The Look of Berlin

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West Berlin Gedächtnis Kirche Bikini Haus

Berlin West,Gedächtniskirche und Bikini-Haus
Foto: Jordana Schramm

Wenn es den „Pariser Chic“, die „Mailänder Eleganz“ und den „New York Glamour“ gibt, dann sollte doch auch für Berlin ein Etikett zu finden sein.

Mode aus Berlin: Esther Perbandt Sommer 2015

Mode aus Berlin: Esther Perbandt Sommer 2015

Schließlich ist Berlin weltweit Anziehungspunkt für die sogenannte kreative Szene, gibt es es hier allein neun Modeschulen, in Frühjahr und Herbst die Fashion Week mit ihren diversen Veranstaltungen oder auch jährlich im Juni das „DMY – International Design Festival“.

Starstyling Mode Berlin

Mode aus Berlin: Starstyling Sommer 2015

„Radical Chic“ nannten die Macher des gleichnamigen „Zeitdokuments der Berliner Design- und Modebewegungen“ Anfang der neunziger Jahre das kreative Schaffen aus Berlin. „Radical Chic“ war ein Magazin, das zusammenfasste, was Berlins Mode- und Designerszene in den Achtzigern zu bieten hatte.

Fashion Week Berlin

Fashion Week Berlin

Eine Unzahl von Modemessen, AVE, Off-Line, Select und wie sie alle hießen, hatten versucht, an eine fast schon mythische Tradition der Berliner Mode in den 20er Jahren oder mindestens an die mit dem Mauerbau 1961 endgültig beendete Karriere der Modestadt anzuknüpfen, als die Salons etwa von Uli Richter oder schliessen mussten. Seit dem Fall der Mauer und insbesondere im letzten Jahrzehnt, haben sich die sogenannten Kreativen, unglaublich professionalisiert.

Mode aus Berlin: Hien Lie Sommer 2015

Mode aus Berlin: Hien Lie Sommer 2015
Foto: Patrick Houi

Berliner Designer, woher auch immer sie ursprünglich kommen mögen, bieten eine Vielzahl an Styles an, die nicht berlinerisch sind – wie provinziell wäre das denn? –, sondern international mithalten können. Und Berlin wird ja nicht allein durch seine Modeschaffenden zur „Style City“. Dazu kommen die vielen Möbel- und Produktdesigner, die bildenden Künstler und ein erschwingliches Kulturangebot, das jeden, der empfänglich ist, fast zwangsläufig inspirieren muss.

Fashion Week Berlin

Fashion Week Berlin

Die Berliner spielen eine Nebenrolle, wenn es um das Stilpotenzial der Stadt geht

„Radical Chic“ war das Label für eine noch etwas ungelenke Berliner Modeszene, die im Schatten der Mauer eher schrill und mitunter unbeholfen auf sich aufmerksam machte. Während die subventionierte Berliner Modemessegesellschaft Shows aus Paris – etwa Galliano oder Jean Paul Gaultier – einkaufte, war diese Berliner Mode in der Subkultur geboren, von New Wave und Punk inspiriert.

Mode aus Berlin: Steinrohner Sommer 2015

Mode aus Berlin: Steinrohner Sommer 2015

Chic im Pariser Sinne hatte sie jedenfalls nicht, hatte Berlin vielleicht nie. Vielleicht konnte er sich hier auch einfach nicht durchsetzten. Berlin ist anders und dabei doch ohne Frage eine Stadt mit Style. Der Film Cabaret, die Geschichten von Christopher Isherwood etwa erzählen davon. Marlene mit Smoking und Zylinder in den Zwanzigern, Romy Haag im Fummel und David Bowie androgyn wie ein Außerirdischer in den Siebzigern, das sind stilistische Referenzen für Berlin. Nicht die Schlechtesten, nicht unbedingt Mainstream. Es ist eher das Verruchte, Wilde, der Tanz auf dem Vulkan und die Fähigkeit, sich zu amüsieren, was Berlin auszeichnet. Dass Bowie, der den Gigolo im letzten Film der Dietrich spielte, mit Romy Haag eine Beziehung hatte, ist eine schöne Randnotiz. Alle drei sind Weltbürger, nur die Dietrich war eine geborene Berlinerin.
Die Berliner spielen eher eine Nebenrolle, wenn es um das Stilpotenzial der Stadt geht. Sicherlich sollte man aber nicht geringschätzen, dass die schnoddrigen, leicht fatalistischen und krisenerprobten Berliner und die Stadt mit ihrer Historie das Setting dafür bieten, das all jene, die querdenken, die sich von Konventionen frei machen wollen hier wohlfühlen und kreativ entfalten können. „Dann mach ich mir ’nen Schlitz ins Kleid und find das wunderbar“, sang die Berlinerin Evelyn Künneke schon 1960. Die Unabhängigkeit von Geld und vom Labelwahn, der Mut zur Improvisation macht einen Teil des Charmes des Berliner Lifestyles aus. Die Radikalität des Berliner Chic besteht, wenn man an dem Begriff festhalten möchte, in einer besonderen Freiheit der Selbstdarstellung. Sie ist ohne Frage das Thema der Zeit.

Berlin Style? Ein Gesamtpaket!

