Mailand Sommer 2019 – Große Schau der Big Player

Diese Modesaison war bisher eine der Big Player. In London etwa hat Burberry mit dem gerade engagierten Designer Riccardo Tiski eine Kollektion unter der Überschrift „Kingdom“ gezeigt. 135 Looks für Männer und Frauen, das sind schon ungewöhnlich viele. Die Modehäuser stecken ihr Gebiet ab. Ein Designerwechsel wie bei Burberry ist typisch. Das Karussell der kreativen Köpfe an den Spitzen der Modehäuser dreht sich vergleichsweise schnell. Die Hoffnung dahinter ist, neue junge Kunden, die Millenials zu gewinnen, dabei die Älteren aber natürlich auch nicht zu verlieren. Deswegen wird jedem und jeder ein Angebot gemacht. Für die Jungs gibt es Mode für Abenteurer und Dandy, für die Damen wird Sportives gezeigt und romantisch Flatterhaftes. Ein bisschen Minimalismus darf auch nicht fehlen. In Mailand zeigt sich das beispielhaft bei Jil Sander. Da kombiniert das neue Designerpärchen Luke und Lucie Meier eine coole graue Jacke – Uniformen haben sie inspiriert – zum Faltenröckchen. Der Spagat gelingt rein ästhetisch gesehen, fragt sich nur, ob die Jil Sander Kundin ihn zu schätzen weiß. Fashionistas, die, die gerne Röckchen tragen, shoppen dann doch lieber bei Roberto Cavalli. Aber, Pardon, dort versucht man unter dem neuen Kreativ-Direktor Paul Surridge ja gerade dem bislang typischen „reich ist richtig“-Stil eine dezentere Note hinzuzufügen. Schwierig, weil es durchaus zur Verwirrung der eigentlich gesuchten Klientel und der Modekritik beiträgt.

 

 

Boarding für den Flug EASS19

 

Bei all dem Hin und Her und den oft etwas angestrengten Versuchen den modischen Kreis zu quadrieren, ist man für einen wie Giorgio Armani geradezu dankbar. Der Mann lässt sich nicht beeindrucken und bleibt sich treu. Seit 1975 steht er an der Spitze des Hauses, das er gegründet und zum Imperium ausgebaut hat. Mit seiner Emporio Armani Schau in einem Hangar am Flughafen hat er ohne Frage den größten Coup der Mailänder Modewoche gelandet und gezeigt, wer der Herr nicht nur in Mailand ist. Noch nie vorher gab es eine Modenschau am Flughafen und genau wie beim Boarding in den Urlaub oder für die Geschäftsreise, blieb auch den Mode Passagieren für den Flug EASS19 der übliche Check-in inclusive Security Kontrollen nicht erspart. Dafür wurden dann aber auch gleich nach der Ankunft im Hangar, den man vielleicht in diesem Fall als Lounge betrachten konnte, in First Class Manier Drinks und Häppchen serviert. Unter dem Überschrift „Emporio Armani Boarding“ waren fast 2500 Gäste zu dem modischen Groß-Event eingeladen, bei dem – auch das eine Ausnahme für Armani – die Damen- und Herrenkollektion gemeinsam gezeigt wurden. Die Linie Emporio Armani gibt es seit 1981, sie ist jünger, ein kleines bisschen preiswerter und versteht sich selbst als „demokratisch“. Das bedeutete, im Publikum saßen nicht nur Modeleute, sondern auch einige Mailänderinnen und Mailänder, die das Ticket zum „Boarding“ in einem Gewinnspiel gewonnen hatten.

