Some like it curvy

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Foto: Marina Rinaldi

Sie ist ein kurvige Erscheinung und damit hat Barbara Christmann kein Problem. Seit 1985 lebt sie in Mailand, zunächst als Designerin, später als Modekorrespondentin für große Verlage. 2010 war für sie die Zeit gekommen neue Wege zu gehen. Zunächst entwarf sie, für das das kleine Label „Giglio Rosso Trend“ aus Capri eine Kollektion für große Größen, dann startete sie den Blog www.Beautifulcurvy.com, der inzwischen äußerst erfolgreich ist und an einem Tag schon einmal von 1800 japanischen Leserinnen angeklickt wurde. Eine japanische Tageszeitung hatte über die Expertin für XXL Fashion berichtet. „Die meisten werden den Block vermutlich nicht haben lesen können, aber schon die Fotos stärken das Selbstbewusstsein kräftiger Frauen“, ist sich Christmann sicher. 90 Prozent ihrer Leserschaft sind Frauen, 10 Prozent Männer, die meisten zwanzig bis Mitte fünfzig. Der von ihr produzierte Curvy Kalender im Pin-up Stil wurde 5000 Mal von Blog runtergeladen, die Modelle hatte sie selbst gecastet, zwei arbeiten nun regelmäßig als Curvy Models, sind also quasi entdeckt worden. Die Entwicklung einer Strumpfhosenkollektion für kurvige Frauen hat sie in der letzten Zeit auch noch beschäftigt.

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For.Me Elena Mirò Winter 2013

Das Thema liegt ihr am Herzen, weil sie selber kurvig ist, weil sie Spaß am Leben hat, zu sich und ihren Pfunden steht und beobachtet, wie vielen Frauen das so schwer fällt, nicht zuletzt weil bei Modenschauen, in der Werbung und in Zeitschriften ein Frauenbild propagiert wird, das nicht der Realität entspricht. „Viele Designer interessiert das Thema nicht, sie empfinden es gewissermassen unter ihrer Würde für kräftige Frauen zu designen“, ist ihr Eindruck. Ein gutes Beispiel dafür war die Bemerkung von Karl Lagerfeld, dass seine Kollektion für H&M nur für schlanke Menschen sei und die angebotenen Größen bis 44 ihn durchaus nicht amüsieren. Unverständlich für Barbara Christmann, der Bedarf sei da und am Ende geht es doch im Fashionbusiness darum Geld zu verdienen. Das Lagerfeld wenig später die schwergewichtige Sängerin Beth Dito auf den Chanel Laufsteg ließ, zeigt das am Ende „Alure“ und „Attitude“, um es in Karls Worten auszudrücken das sind, was zählt und sogar den Weg auf dem Laufsteg öffnen können – trotz runder Formen.

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For.Me Elena Mirò Winter 2013

 

Mode für das Wohlfühlgewicht

Die Designerin Anja Gockel bringt in diesem Herbst ihre erste Kollektion für große Größen unter dem Namen „Woman am I“ heraus. In ihren zum Atelier gehörigen Shop, in dem sie auch Kleider anfertigt, wurde ihr bewusst wie groß der Bedarf an schicker plusszize Mode ist. „Es sind selbstbewusste, gut aussehende Frauen, beruflich erfolgreich, mitten im Leben, die mir da begegnen“, erzählt die Designerin, gerade nicht die dicken Muttis über die Lagerfeld gelästert hatte, die mit der Chips Tüte vor dem Fernseher, die sagen dünne Models seien hässlich. Um dem Klischee von der frustrierten Dicken entgegenzuwirken, interviewt Barbara Christmann Frauen, die Role-Models für eine neues Selbstbewusstsein von xxl Figuren sein könnten, Big size Models, Geschäftsfrauen, Künstlerinnen. „Natürlich geht es nicht darum, dick sein an sich zu propagieren und natürlich kann dick sein auch ein medizinisches Problem sein“, sagt sie. Ihr geht es darum, den Frauen, die sich nicht kasteien wollen, deren Lebensfreude nicht mit einer permanent Diät in Vereinbarung zu bringen ist, zu der die schlanke Linie sie zwingen würde, zu mehr Selbstbewusstsein zu verhelfen. „Curvy ist sexy“, das ist für Barbara Christmann keine Frage.  Manch einer fällt das dünn sein leicht, für andere ist es ein ständiger Kampf, und die sollten lernen sich zu akzeptieren und ihren Körper zu lieben, so wie er ist. Für Anja Gockel ist ihre Womanize Kollektion eine spannende Herausforderung, der sie sich auch deswegen selbstbewusst stellt, weil sie schon viel für starke Kundinnen gearbeitet hat. „Bei einer Kollektion für große Größen kommt es noch viel mehr auf die Schnittführung an, das Augenmerk liegt noch stärker auf einer edlen, schönen Optik.“ sagt sie,  „manche Trends sind tatsächlich für große Größen nicht übersetzbar.“ Manche! Aber viele eben doch.

