Es ist nur scheinbar Business as usual: Große Kulisse, diesmal ein Schweizer Bergort, viele Perlenketten, Stars und Sternchen im Publikum, darunter Claudia Schiffer, Monica Bellucci oder Kristen Steward. Sie sind Lagerfelds Musen und auch gekommen, um ihn zu ehren und sich endgültig zu verabschieden. Insofern ist doch alles anders. Nichts ist wie immer. Auf dem verschneiten Laufsteg wird Penelope Cruz später eine weiße Rose in der Hand halten. Vor Beginn der Schau eine Schweigeminute für Karl Lagerfeld. Viele Chanel Schauen haben Emotionen geweckt, allein wegen ihrer atemberaubenden Inszenierungen, aber diesmal gehen sie tiefer. Karl Lagerfeld ist heute nicht zu müde, um sich am Ende der Schau zu zeigen, er ist tatsächlich nicht mehr da. Unwiderruflich, zweifellos. Das wird vielen Anwesenden jetzt vielleicht erst wirklich bewusst. Das beindruckendem detailverliebte Set für diese Saison, genauso wie die gezeigte Kollektion ist noch unter Lagerfelds Aufsicht entstanden. Insofern wurden mit dieser Schau „Chanel in the snow“ für den Winter 2019/20 Lagerfelds letzte Modeträume gezeigt. Große Volumen, große Muster, Hahnentritt und Karos werden aufgeblasen und gekonnt miteinander kombiniert. Folkloristische Motive kommen, passend zur Hüttenkulisse dazu. Alles absolut Chanel aber eben mit den großen Volumen, der Kombination etwa von Spitze und Strick, dem Lagenlook absolut heutig. Mit dem Thema Ski gelingt es Lagerfeld auch geschickt Sportivität und Eleganz, die wieder in aller Munde ist, mit einander zu kombinieren. Es war ja bekanntlich Lagerfeld, der gesagt hatte, „wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Nun ist auch bekannt, dass seine modischen Ansagen keine Saison lang hielten. Kurz danach gingen bei Chanel Jogginghosen über den Laufsteg und die Supermodels trugen Sneaker zum kurzen Röckchen. Dem Einfluß des Sports, der zunehmenden Bedeutung von Bequemlichkeit und Jugendlichkeit konnte sich auch ein Lagerfeld nicht widersetzen. Sein Erfolg beruhte maßgeblich darauf, dass es ihm gelungen war, die Tochter, wenn nicht die Enkelin der alten Chanel Kundin zu gewinnen. Und die trug eben Jogginghosen. Mit Chanel Logo um so lieber. Auch die aktuelle letzte Kollektion hat jeder Generation etwas anzubieten wenn auch keine Jogginghosen, dafür warme Schneestiefel, Steppjacken und eine Chanel Variante des Norwegerpullovers.
Kleider für das 16. Arrondissement
Inzwischen sind Sport und High Fashion so etwas wie eine Selbstverständlichkeit. Das Sakko wird zur Tunnelbundhose getragen, keine Frau muss vor der Bürotür die High Heels aus der Handtasche kramen, wie das in den 80ern noch üblich war. Heute behält sie ihre Sneaker einfach an. Die Generationen Z, also die um die Jahrtausendwende geborenen, kennen die alten Zwänge der Mode nicht mehr. Für sie ist formale Kleidung und traditioneller guter Geschmack unbekannt, neu, überraschend und sogar cool. Deshalb könnte für sie die neue Celine Kollektion von Hedi Slimane genau das Richtige sein. Allerdings sollten sie vor dem Einkauf im Fundus der Garderobe ihrer wohlhabenden Großmutter schauen, was sie aufgehoben hat. Was Slimane nämlich zeigte, war fast eine eins zu eins Kopie der Kleider des Labels aus den 70er und 80er Jahren. Celine Kleider trugen damals die genauso eleganten, wie konservativen Pariserinnen, wohnhaft bevorzugt im vornehmen 16. Arrondissement am rechten Seine Ufer. Damen, die einen zeitlosen, wenig extravaganten aber tragbaren Look für angemessen hielten. Modern war, dass Rock und Bluse kombiniert wurden. So konnte der Look damals schon die eine oder andere höhere Tochter ansprechen, weil er sportlicher wirkte als die üblichen Kleider, die die Damen trugen. Heute wirkt das längst nicht mehr sportlich, dafür um so schockierender bieder. Ein Spaziergang durch Kreuzköln in einem solchen Look!? Das fällt auf! Dessen kann man sicher sein. Slimanes retro Look mit konservativer Eleganz werden die ganz jungen deshalb vielleicht hip finden, die mittelalten werden tantig dazu sagen und darin vermutlich auch so aussehen. Knielange Hosenröcke, große Sakkos mit breiten Schultern, Gürtel mit der Reiterschnalle, die braven Handtaschen – das ist aktuell ein neuer, aber eben doch auch sehr alter Look. Weil er von Slimane kommt, dem Freund von Lagerfeld, der ihn protegiert hat, dem Erfinder der schlanken Dior Home Linie und des Rockstar Looks für Yves Saint Laurent, findet er aber sehr viel Beachtung. Hedi Slimane hat immer nur eine Idee und die zieht er durch. Ohne Rücksicht auf Verluste. Bislang hatte er damit Erfolg.