Authentizität und Individualität sind die größten Versprechen, die die Mode momentan machen kann. Und weil unser Lifestyle sich nicht nur dadurch charakterisiert, was wir anziehen, sondern auch, wie wir wohnen, was wir essen oder wie wir feiern und reisen, sollten wir den Berlin Style nicht nur als einen speziellen Look der Kleidung zu definieren versuchen. Wer von Berlin Style spricht, meint damit eigentlich ein Lebensgefühl. Ein Gesamtpaket, das aktuell aus 48-stündigen Clubnächten und Tagen und dem Tempelhofer Feld, aus Fabriketagen, vielen Flohmärkten, der Warschauer Brücke, Radfahren gegen alle Regeln, einer in zahlreiche Messen aufgespaltenen Fashion Week, einem Sommer im Freien, oder diversen Urban-Gardening-Projekten besteht. In dieser Atmosphäre und vor allem in den Clubs – in den Achtzigern der Dschungel, im neuen Jahrtausend das Berghain – sind die Dresscodes entstanden, die den Look von Berlin weltweit prägen. Deshalb war Berlin der richtige Ort für eine Messe wie die Bread & Butter, die die sogenannte Urban- oder Streetwear in den Fokus stellte, weil hier Bequemlichkeit mitunter den Style besiegt oder weil Style und Lässigkeit kein Widerspruch sind. Dass Sneakers weltweit ein nicht abebbendes Phänomen sind, hat nichts mit Berlin zu tun, aber es zeigt, dass Berlin zeitgemäß ist.
Mit seinem Lied „Barfuß oder Lackschuh“ hat Harald Juhnke – mehr Berlin geht wohl kaum – die Idee des Berlin Style unbeabsichtigt ganz gut beschrieben. Wer ihn erleben möchte, muss das Gesamtpaket Berlin mit seinen unendlichen Möglichkeiten entdecken, das kleine Designer – Atelier genauso wie den Labelstore, den Trödler und das vegane Restaurant. Viele von denen, die dazu bereit sind, behalten dann mindestens einen Koffer in Berlin, tragen ihre ganz persönliche Facette zum Geist der Stadt bei oder ihn in die Welt hinaus.

The Look of Berlin

Is there such a thing as the ‚Berlin look?‘ At the very least, there seems to be a desire to define one. If there’s such a thing as ‚Parisian chic‘, ‚Milanese elegance‘ and ‚New York glamour‘, then we must surely be able to find a similar label for Berlin. After all, Berlin is a major attraction for the international creative scene. There are nine fashion schools here, along with the international design festival ‚DMY‘ and the twice-yearly Fashion Week. On top of that come furniture and product designers, graphic artists and a range of affordable cultural events that anyone remotely sensitive can’t help but be inspired by.
Since the fall of the Wall, the so-called creatives have turned incredibly professional. Regardless of where they were born, Berlin designers offer a myriad of styles . Not Berlin ones – how provincial would that be? – but designs capable of taking their place proudly on an international stage. Designers Hien Le, Perret Schaad, Steinrohner und Julian Ziegerli, who have shown their work in Berlin, have attracted particular attention recently.
But let’s look a little further back in time. ‚Radical Chic‘ is what the founders of the then magazine of the same name called Berlin’s creative exertions. The magazine outlined what Berlin’s still somewhat awkward fashion and design scene, stridently and sometimes clumsily drawing attention to itself in the shadow of the Wall, had to offer in the eighties. This iteration of Berlin fashion was born out of subcultures and inspired by new wave and punk – definitely not chic in the Parisian sense! Berlin is something different and yet, without question, still a city with style.

The Berliners themselves play something of a supporting role when it comes to the city’s style potential

The film ‚Cabaret‘ and the novels of Christopher Isherwood encapsulate something of that style. Marlene Dietrich in top hat and tuxedo in the twenties, Romy Haag in drag and David Bowie’s alien androgyny in the seventies – these are Berlin’s stylistic references. The city is distinguished by the infamous and the wild, by the ability to live on the edge and enjoy it there.
The Berliners themselves play something of a supporting role when it comes to the city’s style potential. But they’re certainly not to be underestimated: the brash and crisis-hardened Berliners and the city with all its history offer a setting that allows anyone who wants to be creative to express themselves fully. „So I’ll cut a slit in my dress and think it’s marvellous,“ sang Berliner Evelyn Künneke as early as 1960. The courage to improvise and the independence from money and from the obsession with brands are all part of the charm of the Berlin lifestyle. It’s the exceptional freedom of self-expression on offer here that makes Berlin chic so radical, and self-expression is without a doubt today’s hottest topic. Authenticity and individuality are the greatest things that fashion can offer at the moment. And because our lifestyle isn’t just determined by what we wear, but also by where we live, what we eat, and how we party, the Berlin style can’t just be defined by a particular set of clothes. To talk about Berlin style means to talk about a specific attitude towards life. A complete package that at the moment consists of 48-hour club nights and the Tempelhofer Feld, of factory floors, flea markets, the Warschauer Bridge, cycling without paying any attention to the traffic laws, Fashion Week, spending the summer outdoors, and miscellaneous urban gardening projects. It’s in this atmosphere – and in particular in clubs such as Dschungel back in the day, and, since the turn of the millennium, Berghain – that the dress codes which shape the international look of Berlin have come from. Berlin is thus the perfect location for a trade fair like Bread & Butter, which focuses on urban and streetwear – here, style and casualness aren’t contradictions.
You can’t get much more Berlin than Harald Juhnke, and he unwittingly described the idea of Berlin style perfectly in his song ‚Barefoot or patent leather‘. If you want to experience Berlin style, you have to discover the city in all of its infinite possibilities – the little design studio as well as the big-name store, the junk dealer and the vegan restaurant. If you’re ready to do that, then there’ll always be a place for you in Berlin, and you can either contribute your own personal twist to the life of the city, or carry its spirit back out into the world.

 

Übersetzung: Thea Bradbury