Trend Report Paris Sommer 2017 – Frauenpower

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Dior, Sommer 2017

Bei Dior und Lanvin verantworten nun Frauen die Entwürfe. Keine Selbstverständlichkeit – auch in der Mode, die immer noch von männlichen Couturiers dominiert wird. Zum Beispiel von Karl Lagerfeld, der seine Ideen für den Sommer 2017 in diesem Jahr in der Kulisse eines Rechenzentrums vielleicht eines Ufos vorstellte. Wie Roboter oder Aliens kostümiert jedenfalls erschienen die ersten Models. Irgendwie traut man es dem alten Mann der Mode zu, dass er selbst einmal als Alien die Geschicke von Chanel leitet. Ans Abtreten denkt er sicher nicht, sondern immer nur nach vorne. Geschickt greift er in seiner Kollektion das digitale Thema durch verschwimmende Prints auf. Basecaps geben der sehr chaneligen Kolellketion den sportiven und damit aktuellen Touch.
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Lanvin, Sommer 2017

Seit über 30 Jahren prägt Lagerfeld nun schon das Bild bei Chanel. Dem 1957 mit 52 Jahren jung verstorbenen Christian Dior gelang es in nur zehn Jahren, seinen bis heute andauernden Weltruhm zu begründen. Yves Saint Laurent übernahm seinen Posten, bevor er ein eigenes Haus gründete, später folgten Marc Bohan, Gianfranco Ferrè, John Galliano und zuletzt der Belgier Raf Simons. In der 70-jährigen Geschichte des Hauses ist nun also die Italienerin Maria Grazia Chiuri die erste Frau an der Spitze. Qualifiziert für diesen Job hat die 52-Jährige, verheiratet, Mutter einer Tochter und eines Sohnes, vor allem Dingen, dass es ihr mit ihrem langjährigen Designpartner Pierpaolo Piccioli seit 2008 gelang, das Label Valentino zu entstauben und modisch wieder relevant zu machen. Das Duo hat bewiesen, wie erfolgreich man Führungsjobs gemeinsam meistern kann. Auch wenn Chiuri nun allein der Boss ist, Teamplay wird bei einer so großen Marke wie Dior weiter wichtig sein.
Yves Saint Laurent, Sommer 2017 Sexy 80er Jahre Look Spitze, Transparent

Yves Saint Laurent, Sommer 2017

In ihrer ersten Kollektion erweist sie mit ihrer etwas eingeschrumpften Interpretation des berühmten Bar Jackets nicht nur dem Großmeister selbst Referenz, sondern auch den Kollegen, die ihm folgten. Sogar dem unehrenhaft entlassenen Galliano etwa mit dem Schriftzug „J’ADIOR“, der auf den Bündchen zarter Unterhosen unter dem Tüll langer Röcke sichtbar wird und an dessen „J’adore Dior“ erinnert. Das bedeutet soviel wie „ich verehre Dior“, und Chiuri hat sich tatsächlich ganz dem Label verschrieben. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern wird sie keine Kollektion unter ihrem Namen auf den Markt bringen. Weiße, an Fechtanzüge erinnernde Kombinationen eröffneten die Schau und erinnerten vielleicht daran, dass das Leben einer Frau mitunter dem eleganten Schlagabtausch dieses Sports gleicht. Reich bestickte Abendkleider, viel Transparenz, und zu eleganten langen Röcken kombiniert Chiuri immer wieder T-Shirts mit dem Slogan „We Should All be Feminists“. Ein Zitat aus einer Rede der international gefeierten nigerianischen Autorin Chimamanda Ngozi Adichie, die Beyoncé übrigens auch in ihrem Song ***Flawless gesampelt hat. Versammelte Frauenpower. Ein vielversprechendes Debüt, das Frauen mit Dior-Budget eine Auswahl an Kleidern für vielerlei Gelegenheiten gibt.

