Paris Winter 2016 – Wer ist der Boss?

 

 

 

 

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Chanel, Fashion Show, Ready To Wear Collection Fall/Winter 2016 in Paris

Karl Lagerfeld ist ohne Frage eine Ausnahmefigur. Ohne ihn ist Chanel kaum denkbar. Allerdings schwer vorstellbar, dass er die diversen Kollektionen des Hauses alle im Alleingang – wie gerne behauptet – entwirft. Sicher ist er nicht nur im Entwerfen, sondern auch im Delegieren ein Meister.

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Zweifellos, und das ist ja auch von ihm zu hören, hat er in allen Bereichen ein fabelhaftes Team, das ihn unterstützt. Aber, auch das steht außer Frage, ist es sein Esprit, seine Persönlichkeit und Kreativität, die dem Label und seinen vielen anderen Projekten Leben geben, sie begehrlich und eben so besonders machen. Ein großer Designer macht den Unterschied zwischen einem mittelmäßigen und einem besonderen Label.

Maison Margiela Fashion Show, Ready To Wear Collection Fall Winter 2016 in Paris

Maison Margiela Fashion Show, Ready To Wear Collection Fall/Winter 2016 in Paris

Das gilt ganz besonders für die großen Modehäuser. In Paris stehen zurzeit zwei gewissermaßen allein da. Dior und Lanvin. Raf Simons, der Dior nach dem unrühmlichen Abgang John Gallianos ein neues, modernes Gesicht gegeben hatte, verließ das Haus, so heißt es, weil er Sorge hatte, seine Kreativität ginge unter dem Druck der vielen Kollektionen, die er zu verantworten hatte, verloren.

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Saint Laurent, Fashion Show, Ready To Wear Collection Fall/Winter 2016 in Paris

 

Haus ohne Herr

 

Alber Elbaz, der seit 2001 Lanvin wieder zu einer relevanten und noch dazu höchst profitablen Marke gemacht hatte, wurde von der Eignergruppe entlassen. Keine gute Idee. Die erste Lanvin-Schau ohne Elbaz, da waren sich alle einig, hatte keine Seele und keinen Witz. Die neue Location für die Schau war kein Signal für einen ambitionierten Neuanfang. Lanvin unter Elbaz, das waren Kollektionen, deren Ideenreichtum den vielen Facetten der modernen Frau ein Kleid gab, mal Powerlook mal Divenglamour. Darin lag Elbaz‘ Stärke. Seine Kollektionen erzählten eine Geschichte, er gilt als Frauenversteher, in seinen Lanvin-Kleidern fühlten sich die Damen gut aufgehoben in fast allen Lebenslagen. Und er verstand zu amüsieren, etwa mit seinen Accessoires, zum Beispiel dem Schmuck, der „Mine“ oder „Yes“ ausrief. Was nun über den Laufsteg ging, war eine blutleere Parade von glänzenden Brokatoutfits, Spitzenblusen, asymmetrischen Schößchenröcken in Meergrün, Mauve oder Pfirsich im 80er-Stil des Denver Clan. Der Teamgeist hat hier nicht genügt, um den Meister zu ersetzen. Man wird sehen, ob die gerade als Nachfolgerin bestellte
Bouchra Jarrar  das Segel wieder wenden kann. Die 46-jährige Französin mit marokkanischen Wurzeln designt seit 2010 und hat zuvor bei Jean Paul Gaultier, Balenciaga oder Christian Lacroix gearbeitet. Anders als Elbaz wird sie aber nur für die Damenkollektion zuständig sein. Auch der Dior-Schau war anzusehen, dass der Esprit eines Raf Simons fehlte. Die gigantische Inszenierung und Zuschauerinnen wie Jessica Alba, Naomie Harris oder Kris Jenner, die dem Auftritt ihrer Tochter Kendall beiwohnte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kollektion selber zwar nicht misslungen, aber eben auch kein großer Wurf war. Viele schwarze Kostüme, das berühmte Bar Jacket, geschlitzte Bleistiftröcke, weich geschnittene Sakkos zollten dem großen Dior ihr Tribut. Eine Kollektion des Übergangs. Gespannt warten alle auf die Benennung des neuen Kreativchefs oder der Chefin und auf die nächste Saison. Auch über das Haus Saint Laurent wird spekuliert. Noch ist hier Hedi Slimane am Ruder, aber es gibt Stimmen, die sagen, er will es nicht bleiben oder eventuell eine neue Position besetzen. War die exquisite Schau im Stil der 80er also ein fulminanter Abgang oder Auftakt? Die Gerüchte, dass er das Haus verlässt, wurden weder bestätigt noch dementiert.

