Trend Report Mailand Sommer 2017 – Mehr ist nicht genug

 

 

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Gucci, Sommer 2017

Anführer des „von jedem ein bisschen“ und „das bitte mit Glitzer“ ist Alessandro Michele, Chefdesigner bei Gucci. Damit hat er die anderen Labels gewissermaßen aufgemischt. Neben Gucci sieht man nämlich schnell ärmlich aus. Und wer will das schon? Kaum eine Sandale gibt es zum Beispiel noch ohne den von Gucci zuerst präsentierten Fellbesatz. Und wer nach der letzten Gucci-Schau gedacht hatte, mehr sei nicht möglich, muss sich eines Besseren belehren lassen. Bei Gucci sind gestickte Drachen und Donald Duck, auf dem Kopf stehende Affen, glitzernde Blüten, Volants und noch mal Volants, Seide, Spitze, Rüschen im Angebot.

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Dolce & Gabbana, Sommer 2017

Ein klares Thema? Fehlanzeige! Hollywood trifft auf Punk, auf Disko, auf Rokoko, auf Chinoiserie. Auch der Anspruch, Mode für eine definierte Saison oder Garderobe für Männer oder Frauen zu machen, hat sich erledigt. In die Gucci-Anzüge – und seien sie noch so reicht geschmückt – sollen beide Geschlechter schlüpfen. Der orange Pelzmantel mit Zebra-Motiv hängt ganz in der Nähe des Sommerfähnchens. Schließlich ist immer irgendwo auf der Welt Sommer oder Winter. Das ganze macht Spaß und soll Spaß machen, lässt einen am Ende aber auch etwas ratlos zurück. Wohin soll das führen? Die Mode insgesamt wirkt wie in einem Zustand der Überhitzung, was sich auch in dem einzigen Thema andeutet, das so etwas wie den kleinen gemeinsamen Nenner vieler Schauen ausmacht: Tropenfeeling.

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Prada, Sommer 2017

 

Aufmerksamkeit bekommt, wer am lautesten ist

 

Bei Max Mara etwa, die Kollektion ist von der brasilianischen Architektin und Designerin Lina Bo Bardi inspiriert, schmückt das üppige Blattwerk des Regenwalds Kleider, deren Schnitte die strenge Geometrie ihrer Architektur spiegeln sollen. Nylon, Jersey, Overalls und Bomberjacken geben der Kollektion sportiven Charakter, der auch zwingend zum neuen modischen Durcheinander gehört. Sportleggings und Spitzenkleid? Unbedingt. Bei Prada sind es die Marabufedern, die einer ansonsten im Vergleich fast zurückhaltenden Kollektion den tropischen Touch geben. Tapetenmuster und Blümchen, Sandalen oder Pfennigabsätze, Bomberjacken, schief geknöpfte Jacken, Taillengürtel verändern die Silhouetten und unterstützen den Eindruck der Kleidercollage, die so typisch für Prada ist. Dass man diese durchaus farbenfreudige mit Federn und Glitzersteinen dekorierte Best-of-Kollektion schon als zurückhaltend empfindet, sagt etwas aus über den modischen Zustand der Zeit. Dekorativer Reichtum und das Durcheinander aller denkbaren Stile ist das Thema des Moments. Ergänzt werden die Kleider von ebenfalls reich geschmückten Accessoires. Auf den Schuhen und Taschen von Furla etwa tummeln sich exotische Tiere, Blüten und Früchte. Papageienfarben, Blau, Gelb, Rot, präsentieren sich die Slipper von Fratelli Rossetti. Paula Cademartori präsentiert ihre Schuhe auf mit Törtchen und Canapés reich gedeckten Tischen. Auch die Accessoires sind zum Anbeißen süß. Glitzer und Glamour ebenfalls im Showroom von Jimmy Choo und Casadei natürlich schmücken Blüten die fragilen Schuhkunstwerke. Einen Stilbruch wagen auch die Designer Tommaso Aquilano und Roberto Rimondi bei Fay. Military ist das Thema, aber die armeegrünen Jacken oder Hemden bekommen durch glitzernde Applikationen, Blumenmuster und etwa die Römersandalen sommerliche Leichtigkeit und den für Fay typisch femininen Look und die angesagte neue Prächtigkeit. Die Schönheit ihrer italienischen Heimat ist schon seit einigen Saisons das Thema von Dolce&Gabbana. Dabei feierten sie die italienische Mama, die Schönheit Siziliens und besticken ihre Kleider mit Postkartenmotiven. Für den nächsten Sommer ist ihre Schau dem „Tropico Italia“ gewidmet. Zur Begrüßung werden Kokosnüsse gereicht. Die Kleider wie immer eine Orgie von Stickereien, Pailletten, Spitze, Glitzer und Glamour. Auf dem Kopf der Models blinken als Kopfputz Krönchen und Blüten wie eine verfrühte Weihnachtsdekoration. Aufmerksamkeit bekommt, wer am lautesten ist – eine Erkenntnis, die nicht nur in der Mode gilt. Insofern sind diese Kollektionen ein Zeugnis unserer aufgeregten unübersichtlichen Zeiten.

 

Blau tut’s auch

 

Farblich zurückhaltender geht es bei den Kollektionen von Jil Sander und Marni zu. Hier wird minimalistischer Maximalismus präsentiert. Bei Jil Sander mit extrem breiten Schultern, Raglanärmeln und einer Reihe von Blazermänteln, die sicher nicht zufällig an die 80er erinnern, als die Designerin ihre größten Erfolge feierte. Bei Marni formen Tunnelzüge oder wie Schiffstaue wirkende Seile die dekonstruierten architektonischen Kleider. Übergroße, wie aufgeblasen wirkende aufgesetzten Taschen geben den Looks den Marni-typischen eigenwilligen Akzent. Diese konzeptionellen Kollektionen sind anspruchsvolle Versuche, dem Mehr-ist-Mehr eine modische Vision entgegenzusetzen. Neben den Schauen der ganz großen Namen zeichnet Mailand aber immer auch eine Reihe von kleineren feinen Schauen traditioneller Labels wie Cividini, Agnona oder Giada aus, die mit handwerklicher Perfektion und feinsten Qualitäten die sprichwörtliche Mailänder Eleganz bedienen. Obwohl ein globaler Big Player, gibt einem auch die „charmani“ überschriebene Armani-Kollektion das durchaus beruhigende Gefühl, dass das Leben auch ein ruhiger langsamer Fluss sein kann. Nicht nur wegen ihrer feinen Blauschattierungen. Die typischen Armani-Jacken, die raffinierten Fältelungen, Schlitze, Raffungen, Fransen sind verlässlich und wiedererkennbar Armani. Der Mann bleibt sich treu – der Merkel der Mode. Bei all der Aufgeregtheit und der mitunter schrillen Farbigkeit anderer Kollektionen hatte man sich manchmal schon ein Back-to-Black gewünscht. Blau tut’s auch.