Der Laufsteg eine ideale Hotellobby
Ein wenig zu viele Ideen sahen viele im Debüt des neuen jungen Designers bei Lanvin. Das Haus mit der großen Tradition hat nach einem Inhaberwechsel und nach der Trennung von Alber Elbaz, der auch schon als Lagerfeld-Nachfolger im Gespräch war, in vier Jahren zwei Designer verschlissen. Alle guten Dinge sind drei, nun durfte der 31jährige Bruno Sialelli versuchen, dem Haus wieder alten Glanz und eine eigene Aussage zu geben. Er versucht das mit ein bisschen Ethno, ein bisschen Gotik, viel Drunter und Drüber – Layering genannt – und Pastellfarben. Aller Anfang ist schwer. Bei Chloe erinnerte Natascha Ramsay-Levy mit Postkarten auf jedem Platz und Zitaten an Karl Lagerfeld. Schließlich war er auch für dieses Haus 25 Jahre tätig. „Fließend, schwerelos, absolut feminin“ sollte für ihn die Garderobe der Chloe Frau sein. Darum geht es auch der jungen Natascha Ramsay-Levy mit ihrer aktuellen Kollektion, Hosenröcke, karierte Cocktailkleider, Tapetenmuster, Kilts, Hemdkleider, gerne auch miteinander kombiniert, ergaben eine harmonisch-frische, selbstverständliche Kollektion, die wohl auch Lagerfeld gefallen hätte. Mehr der glamourösen Eleganz haben sich auf unterschiedliche Art und Weise etwa die Kollektionen von Paco Rabanne oder Rick Owens und viele andere verschrieben. Bei Paco Rabanne haben den jungen Julien Dossena alte Hollywood Filme inspiriert. Glamour und Schneiderkunst sind für ihn eine notwendige Antwort auf den allgegenwärtigen Athleisure Look, man könnte auch sagen die Jogginghose. Seinen Laufsteg begriff er als ideale Hotellobby, wo jeder vorbeikommt, den man sich nur wünschen könnte, Marlene Dietrich, die Monroe oder auch Jimmy Hendrix. Seidig fließende Kleider, die für Rabanne typischen Kettenkleider, große Pailletten, schimmernde Hightechstoffe, Art Deco Muster, Animal Prints: Zur Mode gehört es auch sich aufzutakeln und mal über das Ziel hinauszuschießen. Spaß muss sein, gerade in schwierigen Zeiten. So sieht das auch Rick Owens, dessen Kollektion allerdings eher von schwarzem Humor geprägt war. Make up und Masken machten die Models zu Aliens, die Kleider, Mäntel und Jacken aber waren von fast schlichter Eleganz. Und das, obwohl sich Owens vom Designer Larry LeGaspi hatte inspirieren lassen, der unter anderem die Bühnenkostüme von Kiss entworfen hatte. Mindestens die Plateauschuhe erinnerten daran. Die betonten Schultern und Übergrößen der Sakkos und Mäntel, wie auch Owens sie zeigt, gehören zum wichtigsten Trend des Saison. Die extrem schmalen Silhouetten sind fürs erste passé sind. Darin war sich der oft streitbare Lagerfeld mit seinen Kollegen offensichtlich einig. Die Chanel Show war hat es bewiesen.