Trendreport Paris Herbst Winter 2014/15

Plisse Falten Issey Miyake Paris Herbst 2014715

Foto: Issey Miyake

Paris ist ein Feuerwerk großer Namen mit Designern an der Spitze, die den Looks der alten Marken ein neues Gesicht geben, die aber Dienstleister auf Zeit sind. In dieser Saison wird das besonders spürbar, nicht nur weil Marc Jacobs nach 17 Jahren seinen Job bei Louis Vuitton aufgibt und durch Nicolas Ghesquière, davor Balenciaga, ersetzt wird. Es gibt noch viele andere Beispiele. Der Italiener Marco Zanini, gerade noch Rochas, hat nun den Auftrag, dem legendären Haus Schiaparelli neuen Geist zu verleihen. In ihrem vornehmen Haus am Place Vendôme gleich neben dem Ritz konnte man dieser Tage noch mal die Couture-Kollektion besichtigen. Die Lücke, die Zanini bei Rochas hinterlässt, füllt Alessandro Dell’Acqua. Hussein Chalayan ist bei Vionnet unter Vertrag. Yiqing Yin in China geboren, ist für Leonard verantwortlich.

Chanel Herbst 2014/15 Supermarkt, Shopping Center, Karl Lagerfeld

Foto: Chanel

Julien Dossena leistet bei Paco Rabanne Erste Hilfe – und so weiter und so weiter. Alles Namen, die in der Welt der Mode klingen, aber einer breiteren Öffentlichkeit kein Begriff mehr sind. Im besten Fall nutzen Designer ihre Zeit an der Spitze einer großen Marke, um ein eigenes Label zu etablieren, so wie es Marc Jacobs während seiner Zeit bei Louis Vuitton gelungen ist.

Nicht Frauen in Männersachen, sondern eine neu verstandene Femininität

Schiaparelli, Smoking Couture, Sandalen, Federn

Foto: Schiaparelli

In Paris inszenieren also traditionsreiche Labels mit großem Aufwand ihre Schauen. Die neuen Chefdesigner – und immer öfter auch Designerinnen – versuchen eine Brücke zu schlagen zwischen Modeträumen und dem Alltag einer modernen Frau. Das Spiel mit den Geschlechtern ist ein großes Thema. Wie sich maskuline Elemente – sie sind ja nun mal in der Regel die alltagstauglicheren – mit selbstbewusster Femininität in Einklang bringen lassen, ist ein Thema, das bei vielen Kollektionen im Mittelpunkt steht. Eindrucksvoll macht Raf Simons vor, wie der Look eines Hause wie Dior sich in nur wenigen Saisons verändert und auf die Höhe der Zeit gebracht werden kann. Strahlende Farben, klare Formen. Die Maskulinität perfekt geschnittener Mäntel aus Flanell, in Camel oder mit Nadelstreifen, und auch die der schmalen Anzüge bekommt durch strahlende Farben, Gelb, Grün, Fuchsia, eine feine Femininität. Phoebe Philo von Céline ließ sich von den Dreißigerjahren inspirieren, als Frauen begannen Hosen zu tragen. Auch für sie ging es darum, nicht Frauen in Männersachen auf den Laufsteg zu bringen, sondern um eine neu verstandene Femininität. Oversized geschnittene Hosen, lange Mäntel mit Animalprints, ein Hybrid aus Bluse und Jacke. Ohne klischeehafte Sexyness ist das Mode, die keine Angst hat, Femininität zu inszenieren. Selbst in einer Haute-Couture-Kollektion wie von Schiaparelli sind T-Shirt-Kleider zu finden, oder eine völlig neue Art von Abendanzug, wie ihn Tilda Swinton schon auf dem roten Teppich der Berlinale präsentierte. Glamour und Tragbarkeit sind kein Widerspruch.

Rosetta Getty, Pelz, rot, Layering

Foto: Rosetta Getty

In einem Supermarkt ist das Angebot naturgemäß vielfältig

Karl Lagerfeld, seit über 30 Jahren im Dienste von Chanel quasi verbeamtet, war einer der ersten, der im Auftrag eines großen Marke arbeitete. Obwohl ein alter Hase, gelingt ihm immer wieder der Blick nach vorne. Das Grande Palais verwandelte er diesmal in einen riesigen Chanel-Supermarkt. Über 500 Alltagsprodukte neu designt für Chanel, vom Chanelkeks bis zu Lait de Coco, füllten die Regale seines durchgestylten Shoppingcenters, das die Kulisse für die Schau bot. In einem Supermarkt ist das Angebot naturgemäß vielfältig und das galt auch für die Mode: Strickoveralls, XL-Pullis, taillierte Daunenmäntel und Sneakers, aber auch mit Federn besetzte Kleidchen, weite Hosen und mit Perlen bestickte Jacken flanierten durch den Chanel-Supermarkt. Diese Breite des Angebots ist charakteristisch für die Mode.

