Thebe Magugu – Fashionabler Aktivist

Mode, Musik, Kunst: Aus Afrika kommen viele Impulse. Der Kontinent gilt als kreative Talentschmiede. Gastdesigner der 100. Pitti Uomo – der bedeutendsten Messe für Männermode weltweit – war in diesem Jahr Thebe Magugu. Mit seiner Mode möchte der 28-jährige Südafrikaner die Welt schöner und besser machen. „Obwohl er noch so jung ist hat er Ideen, die sein Label zu einer globalen Marke machen können“, sagt Maria Grazia Chiuri, Kreativdirektorin bei Dior, über Magugu

 

 

Thebe Magugu, 27, wurde Innerhalb der Modewelt bekannt, als er 2019 den renommierten mit 300 000 Euro dotierten LVMH-Modepreis erhielt. Er ist einer von mehreren Designern aus Afrika, die gerade von sich reden machen. Der Kontinent wurde in den letzten Jahren als Quelle modischer Talente entdeckt. „Christie Brown“ von Aisha Ayensu aus Ghana, „Post Imperial“ des in Nigeria geborenen Designers Niyi Okuboyejo sind neben Thebe Magugu andere gehypte Labels. Mode aus Afrika steht hoch im Kurs. Das internationale Interesse wächst und dadurch auch das Selbstbewusstsein der afrikanischen Kreativszene. Bevor Thebe Magugu den LFMH-Preis gewann waren schon 2014 zwei afrikanische Designer, Orange Culture und Maki Oh, unter den Finalisten des LVMH Preises. Überall in Afrika, etwa Addis Ababa, Dakar oder Cape Town sind Modemessen entstanden. Die deutsche Vogue hat die Fashion Week in Lagos sogar als die „spannendste der Welt“ bezeichnet. Anna Wintour betonte 2020 bei ihre Keynote für die „Arise -The New Stars“, ein Wettbewerb afrikanischer Designerinnen unter 30 und ebenfalls in Lagos, die Bedeutung der jungen Talente des Kontinents für den globalen Fashionmarkt. Naomi Campbell, Beyoncé oder Janet Jackson tragen Mode aus Afrika. All das verändert die Wahrnehmung und macht Mode, die etwa aus Nigeria oder Kenia kommt, begehrenswert. Die Stärke der neuen Designergeneration liegt darin, dass sie weiß, was in Paris, Mailand und anderswo los ist, sich ihre Kreativität aber aus der eigenen vielfältigen Kultur und den Traditionen des Kontinents speist. Dadurch wir sie auch attraktiv für Unternehmen, die von ihrer Authentizität und und ihrem unverbrauchten Blick profitieren möchten. Das Label Karl Lagerfeld verpflichtete im April dieses Jahres den nigerianisch-österreichischen Designer Kenneth Ize für eine Limited Edition Kollektion. Der exklusive Onlineshop Mr. Porter hat gerade das Programm Small World herausgebracht, eine kuratierte Auswahl von Marken, die Handwerk, Nachhaltigkeit und lokale Projekte unterstützen. Mit dabei das Label „Post Imperial“ von Niyi Okuboyejo. Auch Thebe Magugu ist Kooperationen eingegangen, 2020 etwa mit Adidas und der Brauerei Castle Lite.
Auf der Pitti gab es schon in vergangenen Jahren Präsentationen afrikanischer Designer. Aber Thebe Magugu ist der Erste, der mit seinem Label als Gastdesigner eingeladen wird. Er gehört damit zu einer Reihe prominenter Namen wie Moschino, Valentino oder Jil Sander, die mit einem Special Event geehrt wurden. „Thebe Magugu hat uns, seit wir seine Karriere verfolgen, sofort durch die Frische seiner multikulturellen und multidisziplinären Kreativität überzeugt. Thebe kreiert Mode, die zwischen Kunst und Handwerk, Bildung und althergebrachter Techniken schwebt.“ begründet Lapo Cianchi, Communication & Special Events Director der Pitti, die Einladung.
Magugu ist in Kimberly aufgewachsen und hat in Johannesburg Modedesign studiert, seine Kleider lässt er in Südafrika produzieren. 2016 gründete er sein Label und hatte 2020 sein Debüt auf der Paris Fashion Week. Er ist ein gesellschaftspolitisch engagierter Modemacher. Zine Faculty Press heißt sein 2019 erstmals herausgebrachtes Jahrbuch südafrikanischer Jugendkultur, in dem Musikerinnen, Photographen und Aktivisten vorgestellt werden. Jede seiner Kollektionen hat ein spezifisches Thema. Bisher ging es um Apartheid, um starke Frauen in der südafrikanischen Geschichte, um Spiritualismus oder Alchemie. Seine Schauen sind gewissermaßen Lehrstücke, oft benannt nach Fächern, die an der Universität gelehrt werden. So gab es eine „Geology“-, eine „African Studies“- oder eine „Home Economics“-Kollektion“. In Magugus erster Männerkollektion „Doublethink“ für den Somer 2022 vorgestellt auf der Pitti Uomo geht es um Korruption und die Rolle von Whistleblowern. „Doublethink“, also „Doppeldenk“, ist ein Neusprech-Begriff aus dem Roman „1984“ von George Orwell. Er beschreibt den Zwang, zwei sich im Grunde ausschließenden Überzeugungen zu behaupten. Magugu will mit seiner Präsentation im Set einer Polizeistation auf die Notlage der Whistleblower in Südafrika aufmerksam machen. Statt als Helden gefeiert zu werden, die den mutigen Schritt getan haben Betrug aufzudecken, werden sie oftmals verachtet. Man hat sich in Südafrika, schreibt Magugu in einem Artikel, an die verheerenden Auswirkungen der Korruption in Politik und Wirtschaft fast gewöhnt. Jeder kennt Geschichten. Sie werden beim Abendbrot erzählt und die Lage dadurch in gewisser Weise verharmlost. Whisteblowern, die bereit sind Betrug öffentlich aufzudecken stellt Magugu also in den Mittelpunkt seiner theatralischen Inszenierung. Grundlage ist das Buch „The Whistleblowers“ der Südafrikanischen Autorin und Journalistin Mandy Wiener. Zwölf Models sitzen im Warteraum einer Polizeistation, drei weitere stehen nebenan hinter einem Verhörraumspiegel. Eine Model nach dem anderen geht in den Verhörraum und erzählt seine Geschichte der Korruption. Es ist eine konzentrierte Präsentation, gut 40 Minuten und damit lang für eine Modenschau. Sie lässt Zeit die Kleider anzuschauen. Der traditionelle Männeranzug, dazu Cowboy- und Gaucho-Styles, waren die Inspiration. Mit Cowboystiefeln und klassischen Stetsons oder Bowlern auf dem Kopf sitzen die Jungs breitbeinig auf ihren Stühlen. Die Looks spielen mit männlichen Machtsymbolik. Tunikartige Gewänder oder eine Stola sind unerwartete Accessoires. Immer wieder taucht Magugus Sisterhood Logo, zwei sitzende Schwestern, die sich an den Händen halten, auf. Mit Motiven des politischen Karikaturisten Jonathan Zapiro sind einige Teile bedruckt. Hyänen symbolisieren Politiker und ihre Kunst der Manipulation. Am Ende der Präsentation in Florenz erhält jeder Gast eine Zeitung mit Artikeln und Erläuterungen zum Thema.

