Social Distancing – Plaudern am Zaun

Wer einen Vorgarten hat, ist ohne Frage privilegiert. In der Regel gehören zum Vorgarten schließlich ein Haus und meist auch noch ein Garten dahinter. Gerade in Corona Zeiten ist ein Plätzchen im Grünen besonders wertvoll. Im Garten kann man nicht nur sitzen, sondern sich auch bewegen. Freiluftübungen und Graben und Pflanzen sind schließlich fast dasselbe. Und natürlich ist der Garten auch ein Ort der Kommunikation. Normalerweise trifft man sich zu Kaffee und Kuchen oder zum Grillen. Gerade in diesen Wochen bekommt nun der Plausch am Gartenzaun eine hervorragende Bedeutung und damit auch der Vorgarten. Zaun oder Hecke sorgen ganz von allein für das angesagte Social Distancing, ein frisches Lüftchen vertreibt zusätzlich potentielle Virengefahr. Der Vorgarten ist also gerade jetzt der perfekte Ort für eine Unterhaltung, mit der Nachbarin oder vorbeilaufenden Flaneuren. Nicht ohne Grund raten Gartenplaner zu einer Bank im Vorgarten. Auch um Einkaufstaschen abzustellen, vor allen Dingen aber um diesen Gartenteil zum Ort sozialer Interaktion zu machen. Er ist schließlich quasi halböffentlicher Raum. Gartenzaun-Gespräche statt Chat im Netz, eine schöne Alternative. Man sollte es sich natürlich gemütlich machen können im Vorgarten, sonst macht es keinen Spaß. Nur ein einladender Vorgarten forciert Plaudereien. Hohe Hecken und Zäune wirken naturgemäß kontraproduktiv. Der Vorgarten sagt etwas über seinen Besitzer aus und wird deshalb auch gerne und ein wenig bieder die „Visitenkarte“ des Hauses genannt. Aber es ist etwas dran. Eine Steinwüste, vertrocknete Blumen, der Mülleimer direkt neben dem Eingang können durchaus Rückschlüsse auf die Bewohner geben. Menschen, die man gerne besucht oder mit denen man ins Gespräch kommen möchte, empfangen wohl anders. Im Frühling ein farblich abgestimmtes Tulpenbeet, ein blühender Baum, später vielleicht ein prächtiger Rosenstock oder eine besondere Dahliensorte werden Blicke anlocken und den Einstieg ins Gespräch erleichtern. In den letzten Jahren gab es einen unglücklichen Trend zum steinernen Vorgarten beherrscht von Kies und Schotterwüsten. Auch das einzige scheinbar überzeugende Argument für diese grauen Gärten, sie seien so pflegeleicht, führt in die Irre. Zwischen den Steinen siedeln sich schwer zu entfernende Unkräuter, Flechten und Moose an, im Herbst müssen Blätter mühselig von Hand entfernt werden. In Sommer heizen sich die grauen Gärten tagsüber sehr auf und geben die Wärme nachts wieder ab. Das ist schlecht für Tiere und Insekten, die weder Rückzugsorte noch Nahrung finden. Weil sich diese tristen Vorgärten gerade auch in Neubaugebieten so verbreitet haben, gibt es diverse Initiativen dagegen. rettet-den-vorgarten.de vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) e.V. ist eine davon. Jetzt aber genug von dieser traurigen Variante dieses besonderen Gartenteils, der gerade jetzt wichtiger ist denn je. Wie also sieht er optimalerweise aus?

Der Geist des Hauses spiegelt sich, mit ein bisschen Glück lassen sich Freundschaften quasi im Vorbeigehen schließen.

 

Der Stil des Gartens sollte zum Haus passen. Zu ländlichen Baustilen passen Staudenbeete, Rosen, alle Zutaten eines Bauerngartens, zu moderner Architektur eher geometrische Formen, vielleicht sogar ein grüner Garten, der seine Lebendigkeit verschiedenen Blattfarben, Formen und Strukturen verdankt. Gerade bei den in der Regel kleineren Vorgärten kann man sich an das Prinzip „weniger ist mehr“ halten. Mehr vom Gleichen wirkt großzügiger, nicht langweilig. Das gilt auch für Wege, Beeteinfassungen oder die Verkleidung der Mülltonnen: Die Konzentration auf ausgesuchte Materialien ist immer ruhiger und eleganter.
Norbert Lehmann, Landschaftsgärtner der Firma Wildwuchs, hat häufiger mit Vorgärten zu tun. „Manchen Kunden ist der Vorgarten sogar wichtiger als der Hintergarten, da geht es dann um Repräsentation. Und natürlich soll es vor der eigenen Tür mindestens so schön aussehen wie beim Nachbarn“, weiß er zu berichten. Damit der Vorgarten ganzjährig gepflegt und attraktiv wirkt, empfiehlt er lang blühende Sorten mit attraktivem Laub auszuwählen. Storchschnabel und Funkien eigenen sich für lichten Schatten. Der Duftschneeball, Hortensien, das Tränende Herz, wintergrüner Storchschnabel, Purpurglöckchen, die Elfenblume oder Haselwurz sind andere Stauden, die sich an schattigen Standorten wohlfühlen und sich für Vorgärten eignen, die oft im Schatten liegen. Für sonnigere Lagen schlägt Norbert Lehmann zum Beispiel Steppenkerzen, Stockrosen, den Purpursonnenhut, Lavendel oder Polsterphlox vor. Gehölze geben einem Vorgarten zusätzlich Struktur. Der Blumenhartriegel, ein Bauernjasmin oder Zwergblutpflaumen bieten sich an, weil sie auch im kleinen Garten Platz finden. „Erstaunlich viele Kunden wünschen sich auch immer noch eine kleine Harlekinweide im Vorgarten“, erzählt Norbert Lehmann. „Die gibt es zuverlässig jedes Jahr wieder mit Beginn der Pflanzsaison preiswert im Baumarkt. Für meinen Geschmack wirkt so ein Bäumchen mittig im Beet etwas verloren und ein bisschen piefig“, gibt er zu bedenken. Gefäße dagegen, die zum Beispiel neben der Haustür aufgestellt werden, sind auch für den Landschaftsgärtner Lehmann ein schöner Blickfang und bringen Abwechslung durch saisonale Bepflanzung. Im Sommer könnten sie zum Beispiel mit Lobelien, Trompetenzungen und Rittersporn bepflanzt werden, im Herbst mit Chrysanthemen, Astern, Schafgarbe, Zierkohl oder Goldsalbei. Ein schöner, vielleicht von Blumen umrankter Briefkasten mit Namensschild erfreut den Postboten und macht auch die Vorstellung am Gartenzaun unkompliziert. Der nicht zu glatte Weg zum Hauseingang sorgt für Sicherheit, genauso wie angenehme Beleuchtung. So angelegt ist der Vorgarten ein ganz spezieller Teil des Gartens, in dem sich der Geist des Hauses spiegelt und sich mit ein bisschen Glück auch Freundschaften quasi im Vorübergehen schließen lassen.