Neues vom Möbelmarkt

Classicon Adjustable Table E 1027 von Eileen Gray

Foto: Classicon
Adjustable Table E 1027 von Eileen Gray

Das Wort „Trends“ ist in der Lifestylebranche momentan kein besonders beliebtes. Anna Wintour – Chefin der amerikanischen Vogue – sprach neulich sogar davon, es sei „schmutzig“, es gehe in der Mode heute um den Ausdruck von Individualität und Persönlichkeit. Das gilt wohl auch für die Möbelbranche. Die nette Dame am Stand des deutschen Herstellers ClassiCon zuckt jedenfalls bei der Feststellung des Besuchers, ein Trend sei die Wiederauflage alter Klassiker in neuen Varianten, leicht mit den Augenbrauen.

Cassina LC2 Sessel von Le Corbusier, Le Corbusier, Pierre Jeanneret, Charlotte Perriand

Foto: Cassina
LC2 Sessel von Le Corbusier, Le Corbusier, Pierre Jeanneret, Charlotte Perriand

Aber wie soll man es nennen, wenn der berühmte Eileen Gray Beistelltisch E 1027 von 1927, ein Klassiker in Chrom, nun plötzlich schwarz vor einem steht, das berühmte Sofa von Florence Knoll neuerdings mit bronzierten Beinen überrascht, oder die Eames-Stühle von Vitra, die auch in jeder designaffinen Berliner Wohnung stehen, jetzt ein paar Zentimeter höher angeboten werden, damit sie an neue Tischgrößen passen?

bfs design, Berlin

Foto: Stefan Flachsbarth
bfs design, Berlin

Und den kantigen Corbusier-Sessel LC gibt es nun auch in einer Knautschvariante mit Daunenfüllung zum Reinkuscheln. Nadin Sokatschewa, für das Berliner High-End-Möbelgeschäft n Minimum auf der Messe, stellt fest, es sei das beste, was die Branche machen könne: bewährte, erfolgreiche Möbel – man könnte vielleicht sogar von Möbelpersönlichkeiten sprechen – in einer neuen Variante zu zeigen. Neuheiten überfordern bei der Vielfalt des Angebots eher, als dass sie Einkäufer und Kunden inspirieren und schlussendlich zum Kaufen animieren.Und, ganz ehrlich, ein Stuhl lässt sich, fast wie das Rad, nicht neu erfinden. Also findet man auf dem Salone internazionale del Mobile viel Vertrautes, das doch durch eine leichte Neuanpassung oder Neuinterpretation überrascht.

Der Begriff „wie aus einem Guss“ bekommt so eine andere Definition

Oft genügt ein Farbwechsel, am liebsten zu Schwarz, um einem Möbelstück eine neue und zeitgemäßere Aussage zu geben. Thonet, berühmt für die Kaffeehausstühle aus Bugholz, führt beispielhaft vor, wie Tradition in die Moderne geführt werden kann. Das Unternehmen präsentiert ein Loungesofa mit filigranem Gestell aus Bugholz, das sofort die Verbindung zu den bekannten Stuhlklassikern herstellt.

Thonet Bugholzsofa

Foto: Thonet
Bugholzsofa

Man kann es mit klassisch braunem Lederbezug erwerben, genauso aber auchfrühlogshaft zartem Grün. Wohnindividualität entsteht durch die Kombination verschiedener Stile. Zum großen Sofa gesellen sich kleine Sessel, Beistelltische lockern das Bild auf und ergänzen großflächige Couchtische, die aus Marmor oder auch Holz sein können.Teppiche ethnisch-vielfarbig, monochrom oder mit digitalen Mustern gewebt oder bedruckt, gehören fast immer dazu. Der Begriff „wie aus einem Guss“ bekommt so eine andere Definition. Es geht um die geschmackvolle Kombination unterschiedlicher Möbel. Selbst mehrere Produkte eines einzigen Herstellers werden so kombiniert, dass der Look eines Wohnzimmers natürlich nicht zusammengewürfelt, aber doch sensibel und individuell zusammengestellt aussieht. Auf die Abstimmung der Farben und Materialien kommt es an.
Immer größer wird auch das Angebot an Möbeln für das schönere Wohnen im Freien. Sofa, Tische, Lampen, Stühle aus wetterfesten Materialien, die Regengüsse schadlos überstehen sind, na ja, ohne Frage ein Trend. Den wasserdichten Polsterstoffen sieht und fühlt man ihre Hightech-Qualität nicht an.