 

 

Hoch konzentriert an einer Wand gelehnt hat Thebe Magugu seine theatralische Schau verfolgt, danach wird er von Journalisten und Bekannten umlagert. Er trägt eine seitlich gebundene khakifarbene Jacke und eine kurze Hose zu schwarzen Sneakern. Freundlich und aufmerksam beantwortet er, als etwas Ruhe eingekehrt ist, die Fragen in der florentinischen Julihitze vor dem Eingang zum Backstage.

Wie würden Sie ihre Präsentation beschreiben: Ist es Modetheater oder so etwas wie eine Kunstinstallation? Eine Modenschau ist es jedenfalls eher nicht.
Ich habe manchmal Probleme mit der Geschwindigkeit von Modenschauen. Meine Inspiration ist so speziell. Ich möchte die Zuschauer ansprechen, ihnen etwas aufzeigen. Es geht nicht nur um die Kleider, es geht auch um die Bekenntnisse der 15 mutigen Männer, die über die Machenschaften, die sie erlebt haben, aussagen. Das kann man nicht in eine kurze Modenschau pressen. Ich nenne es deshalb eher eine Installation.

Denken Sie, dass die Mode etwas ändern kann, politische Wirksamkeit hat?
Daran habe ich immer geglaubt. Mode kann die Gesellschaft verändern. An der High School habe ich Mode-Theorie studiert. Mode ist einflussreich und unmittelbar. Etwas passiert in der Welt und jeder kann es sofort erleben. Das spricht für die Kraft der Mode. Ich bin sicher, dass sie ein Werkzeug ist, kritische und schwierige Dinge zu thematisieren. Es ist auch wichtig konfrontativ zu sein. Meine aktuelle Männerkollektion thematisiert jetzt die Whistleblower und wie sie in Afrika behandelt werden, als Paria und Störenfriede, denen es nicht mehr möglich ist eine Arbeit zu finden.