 

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Foto Anja Gockel

Keine Angst vor Trends

Betrachtet man die internationalen Schauen nach Trends, die sich auch für große Größen eignen lässt sich einiges entdecken, von Gehrock- Ideen bis zur modisch weiten Hose mit Chasuble. Und es ist auch nicht so, dass nur Magermodels über die Laufstege gehen. Gleich am ersten Tag der Mailänder Schauen präsentiert For.Me Elena Miro immer die neue Kollektion für Größen von 38 bis zur deutschen 46. For.Me ist eine Kollektion, die auch jüngere Kundinnen anspricht und alle die, die es gerne ein bisschen glamouröser haben. Tatsächlich ist es zunächst ein ungewohntes Bild, mal eine ausgewachsene Größe 40 auf dem Laufsteg zu sehen, da wippt die Brust und das Becken schwingt. Der Look für Herbst/Winter 2013/14 erinnert ein wenig an Mad Men, die amerikanische Serie aus den 60ern, die schon eine ganze Weile lang die Mode beeinflusst. Kein Wunder, damals durfte man halt nicht nur rauchen und trinken, sondern auch ein bisschen mehr essen. Nach heutigen Maßstäben wären ja auch die Göttinnen der Zeit, die Monroe, die Loren oder Liz Taylor Wuchtbrummen. Der Look: eine moderne A-Linie, die Kurven wohlwollend betonende Etuikleider und Tellerröcke. Die Länge: knieumspielend. Die Farben: Orange, Leder, Pfeffer- und Salz-Optiken, Camel, am Abend Brokat und Gold. Ein wichtiger Trend sind Mantelkleider aus kompakten Stoffen, mit Gürtel kommen Kurven zur Geltung.  Aber auch in Kollektionen von Designern, die nicht explizit Mode für große Größen anbieten, finden sich Anregungen, die für curvy Women interessant sind, etwa die Pencil Skirts, also die schmalen knielangen Röcke, die so oft gezeigt wurden. Strick von Kaschmir bis Jersey bleibt ein Trendthema und hilft großen Größen Kurven zu betonen und Bäuchlein zu kaschieren. Allude oder Missoni sind beispielhaft nur zwei – allerdings sehr hochpreisige – Beispiele. Günstig für große Größen können auch die neuen kastigen Jacken und Mäntel mit Stand sein. Auch weite Hosen im Marlene-, Pyjama- oder Männerhosen-Style, wie sie etwas bei Dolce & Gabbana gezeigt wurden, kombiniert mit fließenden Blusen und langen Blazern kleiden starke Frauen. Schmale elastische Hosen mit legeren lässigen Oberteilen sind ebenfalls ein Trend der kräftige Frauen gut kleidet.

Die Passform ist das A & O

Das Design Team von Marina Rinaldi, eine Marke die sich ebenfalls auf große Größen spezialisiert, betont, dass sich das Entwerfen einer Kollektion für curvy women gar nicht so sehr von dem einer „normalen“ Kollektion unterscheidet. Immer geht es zunächst darum Trends zu erfassen und dann die richtigen Materialien und Farben auszuwählen. Beim Entwurf einer plus Kollektion arbeitet das Team stärker mit dem Thema Proportionen. Es geht darum Komfort, und Funktionalität in Einklang mit der modischen Aussage zu bringen. Es braucht allerdings schon etwas Erfahrung mit Schnitten, weil bei großen Größen auch eine größere Auswahl an Passformen notwendig ist. Die eine Kundin hat mehr Oberweite, die andere schlanke oder kräftige Beine, Taille oder ein besonders schönes Dekolleté. Es geht immer darum Vorzüge zu betonen und Schwächen wegzuschmeicheln, da sind sich alle einig, die sich mit dem Thema professionell beschäftigen. Bei Marina Rinaldi gibt es deswegen etwa zehn verschiedene Hosenpassformen, um wirklich jeder Frau die perfekte Form für ihre Figur anbieten zu können.

Wer möchte Barbie sein?

Es tut sich was auf dem Markt für „Curvy Women“. Der Bedarf ist da und die Damen werden selbstbewusster, wollen sich nicht mehr als Mauerblümchen sehen, sondern, ganz im Gegenteil, als starke Frauen mit besonderem Sex Appeal. „Es ist absolut nicht zeitgemäß diese Frauen auszugrenzen“ findet Anja Gockel und hat wenig Verständnis für Kolleginnen oder Kollegen, die über XXL Fashion die Nase rümpfen. „Was mich wirklich berührt ist auch“, sagt sie, „wie dankbar diese Kundinnen sind, wenn man ihnen ein Angebot macht, dass nicht 08/15 ist“. Anspruchsvolle Hersteller wie auch Marina Rinaldi wollen ihren Kundinnen die gleiche große Auswahl an Mode bieten wie sie ein Größe 38 findet. „Wir verwenden jedes Material von festen, maskulinen Stoffen für Mäntel, bis zu leichtester Seide für Tops oder abendliche Anlässe“. Stickereien und Besätzen, ausdrucksvolle  Farben und Prints, dunkle oder helle alle Töne, alles ist möglich.  Die wichtigste Regel bei curvy Fashion ist die Proportionen zu respektieren. „Ganz klar“, sagt Barbara Christmann, die auch als Shopping Beraterin arbeitet, „gibt es Styles und Looks von denen kräftige Frauen besser Abstand nehmen sollten.“ Kurze Röcke seien meist unvorteilhaft, enge Hosen sind möglich, aber nur mit einem langen fließenden Oberteil, bauchfrei ist ein no go, der Mustermix sollte nicht zu wild sein. Aber gewissen Regeln gelten ja für jeden Menschen, ob dünn oder dick, groß oder klein. Nur Barbie ist makellos und passt in alles – aber wer möchte schon Barbie sein?