Poltrona Frau Couchtisch Ilary

Foto: Poltrona Frau
Ilary Group

Es gibt sie in unterschiedlichsten Webarten und der gleichen Farbvielfalt wie für die Indoor-Möblierung. Dass Garten oder Terrasse mit Möbeln ausgestattet werden, die sich quasi nicht mehr von denen im Wohnzimmer unterscheiden, zeigt, dass das Bedürfnis „zurück zur Natur“ in sehr zivilisierten Bahnen verläuft.Auch der umgekehrte Trend ist zu beobachten, nämlich, sich die Natur ins Haus zu holen. Schmetterlingspalmen, Sansevieria, Bananenpflanzen, Aloe Vera oder Baumstrelitzien, also Pflanzen, die tropisches Flair ausstrahlen, schmückten viele Stände des Salone Mobile. Das Motto lautet dabei: klotzen, nicht kleckern. Den hochgetunten Möbeln sollte schon ein kleiner Urwald als Kontrast entgegengestellt werden.

Foto: Pascal Gambarte für Cassina

Foto: Pascal Gambarte für Cassina

Interview

Stefan Flachsbarth ist Architekt. Mit seinem Büro „bfs Design“ und seinem Partner Michael Schultz baut und gestaltet er Häuser, die im Auftrag der Kunden oft auch möbliert werden. Eines der bekanntesten Projekte ist die zu Wohnhaus und Galerie umgebaute Tankstelle in der Bülowstraße in Berlin.

Was macht die Möbelmesse in Mailand „Salone Mobile“ für Sie so interessant?

In Mailand trifft sich die ganze Branche, und wirklich alle wichtigen Hersteller zeigen ihre neuen Produkte. Man kann sich umfassend informieren. Abgesehen von den Ausstellungen in den Messehallen ist das Schöne an Mailand aber auch, dass in der Messewoche praktisch die ganze Stadt zum Showroom wird. Viele Geschäfte beteiligen sich mit eigenen Installationen und auch Nicht-Profis bekommen einen Eindruck vom Geschehen. Es ist toll zu sehen, wie so eine ganze Stadt und ihre Besucher Zugang zum Thema Design finden.

Was war in diesem Jahr besonders auffällig?
Insgesamt war der Eindruck viel weniger bunt als in den letzten Jahren. Pastelltöne sind weiterhin oft zu sehen, dazu kommen kräftige Blautöne bis hin zu Petrol für Polsterungen und Lackierungen.

Wie sieht es mit Materialien aus?
Auffällig war, dass Nussbaum die in den letzten Jahren so populäre helle Eiche abgelöst hat und viel für Tischgestelle, Sessel, Stühle oder Sideboards verarbeitet wird. Neben Hightech-Materialien war Samt als Polsterstoff wieder ein großes Thema.

Gibt es Möbel, denen ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde?
Mir sind viele zierliche, festgepolsterte Clubsessel im Stil der Fünfziger aufgefallen. Sie lassen sich gut umstellen und sind auch für kleinere Wohnungen geeignet. Sie ergänzen aber auch große Wohnlandschaften und nehmen ihnen die Strenge. Das gilt auch für Beistelltische in unterschiedlichsten Materialien und Stilen. Etwa aus Holz, Metall oder auch Naturstein wie Marmor oder Travertin.

Wenn man darüber nachdenkt, seiner Wohnung ein Make-over zu verpassen. Womit sollte man anfangen, was ist der erste Schritt?

Es macht zunächst Sinn, sich mal ganz genau im eigenen Zuhause umzuschauen. Oft hat sich im Laufe der Jahre ganz unbewusst eine Vorliebe für bestimmte Farben ergeben. Die sollte man sich bewusst machen und dann zum Beispiel die Wandfarbe daran anpassen. Wenn man sich für keine Farbe entscheiden kann, geben graue oder beige Wände einen schönen Hintergrund. Farbige Wände verändern den Gesamteindruck sehr. In Deutschland fehlt dafür oft noch der Mut. Aber weiße Wände sind eben nur eine Möglichkeit von vielen. Manchmal genügt es auch schon, sich ein schönes neues Kleinmöbel zuzulegen, um eine atmosphärische Veränderung zu erreichen. Eine Lampe, ein Beistelltisch, ein Teppich oder auch nur Kissen können einen großen Effekt bewirken.