 

„Respektvoll und furchtlos“ – die Übernahme von Balenciaga

 

Ein neuer Name dagegen war schon Gesprächsthema dieser Saison: Demna Gvasalia, der in Georgien geborene Designer, dessen Eltern im Jahr 2000 nach Düsseldorf zogen, ist der erste mit deutschem Pass, der es nach Karl Lagerfeld an die Spitze eines großen Pariser Modehauses geschafft hat. Berlin übrigens ist eine seiner Lieblingsstädte, sein eigenes Label Vetements hätte er fast hier gegründet. Aus anderen beruflichen Verpflichtungen ist es dann aber Paris geworden. Keine schlechte Entscheidung, die ihn schließlich zu Balenciaga gebracht hat. Den großen Erfolg von Vetements macht aus, dass scheinbar ganz normale Kleidung, vor allem Dingen Streetwear wie eine Bomberjacke, ein Kapuzenpulli, Jeans oder T-Shirts unter seiner Hand plötzlich zu etwas Besonderem, absolut Fashionablen werden. Demna Gvasalia will auf dem Laufsteg Kleider zeigen, die getragen werden können und die Bedürfnisse einer modernen, modebewussten Frau erfüllen. Das ist ihm jetzt auch für Balenciaga gelungen. Die Eleganz und architektonische Schneiderkunst des großen Spaniers für unsere Zeit umzusetzen, war die Herausforderung, die er angenommen und gemeistert hat. „Respektvoll und furchtlos“, schreibt Suzy Menkes, hat Gvasalia das Balenciaga-Erbe angetreten und eine eindrucksvolle Kollektion gezeigt, die von raffiniert geschnittenen Businesskostümen über Sportswear bis zu floralen Kleidern Frauen jeder Altersstufe ein Angebot macht.

 

Punkrock, Sport-Style und und auch viel Glamour

 

Demna Gvasalia übrigens hat nach dem Studium in Antwerpen erste Erfahrungen im Maison Margiela gemacht, das John Galliano die Chance zu einem zunächst eher als holperig empfundenen Comeback gegeben hat. Mit der Kollektion für den Winter 2017 scheint es, als habe sich seine Exzentrizität und die artifizielle Feierlichkeit, für die das Maison Margiela steht, versöhnt. „Schönheit und Brutalität“ und „Surrealismus und Realismus“ sind Stichworte, die zur Erklärung der Kollektion gegeben wurden. Praktisch bedeutet das, die Kombination von Military-Jacken und Mänteln mit schwarzem Chiffon; riesige Gürtel mit barocken Schnallen halten schürzenähnliche Kleidungsstücke, die zu schmalen Röcken getragen werden. Ein wilder Mix unterschiedlichster Stile, den man am besten als Collage bezeichnet und der ein Trend der internationalen Kollektionen ist. Punkrock, Sport-Style und und auch viel Glamour wurde in Paris gezeigt. Fast 100 Schauen gehen dort über die Laufstege. Sie alle zusammen ergeben eine Collage der Mode des nächsten Winters. Sie machen ein Angebot. Für Demna Gvasalia sind die Frauen selber die besten Designer, indem sie aus dem Angebotenen etwas ganz Eigenes machen.