Die organisch geschwungenen Sonnenliegen, Sofas, Tische sind aus Teak, Kaktus- und Lotusblumen-Motiven schmücken viele Polster. Wilfried Lembert, Inhaber der exklusiven minimum-Einrichtungsgeschäfte in Berlin, stellt fest, dass seine anspruchsvollen Kunden zunehmend Wert auf individuelle Anfertigungen setzten und sich besondere Stoffe für die Bezüge von Sofas, Sessel oder Stühlen wünschen.
„Es kommen sehr hochwertige Stoffe mit Mustern aus den 20er-Jahren auf den Markt. Alle trotzen den aktuellen Veränderungen auf der Welt mit Farbe, Mustern und einer fast übertriebenen Euphorie. Wir spüren einen Drang zum „jetzt erst recht“.

Softe Steine

Die vom argentinischen Designer Cristián Mohaded für Loro Piana Interiors entworfenen Möbel erinnern an Steine. Sie sind ein perfektes Beispiel für die der Natur nachempfundenen Formen vieler Möbel und exquisiteste Polsterstoffe. Sofas, Sessel erweisen sich beim Anfassen als wunderbar weich und sind nur auf Bestellung erhältlich. Cristián Mohaded war auch deshalb der ideale Designer, weil er in der argentinischen Provinz Catamarca geboren wurde, aus der Loro Piana die wertvolle und seltene Tierfaser Vicuña bezieht.

Aufladestation für das Designempfinden

Am Ende eines langen Messetages ist ein Drink in der Bar Basso fast obligatorisch. Am letzten Tag vor der Abreise beschreibt Katrin Dellé, Inhaberin des kleinen, feinen Interior-Geschäfts Season in Berlin-Mitte, ihren Besuch der Fuorisalone so:„Ich bin wieder aufgeladen mit unglaublicher Schönheit, die die Stadt per se mit sich bringt, mit Inspirationen für die Inszenierung von schönen Dingen im Großen und Kleinen – und das im Zusammenspiel mit den Entdeckungen in den fein kuratierten Galerien und Ausstellungen.“

Verantwortlich Wohnen

Selbstverständlich ist das Thema Nachhaltigkeit auch in der Welt des Interior-Designs und Messebaus angekommen. Seit 2022 ist der Salone del Mobile Mitglied des Global Compact der Vereinten Nationen, der weltweit größten Initiative für nachhaltige Unternehmen. Für die Ausstattung der Messebereiche werden zum Beispiel Lieferanten von recycelten oder wiederverwendbaren Materialien ausgewählt.

Schöner wohnen heißt, sich in seinen Möbeln wohlfühlen

Die Möbel, die 2023 auf der Salone del Mobile vorgestellt wurden, erfinden Tisch oder Stuhl nicht neu. Innovation entsteht durch veränderte Proportionen, die Auswahl von Materialien und Farben. Wollige, samtige, fellige, also weiche Bezugsstoffe erfüllen den Wunsch nach Komfort und Kuscheligkeit. Als neuer Trend deuten sich besonders ausdrucksvolle Stoffe mit aparten Mustern an. Intensive Farben in vielen Schattierungen strahlen Lebensfreude aus. Organische Formen und Reminiszenzen an die 70er-Jahre bringen das Bedürfnis nach Entspanntheit und Sorglosigkeit zum Ausdruck.