Pitti Uomo 95 – Stadtfein

Januar ist Männerzeit, zumindest modisch gesehen. Am Anfang des Jahres werden die Kollektionen für die nächste Saison präsentiert. Weltweit größter Treffpunkt in Sachen Männermode ist die Pitti Uomo in Florenz. Am Dienstag geht sie in ihre 95. Runde. Über 1200 Marken präsentieren sich auf 60.000 Quadratmetern etwa 30.000 professionellen Besuchern. Und die machen sich speziell für die Pitti schick. Die sogenannten „Pitti Peacocks“, also die „Pitti Pfauen“, sind sprichwörtlich in der Branche. Die Pitti ist nämlich immer auch ein Schaulaufen männlicher Eitelkeit, das beweist, in der Männermode ist was los. Da gibt es Jungs, die aussehen, als kämen sie gerade vom Trekking Urlaub, andere, im Flanellanzug mit Fliege, scheinen sich gerade aus dem schweren Ledersessel ihres Gentlemen Clubs erhoben zu haben. Kunstvoll frisierte Bärte, schnittige Frisuren, futuristische Sneaker und rahmengenähte Derby Schuhe, Lagenlook und Mustermix, den modischen Männern hier ist nichts fremd und kaum etwas zu extravagant. Wer sich einen Eindruck davon bekommen möchte, was die Mode den Männern zu bieten hat, bekommt in Florenz in diesen Tagen den perfekten Überblick. Sowohl in den Messehallen auf dem Festungsgelände der Fortezza da Basso als auch etwa auf der Piazza della Signoria, wo die in modisches Tuch gehüllten Herren dem nackten David die Schau stehlen. Die Florentiner nehmen die Invasion teils stolz, teils amüsiert, mitunter leicht genervt zur Kenntnis. Für Torsten Stiewe, Head of Buying Menswear und Urban Sport der KaDeWe Group,gehört ist die Pitti unverzichtbar. Hier kristallisieren sich schon früh die wichtigsten modischen Strömungen heraus. „Die Pitti ist sehr international und gut kuratiert, besonders auch im Bereich Urban Sport, der immer wichtiger wird. In Florenz sind natürlich auch die italienischen High End Hersteller für uns besonders interessant. Es gibt weltweit keine vergleichbare Messe speziell für Männermode.“

Die Pitti Männer beweisen oft genug nicht nur Sinn für Style, sondern auch für Humor.

 

 

Die Vielfältigkeit der Männerlooks hier spiegelt das Angebot der Mode wider. Den Trend gibt es nicht, man hat eher den Eindruck, jede Saison kommen mehr Möglichkeiten dazu. Ein zentrales Thema bleiben sportive Einflüsse vor allen Dingen aus dem Outdoor Bereich: Boots, ausknöpfbare Westen, Futter und Einzeljacken, oft in Lagen getragen, sind ein modisches Statement und eine Reaktion auch auf Klimaveränderungen. Lange Sommer, milde Winter: Darauf müssen Designer reagieren. Sogenannte „Transitional Styles“, Kleidung, die saisonübergreifend getragen werden kann, wird also immer interessanter. Wie gesagt, nichts verändert die Mode – für die Damen und die Herren – so sehr, wie die Einflüsse aus Outdoor und Sport. Das gilt auch für das formale Genre. „Auch im Büro kann eine Hose heute Tunnelzug haben und mit Sneaker getragen werden“, sagt Torsten Stiewe. „Upper Casual, also der Mix von Freizeit- und formeller Kleidung, bleibt ein zentrales Thema in der Männermode. Aus der Sportswear kommt auch der Logo Hype, wie es ihn in den 90ern schon mal gab. Männer – und die Damen – zeigen plakativ, was sie tragen.“ Bei den Anzügen sind die Silhouetten wieder weiter, Sakkos gibt es in Hemdjacken-Formen oder Blousontypen, am besten haben sie den Komfort einer Strickjacke. Bequemlichkeit ist ein Thema, das Designer heute immer mitdenken müssen. Vielleicht ist deshalb auch das gute alte Holzfällerhemd modisch wieder da, unbedingt in Flanell. Der kerlige Look soll schließlich nicht kratzen, das gilt auch für Wollhosen, sie sind ein It-Piece für den Mann. Besonders weitere Formen mit Bundfalten gelten als modische Speerspitzen, aber auch die schmalere Form ist nicht passé. Zu den modischen Materialien, die auf der Pitti zu finden sein werden, gehört unbedingt auch wieder Cord, Breitcord um genau zu sein, schön weich soll er sein. Auch die seit einigen Saisons ungebrochene Vorliebe für die daunenweichen, übergroßen Puffer Jackets, lässt auf ein Kuschelbedürfnis des Mannes schließen. Vielleicht ist das mehr als ein Trend!? Andererseits finden auch Cowboy Style und Hip Hop mitunter zu einem interessanten Mix zusammen. Moderne Männlichkeit kann machomäßig daherkommen, muss sie aber nicht. High Tech Ponchos und Cowboystiefel, karierte Anzüge und dicker Strick: Die Pitti Männer beweisen oft genug nicht nur Sinn für Style sondern auch für Humor. Mode soll schließlich Spaß machen. Wie der aussehen kann, lässt sich hier studieren und manches Jubiläum dabei feiern. Moon Boots zum Beispiel gibt es jetzt seit 50 Jahren und die Wachsjacke Babour, Symbol der Casual Bekleidung auf der ganzen Welt, wird 125 Jahre alt. Das deutsche Label Joop! übrigens ist zum ersten Mal mit von der Pitti Partie. In der Branche ist das Debut ein Zeichen dafür, dass die Marke etwas vorhat. „Urban Ambassadors“ heißt die vorgestellte Kollektion. Moderne Silhouetten, gute Passformen, formal, dabei, „stadtfein“ im  lässigsten Sinne des Wortes, so bringt sich Joop! gerade wieder ins Gespräch. Das ist gar nicht so einfach bei dem Angebot der Marken aus aller Welt, die um männliche Kundschaft werben. So wird etwa der Mode aus Südkorea zur Zeit viel Aufmerksamkeit geschenkt und sie nutzt die Pitti geschickt als Brücke nach Europa. Wann ist ein Mann ein Mann? Die Mode gibt viele Antworten. Alles andere wäre auch wirklich „old fashioned“.