Trend Report Paris Winter 2017 – Vielfalt und Persönlichkeit

Start frei! Eine Rakete bereit zum Flug in ferne Welten bildete das Zentrum der Chanel Show für den nächsten Winter. Vielleicht geht es um die modische Eroberung der gerade neu entdeckten erdähnlichen Planeten. In silbern glänzenden Jacken, Mänteln und Röcken, in grauem Strick, weit geschnittenen Hosen mit verkürzter Länge, den typischen Chanel-Jacken und funkelnden Barbarella Stiefeln, umrundeten die Models die Abschussrampe. Die aufbruchsbereiten Damen machten eine gute und trotz der glitzernden Strumpfhosen, Haarbänder und all des Schmucks sportliche Figur. Die Inszenierung ist wieder einmal gelungen und Chanel sieht aus, wie es sich für Chanel gehört. Luxuriös, erkennbar und tragbar. Die Schau gehört mit zu den letzen in Paris, die internationalen Schauen für den Winter 2017 gehen zu Ende. Es ist Zeit ein Resümee zu ziehen. Die Trends im Winter 2017? Akzentuierte Schultern zum Beispiel und damit einhergehend die 80er Jahre vom Rock Chic bis zum Powerlook als Inspirationsquelle. Außerdem ist der Rückblick in die Geschichte angesagt, um neue Modelösungen für die Zukunft zu finden und die starken Persönlichkeit moderner Frauen. Beispielhaft steht dafür etwa Valentino, der Muster und Farben des Designtrends Memphis mit einer modernisierten Variante des viktorianisches Kleides in eine gelungene Balance bringt.

 

 

Dries van Noten überarbeitete für die 100. Kollektion seine bekannt ausdrucksvollen Muster der letzten Jahre für die Gegenwart. So entstand eine kraftvolle Kollektion starker Farben und Muster, fabelhaft geschnittener Anzüge, Mäntel und Jacken – Garderobe, deren zeitlose Schönheit völlig unabhängig ist von saisonalen Trends. Fast wichtiger als die Kollektion waren allerdings die Frauen, die sie präsentierten. Dries van Noten engagierte Models, die seit 1993 seine Kleider präsentierten. Ein Wiedersehen zum Beispiel mit Nadja Auermann, Amber Valetta oder Alek Wek. Wie seine Kleider gewinnen sie mit den Jahren an Persönlichkeit.

Wer ist die „belle de Jour?

Erst ihre zweite Schau präsentierte hingegen Bouchra Jarrahas für Lanvin. Und auch bei ihr spielten die Models eine Rolle, die die Kraft der Mode fast überstrahlte. Kurz vor der Schau wurde nämlich bekannt, dass ausschließlich weiße Frauen engagiert werden sollten. Unter 43 Models waren am Ende vier dunkelhäutige Schönheiten. Nicht ausgewogen genug nach Ansicht der meisten. Die Modewelt ist politisiert wie nie. Sie versteht sich als Bastion einer multikulturellen, vielfältigen Welt, in der Frauen zusammenhalten müssen. Die Lanvin Kollektion wollte nun ein Ausdruck der Kraft und Zartheit von Frauen sein. Ein typisches Thema des Pariser Chic seit Saint Laurent, der es meisterhaft verstand, seiner Damenmode mit Ausleihen bei der Männermode eine bis dahin nicht bekannte, sehr reizvolle Strenge zu geben. Bei Lanvin unter Bouchra Jarrahas überwog die weibliche Zartheit als Ausdruck ihrer Persönlichkeit und fand ihren Höhepunkt in einem rosafarbenen Ballerinakleid. Und die Saint Laurent Show selber? Auch diesmal saß Catherine Deneuve in der ersten Reihe. Der Meister hatte für die Diva noch höchstpersönlich ihre Kostüme für den Film „Belle de Jour“, entworfen. Severine die „Schöne des Tages“ ist eine gut situierte Arztfrau, die nachmittags in einem Bordell ihre erotischen Phantasien lebt. Ein subtiler, vielschichtiger Film über sexuelle Obsessionen. Was Laurents neuester Nachfolger Anthony Vaccarello in seiner zweiten Kollektion auf den Laufsteg brachte, war dagegen nur plakativ sexy. Super-Minikleider, asymmetrische Schultern, weit hochgezogene Schlitze, breite Schultern, Metallic- und Pailletten-Effekte, schwarzes Lackleder. Er verbinde Yves Saint Laurent immer mit Party, sagt der Designer. Das erklärt vielleicht seine aktuelle Kollektion. Um in die großen Fußstapfen des Meisters zu treten, is das dann aber doch etwas wenig.

Der Trend heisst Vielfalt

Ausschließlich blau sah die neue bei Dior, Maria Grazia Chiuri. Die Parade junger Frauen in dunklem bis verwaschenem Blau, auf dem Kopf ein ledernes Barett, hatte fast etwas Militärisches. Mindestens erinnerten die weiten Hemden und Hosen an Arbeitskleidung, tatsächlich gingen auch Jeans und ein regelrechter Blaumann à la Dior über den Laufsteg. Maria Grazia Chiuri will dem Traditionslabel offensichtlich eine Frischzellenkur verschaffen. Pariser Chic im 21. Jahrhundert angekommen. Eher noch dem 20. verbunden war die letzte Chloe Schau von Claire Wright Keller. Nach sechs erfolgreichen Jahren verlässt die Designerin das Haus mit unbekanntem Ziel. Ihre hübschen, von den 60ern inspirierten Kleider hätte auch die Belle de Jour in ihrer bürgerlichen Existenz tragen können. Ob bei Alexander Mc Queen mittelalterliche Kirchen in Cornwall der Inspiration zu mystischen Gewändern dienen oder Maison Margiela mit der Silhouette der Freiheitsstatue auf dem Rücken eines Trenchcoats vielleicht den Freiheitsgedanken beschwören möchte: Der eigentliche Trend der Mode ist Vielfalt und Persönlichkeit. Noch nie waren auch so viele Frauentypen auf dem Laufsteg, junge und ältere, schlanke und sogar einige kräftigere. Viele DesignerInnen weltweit wollen mit ihrer Mode Position beziehen. Ein schönes Kleid allein genügt nicht mehr. Nur ein kluger Kopf dahinter, eine Geisteshaltung, macht Mode für starke, selbstbewusste Frauen in all ihrer Unterschiedlichkeit noch attraktiv.