Mailand Winter 2016 – Sehen und haben wollen

 

 

 

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Emporio Armani Winter 2017

Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi hat die Mailänder Fashion Week in Anwesenheit aller großen Designer des Landes eröffnet. Donatella Versace und Giorgio Armani an einem Tisch. Schon das eine kleine Sensation. Entscheidend aber ist Renzis Forderung, dass Italien kein Museum, sondern eher ein Workshop der Mode sein sollte. Italiens modische Kraft besteht in seinen kreativen Talenten, gepaart mit dem handwerklichen Know-how, der hohen Qualität seiner Modeindustrie.

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Versace Winter 2017

„Made in Italy“ ist ein Synonym für beste Verarbeitung, feinste Stoffe, edelstes Leder, Handwerk in seinem anspruchsvollsten Sinn. Das beweisen jede Saison wieder die Kollektionen so klingender Modehäuser wie eben Armani, Versace, Fendi, Ferretti, Missoni und vieler anderer. Viele sind in großen Ehren in die Jahre gekommen und es stellt sich die Frage, wie nochmal so ein modischer Gründergeist forciert werden kann, wie er Mitte der 70er Jahre herrschte, als Armani und Versace die Bühne betraten. Und nicht nur die Mailänder Designer, die Modebranche in Gänze steht vor Herausforderungen.

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Prada Winter 2017

Was sie von New York über London, Mailand bis Paris in diesen Wochen, in denen die Kollektionen für den nächsten Winter vorgestellt werden, im Herzen umtreibt, ist die ganz grundsätzliche Frage, ob das System Mode neu gedacht werden muss. Macht die Präsentation von Kollektionen ein halbes Jahr bevor die Kleider in die Geschäfte kommen überhaupt noch Sinn? Jeremy Scott, US-amerikanischer Designer des Mailänder Labels Moschino, gehörte zu den ersten, die gleich nach der Schau ausgewählte Teile und Accessoires online anbot. Christopher Bailey, Burberry-Designer hat in London gerade angekündigt, dass ab nächster Saison alles, was auf dem Laufsteg gezeigt wird, danach sofort zum Kaufen angeboten werden wird. Ein Signal, das die Branche verändern könnte.

Gucci Fashion Show, Ready To Wear Collection Fall Winter 2016 in Milan

Gucci Winter 2017

In Mailand ließ Prada kurz vor der Schau wissen, dass immerhin zwei neue Taschen, die Pionnière und die Cahier, gleich nach der Schau in ausgewählten Geschäften weltweit verkauft werden. „Sehen und haben wollen“, danach steht den Konsumenten doch der Sinn.

 

Die klassischen Modenschau ist angezählt

 

Wer wartet in Zeiten des Online-Shopping noch sehnsüchtig ein halbes Jahr auf ein neues Accessoire? Und welche Rolle spielt die Saison überhaupt noch? Wir leben in klimatisierten Räumen, reisen durch die Zeitzonen, das Wetter spielt sowieso verrückt … Für die großen Modehäuser geht es auch darum, der preiswerten Konkurrenz Einhalt zu gebieten. Was in ihren Designateliers in kreativen Prozessen aufwändig erdacht und entwickelt wurde, wird inzwischen – nicht ganz so edel, aber wiedererkennbar und sehr schnell – von H&M, über Mango bis Zara nachempfunden. Wenn die Originale dann endlich in die Geschäfte kommen, wirken sie oft schon alt. Bailey geht mit seinem Schritt dagegen an. Aber auch der Sinn der klassischen Modenschau an sich wird schon von einigen angezweifelt. Und auch die getrennte Präsentation der Herren- von den Damenschauen ist angezählt. Immer öfter mischen sie inzwischen die Geschlechter auf dem Laufsteg. Die Schauen, früher eine mit Spannung erwartete Vorstellung für einen exklusiven Kreis, der seine Informationen einem gespannten Publikum weitergab, sind heute quasi öffentlicher Raum. Immer mehr werden im Livestream übertragen, Minuten nach den Präsentationen werden Bilder aller Looks im Web gepostet. Das junge Mailänder Label MSGM bat auf seiner Einladung, keine Bilder auf Instagram etc. zu posten und die Schau zu genießen. Das ist tatsächlich eine originelle Idee, wo inzwischen viele Besucher während der Präsentation mehr mit ihren Smartphones beschäftigt sind als mit den Kleidern, die an ihnen vorüberziehen.

 

Ein Patchworks wie es die Fotos auf Instagram ergeben

 

Die Kleider!? Ja, was lässt sich hierzu sagen? Es gibt eine Tendenz zum Dunklen, Exzentrischen in Mailand. Max Mara bezieht sich auf Berlin, das Bauhaus und die Dadaisten. Es wird auf dem Vulkan getanzt, nicht bei Tiffany gefrühstückt. Es glänzt viel Gold, es schimmert und glänzt; Braun, Rosé, Schwarz, Rot oder Gelb sind nie schrill, eher ein bisschen vergiftet. Alessandro Michele von Gucci und Miuccia Prada sind die unbestrittenen Stars unter den Mailänder Modemachern. Michele hat diesen Status in nur drei Saisons erreicht, indem er den Gucci-Look vollkommen umgekrempelt und die Modewelt mit Romantik, seiner überbordender Fantasie und auch ein bisschen Ironie für sich eingenommen hat. Was Gucci und Prada gemein haben, ist, dass ihre Kollektionen eine unerhörte Vielfalt an Looks und Kombinationen zeigen.Jedes Outfit ist singulär und setzt sich aus unterschiedlichsten Teilen zusammen. Man muss ganz genau hinschauen, wie hier Blusen und Jacken über und unter Pullovern getragen werden, wie Schmuck und Taschen, Ketten und Ringe, Muster und Materialien Schicht für Schicht eine Modegeschichte erzählen. Kleider müssen der Unterschiedlichkeit und den vielen Facetten der Frau im 21. Jahrhundert ein entsprechendes Angebot machen. Die Mode ist heute ein Nebeneinander und Miteinander unterschiedlichster Stile und Erinnerungen – manchmal in einer Kollektion. Dann ist sie ein Spiegel des Patchworks, das etwa die Fotos auf Instagram ergeben, der Eindrücke, wenn wir durch das Web surfen und Raum und Zeit verschmelzen. Die Mailänder haben gezeigt, dass sie diese sich ständig verändernde Welt einkleiden wollen. Wenn wir ihre Entwürfe am besten gleich anziehen wollen, ist ihnen das gelungen. Vermutlich wird dieser Wunsch demnächst erfüllt.