Ein Langstreckenflug durch das Armani Universum

139 Models präsentierten dann 192 Look. Das sind wirklich Viele, viel mehr noch als bei Burrbery. Armani ist der Größte, diese Statement Schau ließ daran keinen Zweifel. Für die Passagiere hieß es „fasten your seatbelts“, um sich auf einen Langstreckenflug durch das Armani Universum einzustellen. Und auf Armani ist Verlass, da droht kein Luftloch. Das macht vermutlich den Erfolg über die Jahrzehnte aus und wirkt in nicht nur modisch aufgeregten Zeiten angenehm vertrauensvoll. Armani folgt keinen modischen Trend, er passt seinen Stil nur der Zeit an. Boxershorts, vorgeführt von muskulösen Jungs, die als Accessoire ein Surfbrett unterm Arm trugen, eröffneten die Schau und zollten dem zeitgeistigen Sportgedanken Tribut, den ein Meister der lässigen Eleganz wie Armani gut in seine Designsprache umsetzen kann. Mit parkerartigen Gewändern aus hauchdünnen, glänzenden High Tech Stoffen, diversen sportiven Nylon Jacken und noch mehr Shorts bewies sich Armani auf der Höhe der Zeit. Dann folgte eine Auswahl von Anzügen und Kleidern in den berühmten Nichtfarben Greige, Zement, oder verwaschenem Blau. Locker geschnittene Sakkos, viele zweireihig, sind typisch Armani, genauso wie die schimmernden Cocktailkleider.

 

EMPORIO ARMANI BOARDING SS19_GIORGIO ARMANI WITH MODELS
Foto Credit SGP

 

Auf der Suche nach der DNA – Was macht ein Label aus?

 

Bis zu seinem frühen Tod war Gianni Versace Armanis größter immer etwas schriller Gegenpol. Amazonenhafte Sexiness machte seine Schwester Donatella in den letzten Jahren zum Markenzeichen des Labels. Davon war in der aktuellen Kollektion wenig zu sehen. Mit ihren Blumenprints hatte sie stattdessen einen Zug ins Süßliche, mit den Sneakern zu kurzen Röckchen auch ins Girliehafte. Damit sich die treue Kundin trotzdem wiederfindet, führte den letzten Look Shalom Harlow, Supermodel in den 90ern, vor, also dem Jahrzehnt, in dem Versace groß wurde. Ehemalige Supermodels wie Helena Christiansen, Carla Bruni oder Isabella Rossellini gingen neben Dicken und Dünnen, Alten und Jungen und auch der einen oder anderen Drag Queen, bei Dolce & Gabbana über den Laufsteg. Auch das Designerduo gehört seit 1985 zu den festen Größen der Modeindustrie. Die Supermodels waren schon in den Anfängen mit dabei und die gleichnamige Schau drehte sich denn auch um die DNA des Labels und die Quellen der Inspiration der Designer. Diese Quellen, nach eigener Aussage etwa Byzantinische Kunst und auch Pasta und Pomodori, könnten unterschiedlicher nicht sein. Erstaunlich, dass dabei immer die gleichen, etwas überkandidelten Kleider herauskommen. Auch bei Dolce & Gabbana weiß man, was man zu erwarten hat: Nicht zuletzt Spaß, und den sollte man nicht unterschätzen. Allerdings, mit der Diversität in der Auswahl ihrer Models war die Schau deutlich näher am sogenannten „wahren Leben“, als mit ihren glitzernden und funkelnden Kleidern.

Familientradition

Und noch ein Mailänder Big Player feierte groß: Die Missoni Familie. Sie beging ihr 65jähriges Jubiläum. Wie Armani und Dolce & Gabbana ist auch Missoni immer wieder erkennbar. Zum 65. Geburtstag zeigte Missoni die ganze Kunst seines teils hauchdünnen Stricks in zarten Pastelltönen, der luftig und in Lagen noch in vielen Saisons nicht aus der Mode gekommen sein wird. Der Reichtum dieser Schauen und nicht zuletzt die Dimension der Armani Schau, deren Finale noch ein Konzert von Robbie Williams bildete, macht auch ein Problem deutlich: Die modischen Big Player dominieren das Bild nicht nur mit ihrer Mode, sondern mindestens genauso mit ihren Ressourcen. Gegen solche Marketingbudgets kann kein Newcomer ankommen. Ein junges noch unbekanntes Talent, und mag es noch so groß sein, wird sich daneben nicht bemerkbar machen können.