Ende letzten Jahres musste die private Modeschule Esmod nach 20 Jahren schließen. Ein Donnerschlag in der Berliner Modeszene. Gemeinsam mit ihrem Mann Klaus Metz hatte Gründerin und Leiterin Silvia Kaldolsky die Esmod zu einer Institution gemacht. Nicht nur in Berlin, auch in Paris oder Mailand traf man das Paar, immer in Eile, immer auf der Suche nach Kooperationen, nach Inspirationen für den Unterricht. Gescheitert ist die Esmod schlussendlich, weil die Anerkennung als Hochschule, die den Schülerinnen und Schülern einen Bachelor bzw. Master Abschluss ermöglicht hätte, nicht gelang. Etwas blauäugig, wie sie selbst zugibt, hatte die Praktikerin Kadolsky den bürokratischen und wissenschaftlichen Aufwand unterschätzt. Und: Die Esmod war Vorreiterin der privaten Modeschulen in Berlin. Nach ihr eröffneten immer weitere. Die Konkurrenz nicht allein mit den staatlichen, kostenfreien Schulen, um die Schüler, stieg ständig. Das Geschäftsmodell Modeschule geriet ins Schwanken. Die AMD, die andere große renommierte private Schule, bot den ehemaligen Esmod Schülern schließlich an, bei ihnen das Studium zu beenden, auch den bis dahin einmaligen Masterstudiengang ‚Sustainability in Fashion and Creative Industries‘, wobei der Nachhaltigkeitsgedanke zumindest als ein Aspekt des Unterrichts inzwischen in allen Ausbildungen Selbstverständlichkeit ist. 675 Euro monatlich kostet die Ausbildung bei der AMD. „Dafür bieten wir einen praxisnahen Unterricht am Puls der Zeit“, sagt Professorin Antje Drinkuth. Beispielhaft dafür steht ein Projekt wie „TRACES – Fashion and Migration“, das auch vom Auswärtigen Amt gefördert wurde. Neben handwerklichen Fähigkeiten und Kreativität werden aber auch Softskills, wie Teamfähigkeit in der Modebranche immer wichtiger, betont Drinkuth. Das sehen auch die Lehrenden an den anderen Universitäten so. Der singuläre Designer, die Designerin an der Spitze wird immer mehr zum Manager, der ein Team führt und mit Spezialisten zusammenarbeitet.
Kreativität braucht Handwerk
Die Universität der Künste (UdK), die Kunsthochschule Berlin-Weißensee (KH), die Hochschule für Wirtschaft und Technik Berlin (HTW), der Lette Verein und die Modeschule Berlin, Oberstufenzentrum Bekleidung und Mode (OSZ), sind die anderen Berliner Big Player. Wenn man Carmen Lilienthal, stellvertretende Direktorin der Modeschule Berlin, OSZ, fragt, dann hält sie private Ausbildungsmöglichkeiten für milde ausgedrückt überflüssig. An ihrer Modeschule Berlin, OSZ kann man nach drei Jahren einen Abschluss als staatlich geprüfte(r) Modedesigner/in machen. Außerdem werden Modenäher/innen/Modeschneider/innen und Assistentinnen für Mode und Design ausgebildet. Weil das OSZ auch Berufsschule ist, lernen sich Modedesigner/innen und Handwerke schon während der Ausbildung kennen. „Praxisarbeit und Schule sind eng miteinander verzahnt. Dafür stehen wir“, betont Carmen Lilienthal. Das OSZ ist eine staatliche, technisch gut ausgestattete Schule, Schulgebühren gibt es nicht. Auch Bewerber aus sozial schwachen Familien mit mittlerem Schulabschluss und Talent haben eine Chance. In den Willkommensklassen für Flüchtlinge wurden in der letzten Zeit viele Nähtalente entdeckt. „Berlin war eine Stadt der Konfektion“, erinnert Carmen Lilienthal. „Hier in Kreuzberg, dem Sitz der Schule, war das zum größten Teil jüdisch geprägte Zentrum der Berliner Modebetriebe in den 20er Jahren. An diese durch die Nazis zerstörte Tradition wollen wir anknüpfen und auch an diese Geschichte erinnern.“ Im Mai wird es zum Beispiel in Kooperation mit dem jüdischen Museum eine Modenschau geben. Der schon 1866 gegründete Lette Verein hat mit seinem Status als Stiftung des öffentlichen Rechts eine Sonderstellung unter den Berliner Modeschulen. Die diversen Ausbildungen hier, neben anderen auch die zum staatlich geprüften Modedesigner, werden zum größten Teil vom Land Berlin finanziert. Das Schulgeld beträgt 95 Euro und kann unter Umständen erlassen werden. Für Jochen Pahnke, Leiter der Meisterklasse, sind gerade die außerschulischen Projekte mit den Besten eines Jahrgangs eine „wunderbare Möglichkeit, die eigene Handschrift zu stärken, die Arbeitsweise zu optimieren und erste Erfahrungen in der Branche zu machen.“ Bevor es so weit ist, bietet der Lette Verein eine Ausbildung, in der den Schülern vom anatomischen Zeichnen, über Designtheorie, bis zur Schnittkonstruktion am Computer und der Organisation einer Modenschau möglichst viele Facetten des Business nahegebracht werden.
