Lanvin: Sehr pariserisch, très chic
Die zweite „Ausnahmefrau“ bewies sich bei Lanvin, das nicht nur das älteste seit 1889 bis heute existierende Couturehaus ist, sondern auch von einer Frau, nämlich Jean Lanvin, gegründet wurde. Nach Alber Elbaz verantwortet nun Bouchra Jarrar, Französin mit marokkanischen Wurzeln, die Kollektion. Elbaz’ Schauen glichen oft einer großen Party, Bouchra Jarrar ließ es ruhiger angehen, zeigte deswegen aber noch lange keine Mauerblümchenmode. Weich gegen hart, männliche im Kontrast zu weiblichen Elementen machen den Reiz ihrer Entwürfe aus. Hosen, Hemdblusenkleider, Pyjamastreifen, Blazer mit oder ohne Ärmel, Organza, Spitze, Bikerjacken und zarte Negligeekleider ergaben bei dieser Premiere ein harmonisches Gesamtbild. Sehr pariserisch, très chic. Im wahrsten Sinne des Wortes auf einer Baustelle zeigte Anthony Vaccarello, der neue Mann bei Yves Saint Laurent, seine erste Kollektion. Ort der Schau der zukünftigen Firmensitz – ehemals ein Gebäude des französischen Verteidigungsministeriums – in das das Unternehmen erst 2018 einziehen wird. Das berühmte ineinander verschränkte YSL-Logo, von seinem Vorgänger Hedi Slimane durch das Label „Saint Laurent Paris“ ersetzt, hing demonstrativ und sehr groß in Leuchtbuchstaben von einem Kran vor dem Eingang zum Gebäude. Vaccarello dreht die Zeit zurück. Während Slimane mit einem sexy Grunge-Look Furore machte, versucht der neue Mann mit einem sexy Eighties-Look zu punkten. Die Zutaten: breite Schultern, schwarzes Leder, Puffärmel, Asymmetrien, Lackleder, tiefe Dekolletés und auch mal der Blick auf die nackte Brust. Anthony Vaccarello kommt von Versus, einer Unterlinie von Versace, bei der Sexyness Pflicht, nicht Kür ist. Das sieht man seiner Kollektion an. Ob das in dieser Form zeitgemäß ist, darüber teilten sich die Meinungen. Ein nackter Busen kann politisch sein oder Kitsch, schreibt Vanessa Friedmann, Nachfolgerin von Szusy Menkes bei der New York Times. Vacarellos 80er Jahre inspiriertes „Nippelgate“ war für sie ohne Frage letzteres.
Be You
9 Tage, 94 Schauen: Balmain, Chloé, Balenciaga, Comme de Garcons, Mugler, Paco Rabanne und und und. Neben den mit Spannung erwarteten Premieren bewies Paris wieder, dass es das Zentrum der Mode mit all ihren Strömungen ist. Hier wird Mode nicht nur als ein gesellschaftliches, sondern auch ein kulturelles Phänomen erlebbar. So disparat wie unsere Zeit sind auch die Kollektionen, die sich nicht auf einen Trend festlegen lassen. Wenn Dries Van Noten in Eisblöcke gefrorene Blüten am Rande des Laufstegs auftauen lässt, ist das auch ein Symbol für die Transformation der Mode und das Auflösen scheinbar gültiger Ideale. Natürlich gibt es übergreifende Themen. Überall sind Einflüsse aus der Sportmode zu sehen, Leggings, Bomberjacken, Tunnelbündchen Jogginghosen, teilweise mit Retro-Touch. Plisseefalten wie von Issey Miyake finden sich in diversen Kollektionen, genauso wie Slogan Shirts. Und: Streifen sind ohne Frage ein vielgeliebtes Thema im nächsten Sommer. Die Festlegung auf männlich oder weiblich verschwimmt, die Idee von Eleganz verändert sich. Manche Kollektionen sind laut und plakativ, andere zurückhaltend und subtil. Haider Ackermanns traumhaft schöne Show gehörte zur letzteren Kategorie. In großen Lettern schreibt er auf Kapuzenshirts „Be You“. Darum geht es nicht nur in der Mode: Leben und leben lassen.