Lanvin: Sehr pariserisch, très chic

Die zweite „Ausnahmefrau“ bewies sich bei Lanvin, das nicht nur das älteste seit 1889 bis heute existierende Couturehaus ist, sondern auch von einer Frau, nämlich Jean Lanvin, gegründet wurde. Nach Alber Elbaz verantwortet nun Bouchra Jarrar, Französin mit marokkanischen Wurzeln, die Kollektion. Elbaz’ Schauen glichen oft einer großen Party, Bouchra Jarrar ließ es ruhiger angehen, zeigte deswegen aber noch lange keine Mauerblümchenmode. Weich gegen hart, männliche im Kontrast zu weiblichen Elementen machen den Reiz ihrer Entwürfe aus. Hosen, Hemdblusenkleider, Pyjamastreifen, Blazer mit oder ohne Ärmel, Organza, Spitze, Bikerjacken und zarte Negligeekleider ergaben bei dieser Premiere ein harmonisches Gesamtbild. Sehr pariserisch, très chic. Im wahrsten Sinne des Wortes auf einer Baustelle zeigte Anthony Vaccarello, der neue Mann bei Yves Saint Laurent, seine erste Kollektion. Ort der Schau der zukünftigen Firmensitz – ehemals ein Gebäude des französischen Verteidigungsministeriums – in das das Unternehmen erst 2018 einziehen wird. Das berühmte ineinander verschränkte YSL-Logo, von seinem Vorgänger Hedi Slimane durch das Label „Saint Laurent Paris“ ersetzt, hing demonstrativ und sehr groß in Leuchtbuchstaben von einem Kran vor dem Eingang zum Gebäude. Vaccarello dreht die Zeit zurück. Während Slimane mit einem sexy Grunge-Look Furore machte, versucht der neue Mann mit einem sexy Eighties-Look zu punkten. Die Zutaten: breite Schultern, schwarzes Leder, Puffärmel, Asymmetrien, Lackleder, tiefe Dekolletés und auch mal der Blick auf die nackte Brust. Anthony Vaccarello kommt von Versus, einer Unterlinie von Versace, bei der Sexyness Pflicht, nicht Kür ist. Das sieht man seiner Kollektion an. Ob das in dieser Form zeitgemäß ist, darüber teilten sich die Meinungen. Ein nackter Busen kann politisch sein oder Kitsch, schreibt Vanessa Friedmann, Nachfolgerin von Szusy Menkes bei der New York Times. Vacarellos 80er Jahre inspiriertes „Nippelgate“ war für sie ohne Frage letzteres.

Be You

9 Tage, 94 Schauen: Balmain, Chloé, Balenciaga, Comme de Garcons, Mugler, Paco Rabanne und und und. Neben den mit Spannung erwarteten Premieren bewies Paris wieder, dass es das Zentrum der Mode mit all ihren Strömungen ist. Hier wird Mode nicht nur als ein gesellschaftliches, sondern auch ein kulturelles Phänomen erlebbar. So disparat wie unsere Zeit sind auch die Kollektionen, die sich nicht auf einen Trend festlegen lassen. Wenn Dries Van Noten in Eisblöcke gefrorene Blüten am Rande des Laufstegs auftauen lässt, ist das auch ein Symbol für die Transformation der Mode und das Auflösen scheinbar gültiger Ideale. Natürlich gibt es übergreifende Themen. Überall sind Einflüsse aus der Sportmode zu sehen, Leggings, Bomberjacken, Tunnelbündchen Jogginghosen, teilweise mit Retro-Touch. Plisseefalten wie von Issey Miyake finden sich in diversen Kollektionen, genauso wie Slogan Shirts. Und: Streifen sind ohne Frage ein vielgeliebtes Thema im nächsten Sommer. Die Festlegung auf männlich oder weiblich verschwimmt, die Idee von Eleganz verändert sich. Manche Kollektionen sind laut und plakativ, andere zurückhaltend und subtil. Haider Ackermanns traumhaft schöne Show gehörte zur letzteren Kategorie. In großen Lettern schreibt er auf Kapuzenshirts „Be You“. Darum geht es nicht nur in der Mode: Leben und leben lassen.