Der Intuition folgen oder einem Konzept: Viele Wege führen zum Entwurf
Wenn sich Carolin Rohner vom Berliner Label SteinRohner an ihr Studium an der Kunsthochschule Weißensee erinnert, kommt sie ins Schwärmen. „Es war eine tolle Ausbildung.“ Worauf sie sich vielleicht nicht ganz so optimal vorbereitet gefühlt hat, waren praktische Dinge des alltäglichen Modebusiness. „Wie bereite ich eine Messe vor, wie finde ich die richtigen Preise.“ Umso dankbarer ist sie ihrer Professorin Clara Leskovar, dass sie ihr auch nach dem Abschluss zur Seite stand. Clara Leskovar sieht, das ‚Künstlerisch-gestalterische Grundlagenstudium‘ in der Tradition des Bauhauses als einen Teil des Erfolgskonzepts der Kunsthochschule Weißensee an. In den ersten zwei Semestern studieren Bühnenbildner/innen, Maler und Mode Studenten/innen, Schüler/innen aller Studiengänge hier gemeinsam, um die Grundlagen von Kunst und Gestaltung kennenzulernen. Die Kunsthochschule Berlin hat wohl auch deshalb den Ruf besonders „künstlerisch“ zu sein. „Wir unterstützen unsere Studenten darin, ihrem Gefühl zu vertrauen, eine spielerische Herangehensweise zu finden. Oft kommt man über das Machen zum Ergebnis“, erklärt Leskovar.
Bei allen Modeschulen sind die Aufnahmekriterien ähnlich, Schulabschluss, künstlerische Mappe und/oder Hausaufgabe und Vorstellungen im Haus gehören dazu. Den Studenten zu helfen, ihre stilistische Identität zu finden, ist später selbstverständlich bei allen Ausbildungen zentrales Thema – natürlich mit unterschiedlichen Ansätzen. Valeksa Schmidt-Thomson, Professorin am „Institut für experimentelles Bekleidungs- und Textildesign“ der Universität der Künste, betont den eher konzeptionellen Ansatz, der die Ausbildung und den Entwurfsprozess an der UdK bestimmt. Nicht Bauchgefühl, sondern ein intellektuelles Konzept sind Grundlage der Entwürfe. Wichtig sind Valeska Schmidt-Thomson auch die Möglichkeiten interdisziplinärer Zusammenarbeit, zum Beispiel mit der Musical-Klasse oder der Medienkunst. Dabei entstehen Fashion-Filme oder Kostüme.
Die Hochschule mit dem etwas spröden Namen „für Technik und Wirtschaft“, die HTW ist tatsächlich die größte Modeschule Berlins. Acht Professoren mit unterschiedlichen Spezialisierungen von Strick bis Active Sportswear kümmern sich um die Bachelor- und Master-Studierenden des Studiengangs Modedesign. „Unsere Studierenden haben die Möglichkeit, ihre Ideen auch wirklich praktisch umzusetzen. Dafür haben wir top ausgestattete und betreute Studios und Labore. Hier lernen die Studierenden nicht nur die handwerklichen Basics, sondern können darüber hinaus unter anderem auch Bodyscanner nutzen, Digitalprints entwickeln oder sogar computerbasiert 3D-stricken, sagt Grit Seymour, die an der HTW als Professorin lehrt.„Ob Generalist oder Spezialist, an der HTW kann sich jeder kreativ entfalten.“
Kreativitat trifft big business: Das macht die Mode so faszinierend
Digitalisierung und Globalisierung werden die Mode in den nächsten Jahren
noch weiter stark verändern. Smarte Kleidung, die vielleicht den Blutdruck kontrolliert oder Hinweise zur Körperhaltung gibt, wird auch unsere ästhetischen Vorstellungen beeinflussen. Sport- und Streetstyle, Multikulturaliät und die Genderdiskussion haben herkömmliche Vorstellungen von Schönheit schon in Frage gestellt. Was eigentlich ist weiblich, was ist männlich? Mit solchen Fragen beschäftigen sich die Modeschulen auf ihre spezifische Weise. Dass Berlin als Stadt genau dafür den richtigen Input gibt, davon ist Antje Drinkuth von der AMD überzeugt. Kein Wunder, dass Modestudenten aus der ganzen Welt hierherkommen möchten. Zum beruflichen Erfolg gehören eine fundierte Ausbildung. Talent, Engagement und Offenheit für alles Neue muss man als Persönlichkeit mitbringen. In der Mode trifft künstlerische Kreativität auf big Business. Das macht die Branche faszinierend und gleichzeitig so kompliziert, mitunter hochemotional. Für Dawid Tomaszewski, der als Designer von Berlin aus verschiedene Projekte steuert, hat am London College of Fashion studiert und kurz auch an der UDK bei Vivienne Westwood. Einen internationalen Star wie Westwood getroffen zu haben, war für ihn vor allem deshalb wichtig, weil er sie nicht nur als die ehemalige Punk-Designerin, sondern auch als toughe Unternehmerin erlebt hat. Ganz sicher werden, darüber besteht wohl auch Einigkeit, eher zu viele ModedesignerInnen ausgebildet. Gut, dass manch ein Student, eine Studentin entdeckt, dass für ihn oder sie Modemarketing, Styling, Filmausstattung oder der Journalismus verwandte und erfolgversprechendere Bereiche sind.