Vinyl, blau, langer Rock, Handschuhe, Jacke oversized

Foto: Rochas

Den Look der Saison gibt es nicht, nur Tendenzen, die sich vielfältig interpretieren lassen. Viel Strick, Rock Chick, Hosenröcke und Capes, eine Prise 60ies Feeling finden sich in vielen Kollektionen. Mäntel etwa die jede Frau im Winter braucht, sind weit und breit in den Schultern, haben oft große Kragen, feminin werden sie durch Gürtel, die die Taille in Szene setzen. Röcke, lang und weit oder kurz und schwingend werden mit Pullovern kombiniert, die Schuhe sind flach. So viel Bodenhaftung hat man lange nicht gesehen.

Gemacht für „Women on the go“

Was Paris aber zur Welthauptstadt der Mode macht, ist das vielfältige Geschehen in der zweiten Reihe. Wen man hier nicht alles treffen kann. Den belgischen Designer Dries Van Noten etwa in seiner wundervollen Ausstellung „Inspirations“, die ihm das Museum Les Arts Décoratifs gewidmet hat, oder die Designerin Rosetta Getty, Ehefrau des Schauspielers Balthazar Getty und Schwiegertochter der deutschen Gisela Getty, die mit ihrer Zwillingsschwester Jutta Winkelmann in den 68ern bekannt wurde, bevor sie den Multimillionär John Paul Getty III heiratete. Später ist sie Teil des Münchner Harems von Rainer Langhans. Die Frage, ob Rosetta Getty wegen des familiären Hintergrundes ihres Mannes deutsch spricht, verneint sie. „Meinem Mann gefällt das auch ganz gut, er spricht deutsch, wenn ich etwas nicht verstehen soll“. Rosetta Getty hat offensichtlich Humor und ein großes Herz. Schließlich hat sie ihrem Ehemann verziehen, dass er mit Sienna Miller inflagranti unter den Augen der Weltöffentlichkeit erwischt wurde. Zart, elegant und souverän steht sie ganz in Cremeweiß, in der „Rosetta Getty Suite“ Nummer 123, im Hotel Bristol, 112 Rue Faubourg Saint-Honoré in Paris. „Ich finde so selten die Kleider, die ich wirklich haben möchte, deswegen mache ich sie mir dann selbst. Es ist aber ziemlich viel Aufwand, deshalb produziere ich jetzt eine ganze Kollektion.“ Ihre erste unter eigenem Namen. Vier Kinder und das Leben ziemlich busy, die Rosetta-Getty-Kollektion ist für „Women on the go“ gemacht, die sich nicht dreimal am Tag umziehen können, und trotzdem immer perfekt aussehen wollen. Edelste Qualitäten, scheinbar simple Schnitte, ein verlängertes Herrenhemd etwa wird zum eleganten Kleid. Ein Uperclass-Look jenseits von Modetrends. Vieles ist handgemacht, ein Strickmantel etwa von einer Strickerin in Connecticut. „Ich hoffe bloß, dass er nicht zu oft bestellt wird. Die Dame hat gesagt, dass sie nicht sehr viele davon produzieren kann“, erzählt Rosetta Getty, aber sie ist optimistisch, „er ist so teuer, da werden ihn nicht so viele wollen.“ Einen hat sie schon für sich reserviert.

Das Ziel: Bon Marché

Noch ganz am Anfang ihre Modekarriere steht Marie-Christine Statz aus Mönchengladbach, die im Szeneviertel Marais ihre

Gauchiére

Foto: Gauchiére

Kollektion präsentiert. In New York und Paris hat sie Mode studiert, ihre Kollektion heißt Gauchère und wird schon im Bon Marché verkauft, dem traditionellen Luxuskaufhaus der feinen Pariserinnen und Pariser. „Es ist eine wahnsinnige Gratwanderung, kreativ und dabei kommerziell zu sein.“ Auf beides legen die Einkäufer solcher internationalen Departmentstores wert. Im Bon Marché angeboten zu werden, davon träumen sicher auch die Berliner Designer, die sich im Berlin Showroom zusammengefunden haben und das modische Berlin in Paris präsentieren. Paris muss sein, wenn man international bekannt werden will, da sind sich alle einig. Auch Deutschlands Modestar Joop präsentiert seine Wunderkind-Kollektion natürlich in Paris, dadaistisch, eklektizistisch. Und der Trend? Das ist sehr klein gedacht. Paris ist ein Universum der Mode!

 

Viktor und Rolf, grau Paris Herbst 2014/15 Transparenz, weiss, Strasse

Foto: Viktor&Rolf