Mailand Winter 2013 – Trendreport von Nikolas Feireiss

 

For.Me Elena Mirò Winter 2013

For.Me Elena Mirò Winter 2013

Da soll noch mal einer sagen, es gingen nur Magermodels über die Laufstege! Gleich am ersten Tag präsentierte For.Me Elena Miro ihre neue Kollektion für große, naja, größere Größen: Von 38 bis zur deutschen 46 wird die Kollektion für die glamourösere junge Kundin angeboten. Ein Spektrum also, in dem sich die meisten Frauen befinden, die abseits der Laufstege leben und arbeiten. Tatsächlich ist es ein ungewohntes Bild, mal eine ausgewachsene Größe 40 auf dem Laufsteg zu sehen, da wippt die Brust und das Becken schwingt. Der Look erinnert ein wenig an Mad Men, die amerikanische Serie aus den 60ern, die schon eine ganze Weile lang die Mode beeinflusst. Kein Wunder, damals durfte man halt nicht nur rauchen und trinken, sondern auch ein bisschen mehr essen. Nach heutigen Maßstäben wären ja auch die Göttinnen der Zeit, die Monroe, die Loren oder Liz Taylor Wuchtbrummen. Der Look: eine moderne A-Linie, die Kurven wohlwollend betonende Etuikleider und Tellerröcke. Die Länge: knieumspielend. Die Farben: Orange, Leder, Pfeffer- und Salz-Optiken, Camel, am Abend Brokat und Gold. Damit zeigte For.Me Elena Miro quasi im Großen, womit sich auch viele andere Kollektionen, allerdings weniger plakativ und in Size Zero, beschäftigten. Die Mailänder Designer präsentierten, wenn man nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner oder auch dem Trend suchen möchte, die dunkle Romantik der 50er Jahre. Sexyness zeigt sich in „Shades of Grey“ nie offensiv, sondern subversiv, mysteriös. Eine weiße Frau, Vogelschwärme und eine nervös herumstreunende Katze als Schattenbilder an die Wände in eine geheimnisvolle Modelandschaft projiziert, bildeten etwa den Hintergrund der Prada-Schau.

Prada Winter 2013

Prada Winter 2013

Ärmellose Kleider mit asymmetrischem Saum, taillierte Kostüme, Bleistift- oder A-Linien-Röcke, Leder, Pelz und Metallicstoffe neben Heile-Welt-Vichy-Karos gaben eine eigenwillig geheimnisvolle Modebotschaft. Direkter zur Sache ging Gucci-Designerin Frida Giannini: Sinnlich-provokante Couture war das Thema ihrer Kollektion, zu der sie sich von den Arbeiten des Fetisch-Künstlers Allen Jones hat inspirieren lassen. Ledereinsätze, Netzstrumpfhosen mit Kontrastnähten, sowie Booties, Boots und Sandalen mit hohen Absätzen erzeugten den erotisch subversiven Unterton der Kollektion. Schwarz, Grau, Salz und Pfeffer, Gold, gesponnen für Stickereien oder für Accessoires, Taschen oder Schuhabsätze verstärkte die edel-geheimnisvolle Aura der Mailänder Mode für den Winter 2013/14 Sogar die „Queen of less“ Jil Sander setzte auf schwarze Kleider grafische Applikationen, die wie Blattgold wirkten. Ansonsten: raffinierte Schlichtheit, klare Linienführung und satte monochrome Farben wie Marineblau, Schwarz und Orange.

Prada Winter 2013

Prada Winter 2013

Der Laufsteg verlief um eine Diamantskulptur, die wie ein Himmelskörper auf den Laufsteg eingeschlagen war und in Teilen noch drohend über ihm schwebte. Ganz und gar nicht schlicht, dafür unerwartet aktuell waren Dolce & Gabbana mit ihrer Kollektion, die die byzantinischen Mosaiken der Kathedrale von Monreale auf Sizilien zum Thema hatte und in einer Parade funkelnder kardinalroter Kleider endete. Auch hier hatte die Pracht eine düstere, dunkle Note und wurde durch eine Reihe Tweed- Looks in Salz- und Pfeffer-Optik und 50er-Jahre-Flair geerdet. Ein Winterwald ohne Blätter schaffte, schon bevor die Schau begann, bei Marni diese für die Mailänder Saison so typische ambivalent verhaltene Stimmung.

Jil Sander Winter 2013

Jil Sander Winter 2013

Die Waldlandschaft fand sich in der Kollektion als Muster wieder, ansonsten viel Schwarz und Grau, architektonische Schnitte und Pelz. „Die Kollektion ist streng, aber romantisch, sie ist melancholisch und nüchtern“, erklärte die Designerin nach der Show und fasst damit zusammen, was die Mailänder Saison kennzeichnet. Selbst die goldenen Akzente waren in der Regel keine Zeichen von Prunk, sondern, wie Jil Sander interpretierte, ein Zeichen von Unsicherheit. Gold kauft man, wenn man der Zukunft nicht vertrauen kann. Mailand wäre aber nicht Mailand, wenn es neben den Trendsettern wie Prada, Gucci oder Marni nicht auch Roberto Cavalli, Blumarine Armani oder Versace gäbe, die sich Saison für Saison von den Strömungen der Zeit nur sehr begrenzt irritieren ließen.

Jil Sander Winter 2013

Jil Sander Winter 2013

Bei Cavalli wurde kein Kleid gezeigt, dass vor 20 Uhr und abseits eines roten Teppichs denkbar wäre, Blumarine präsentiert verlässlich Mode für die italienische Lady, Donatella Versace bringt jede Saison, dieses Mal mit Vinyl und Lackleder, ihre Idee von Sexyness auf den Laufsteg und Armani ist sowieso sein eigenes Universum zeitloser Eleganz. Weniger im Rampenlicht, dafür aber das Fundament italienischer Modekultur sind die vielen Familienbetriebe, die hochfeine italienische Eleganz at its best produzieren. Nach der Gucci-Schau schaute Vogue-Chefin Anna Wintour etwa persönlich bei Brunelli Cucinello vorbei. Die gefürchtete Dame, dünn wie ein Magermodel und wie immer mit ballonartig aufgeföhntem Bob auf dem kleinen Kopf, lächelte zur Erleichterung des anwesenden Signore Cucinello beim Anblick der Kleider, Röcke, Hosen aus feinsten Stöffchen, alle in coolen Grauschattierungen, die in der Kombination diese besondere – leider sündhaft teure – italienische Lässigkeit ausstrahlen. Dann wirft sie noch einen Blick auf die neuen Home-Accessoires und entschwindet mit ihrem Gefolge zur nächsten Schau.

Versace Winter 2013

Versace Winter 2013