Afrika ist im Moment im Fokus der Modewelt, sie hat den Kontinent geradezu neu „entdeckt“. Was glauben Sie, woran das liegt?
Ich höre oft, dass Afrika jetzt entdeckt wird. Die Leute merken, auf welch hohem Level die Kreativität hier ist, wie viel Talent es gibt. Ich zum Beispiel bin in einer globalisierten Welt aufgewachsen, komme aber aus der Sotho Kultur. Die Sotho sind einVolksstamm, der in Südafrika, Botswana und Lesotho lebt, mit einer eigenen Sprache und Traditionen. Ich denke, spannend ist diese Mischung aus Tradition, dem kulturellen Erbe und der Modernität, die meine Mode, die Mode der neuen Generation afrikanischer Designer, reflektiert. Es ist einfach etwas Neues.

Denken Sie, dass das Interesse an Afrika und der Mode, die von hier kommt, auch etwas mit der Black Lives Matters Bewegung zu tun hat?
Sicher. Black Lives Matters war eine gute Gelegenheit für schwarze Menschen, generell für People of Colour, darüber zu sprechen, was sie in der Modeindustrie, die immer ausgrenzend war, erleben. Black Lives Matters hat ihnen Mut gemacht, die schrecklichen Dinge öffentlich zu machen. Es gibt immer noch viel zu tun, aber es findet jetzt eine kritische Konversation über das Thema statt. Mehr als es sie jemals gab.

Wie empfinden Sie die große Aufmerksamkeit, die Sie gerade bekommen?
Ich bin dankbar dafür. Der LVMH-Preis hat viel dazu beigetragen, er hat mir Sichtbarkeit gegeben und mich aus meiner Nische herausgebracht. Leute wurden auf mich aufmerksam, die bis dahin nichts von mir wussten. Sichtbarkeit ist das Wichtigste, was ein junger Designer bekommen kann. Dover Street Market in Japan und China führen mich jetzt und verschiedene Geschäfte in Europa. Das Label Thebe Magugu ist dadurch auch in mehr Onlineshops erhältlich, etwa bei Farfech oder Matchesfashion.
Gibt es auch etwas, dass Ihnen an dem Afrika-Hype nicht gefällt?
Das kann ich so nicht sagen. Er hilft mir Beachtung zu finden, macht es mir möglich, meine Geschichten zu erzählen, einen Spot auf die Themen zu legen, die mir wichtig sind. In meiner letzten Damenkollektion ging es um weibliche Spioninnen, die mit dem Apartheidregime zusammengearbeitet haben. Was war ihr Antrieb? Das hat mich beschäftigt, darüber wollte ich sprechen. Das braucht Sichtbarkeit. Die neue Aufmerksamkeit gibt sie uns. Das ist hilfreich.

Welche Kooperationen machen für Sie Sinn? Gibt es welche, die für Sie nicht infrage kämen?
Konsumenten sind smart. Sie spüren schnell, was die Intention einer Kollaboration ist. Sie fühlen, wenn es nur darum geht Geld abzugreifen, sie merken auch, wann eine Kollaboration wirklich von Herzen kommt, wenn sie einer inneren Haltung entspricht und Sinn macht. Aber das Wichtigste ist die Intention. Worum geht es? Wobei hilft die Kollaboration? Was ist der Gedanke? Ich finde es immer interessant, wenn verschiedene Welten zusammenkommen und daraus etwas Neues entsteht.

Wie geht es für Sie weiter, haben Sie konkrete Pläne?
Ich möchte im einfach weitermachen, die Brand vergrößern. Ihre Wurzeln liegen in Südafrika, aber sie sollen sich verzweigen und in die Welt wachsen, in den Fernen Osten, nach Japan, Europa, in die USA. Ich wünsche mir, dass die Menschen in meinen Kleidern das Gefühl haben, ein Teil meines Landes zu tragen. Ich spüre wie das Interesse an Afrika wächst, da passiert gerade etwas. Viele afrikanische Länder haben eine Geschichte, die durch die Kolonisation erstickt wurde. Es geht jetzt darum unsere eigene Geschichte zu erzählen und sie neu zu schreiben.