Trend Report: Mailand liebt die Eighties

Wo es gerade nochmal so richtig schön kalt wird, ist es gar nicht abwegig, sich mit der Mode für den nächsten Winter zu beschäftigen. Vielleicht lässt sich die eine oder andere Anregung von den Schauen in New York, London, Mailand und gleich Paris ja schon in den nächsten Wochen umsetzen. Das wäre wahres Trendsettertum. Die Idee des See-Now-Buy-Now, also, dass nicht die nächste, sondern die aktuelle Saison gezeigt und gleich in den Verkauf kommt, scheint sich ja nicht wirklich durchzusetzen. Eine hübsche Idee, aber zu kompliziert in der Logistik. Außerdem sind die Schauen immer auch ein Test, was gefällt. Einige Kleider, die über den Laufsteg gehen, kommen nie im Geschäft an. Dieses Schicksal könnte die in New York gezeigte Tom Ford-Kollektion ereilen, der in New York den Startschuss in die Saison gab. Gut, dass er gerade See-Now-Buy-Now wieder abgeschafft hat. Seine Kollektion, so die einigermaßen einhellige Meinung, gehört in die Hall of Fame der größten Modekatastrophen. Der Mode-Gott hat seine Coolness verloren. Sehr schrille Farben, sehr viele Leomuster,  sehr viel Glitzer und zu viele Stirnbänder. Kurz, einfach von allem sehr viel zu viel. Vor allem von den Eighties. In diesen Tom Ford-Looks wäre es sogar in einer Provinzdisko damals schwierig gewesen, am Türsteher vorbeizukommen. Aber, das muss man Tom Ford zugutehalten, mit den Eighties liegt er nicht verkehrt, die sind für viele Designer momentan ein Thema. Zum Beispiel für Giorgio Armani, der damals und heute ein Könner des modisch Dezenten und trotzdem Eindrucksvollen ist. In seiner aktuellen Kollektion lässt er Erinnerungen an den Powerlook anklingen, der einen nicht geringen Anteil an seinem Erfolg hat. In seinen Anzügen waren Frauen gut gewappnet, um sich im Business durchzusetzen. Keine Neonfarben, sondern Greige, dieser delikate Farbton, der zwischen Grau und Beige changiert, ist typisch Armani. Er bleibt er sich bis heute treu und beweist, dass die Eighties nicht nur schrill waren.

Mensch Maschinen und Aliens

 

 

Armanis großer Gegenspieler Versace zielte deutlich mehr auf Effekte. Seine Schwester zollt ihm Tribut, indem sie sich in den Archiven bedient und Muster und Schnitte nicht kopiert, aber für das Heute adaptiert. Der wilde Karo-Mix, die kurzen Röckchen, Primärfarben und Logo T-Shirts sind ganz Versace und eben auch irgendwie Eighties. Auch bei Max Mara ist dieses modisch bislang eher als fragwürdig empfundene Jahrzehnt Ausgangspunkt der Inspiration. Der all over Leo Look hat hier überraschenderweise noch einen Glamour, der eher an die Sixties erinnert. „Bombshell Glamour“, also Sexbomben-Glamour, nennt Kreativ-Direktor Ian Griffiths das. Den verleihen der Schau ohne Frage aktuelle Supermodels wie Lara Stone und Gigi Hadid. Direkt in die 60er führt dann die Schau von Moschino. Die ewige Stilikone Jacqueline Kennedy läuft in Twinset-Variationen, geradlinig oder in A-Linie geschnittenen Kleidern, etwa in leuchtendem Fuchsia oder grellem Hellgrün, quasi als Wiedergängerin über den Laufsteg. Einige Models erscheinen mit blauer oder orangefarbener Haut, als seien sie von einem anderen Stern. Alien, Comic Figur oder Barbie- Puppe, die Moschino Schau lässt viele Interpretationen zu. Angenehmerweise nimmt sie sich nicht zu ernst und ist mit ihrem zweifellos ironischen Spiel mit weiblichen Klischees vermutlich auch ein Kommentar zu aktuellen Diskussionen.

Wenn Mode philosophisch wird

 

Miuccia Pradas Mode ist immer irgendwie ein auch Kommentar zu weiblicher Selbstbestimmung. Wer es nicht selber erkennt, dem erklärt sie es. Das Drunter und Drüber, die Lagen unterschiedlicher Stoffe und Kleider sollen Frauen schützen, die Neonfarben die Nacht erhellen, in die sich Frauen unbefangen hinaus trauen können. Die Kollektion will von den Widersprüchen moderner Frauen erzählen, von der Zerrissenheit zwischen Selbstbild und Wollen, den eigenen Erwartungen und denen, die von außen kommen. Ein gefüttertes Kleid aus schwarzem Nylon, Tüllkleider und rosa Plissee, Boleros und Westen, kantige Mäntel und High Tech Stoffe buchstabierten Pradas modische Sicht auf die komplizierte Lage ihrer Geschlechtsgenossinnen. Ein anderer Theoretiker der Mode ist Allessandro Michele bei Gucci. Im Gegensatz zu Prada erfindet er die Mode nicht jede Saison neu, sondern zeigt immer weitere Varianten seines phantasievollen Retro Looks, der ein Patchwork aller Stile und Epochen ist, diesmal, – wen wundert es – mit einem Hang zu den Eighties. Neu war das Setting, ein OP-Saal und dass einige Models exakte Kopien ihrer Köpfe mit sich herumtrugen. Der Gruselfaktor? Ziemlich hoch. Cyborgs sind das Thema der Kollektion, also Mensch-Maschinen. Die Auseinandersetzung mit Identität, der Digitalisierung, und wie sie unser Leben verändert, war Michele Alessandros Thema. In der Mode werden die Geschichten, die sich um die Kollektionen herum spinnen, immer wichtiger.  Denn, so formuliert es Miuccia Prada: “Wenn man glaubwürdig und stark ist, wen interessiert dann, was man anhat?“