Trendreport – Paris Sommer 2015

Gaultier Sommer 2015

Gaultier Sommer 2015
Foto: Nyima Marin

Paris ist so etwas wie der Verstärker für die Richtung, die die Mode gerade nimmt. In Sommer 2015 wird sie femininer, dekorativer, die Silhouetten sind fließend, weich, dabei aber nicht provokativ sexy. Es wird für eine Sommersaison sogar vergleichsweise wenig Haut gezeigt. Auch das ein Trend: Rücksicht auf die Jahreszeiten wird kaum noch genommen. Ob eine Kollektion für Herbst/Winter oder Frühjahr/Sommer ist, kann man ihr oft nicht ansehen. Am Ende sind die vorgeführten Kleider die Essenz einer großen Kollektion, die in den Verkauf geht. Sie präsentieren eine Idee, vielfach auf die Spitze getrieben, und später dann tragbar gemacht. Einer, der viele Jahrzehnte die Mode aufgemischt, sie mit seinen Ideen verändert hat – die Korsage für Madonna, die den Wäschelook in Mode brachte zum Beispiel –, ist vom Karussell der Mode abgesprungen: Jean Paul Gaultier. Er hat seine letzte Prêt-à-porter-Kollektion gezeigt. Nun will er sich anderen Projekten, etwa seinen Parfums und der exklusiven Haute Couture, widmen. Seinen Abschied inszenierte Gaultier als Misswahl, in der er von der „Miss Tour de France“ über „Miss Rédactrice de Mode“, „Miss Smoking“ oder der „Miss Femme de Footballeur“ verschiedene Klischees von Frauenbildern über den Laufsteg schickte und mit ihnen auch eine Revue seiner eigenen modischen Geschichte auf den Punkt brachte. Ideenmangel ist ganz offensichtlich nicht sein Grund, der Mode adieu zu sagen.

Dior Sommer 2015

Foto: Dior Sommer 2015

Zurück in die Zukunft

Der Rückblick in die Vergangenheit, die Zeitreise als Impulsgeber für das Moderne, ist wie vorher schon in Mailand auch in Paris deutlich zu sehen. Vergangene Epochen, das 18. und auch das 19. Jahrhundert, werden als modisches Archiv gesichtet und in einen modernen Kontext gesetzt. Raf Simons spielt für Dior mit Blumenmustern aus dem 18. Jahrhundert. Kniebundhosen werden bei ihm in eine Art luxuriöse Bikershorts transformiert, die mit langen Westen oder Mantelkleidern getragen werden, wie man sie auch von historischen Bildern kennt, in den eiförmigen Röcken spiegeln sich die Reifröcke des Rokoko. Die Moderne wird bei Dior – und anderen – am deutlichsten durch den Einfluss des Sports.

 

Dior Sommer 2015

Foto: Dior Sommer 2015

Der Stoff für eine Bomberjacke etwa erinnert an eine Seidentapete aus den Gemächern der Königin. Für viele der traditionellen französischen Häuser ist die eigene Geschichte, die Tradition, ein Stolperstein auf dem Weg in eine neue Ära. Bei Dior ist es beispielhaft gelungen, der Vergangenheit Flügel zu verleihen. Bei Paco Rabanne war das lange anders: Die Metallkleider und Kettenhemden, die ihn und das Label in den 60er Jahren berühmt gemacht hatten, waren im wahrsten Sinne des Wortes zur Last geworden. Dem Designer Julien Dossena gelingt es, das macht die dritte Kollektion unter seiner Regie endgültig deutlich, das Label wieder im Hier und Heute anzusiedeln. Dossena verpasst Paco Rabanne mit Bravour die aktuell gefragte Sportlichkeit und damit Leichtigkeit, ohne die Tradition des Labels aus dem Auge zu verlieren. Seine Kleider mit den kreisförmigen Ausschnitten sitzen eng wie Badeanzüge – oder auch wie der von Rabanne für Jane Fonda entworfene Catsuit in Barbarella. An die Rabanne-typischen Kettenhemden, Ringe und Scheiben erinnern noch einige Printe und eben die Auschnitte.

Die Mode spiegelt die Komplexität der Welt, die Modemacher betonen ihre Schönheit

Maison Martin Margiela Sommer 2015

Foto: Maison Martin Margiela Sommer 2015

Maison Martin Margielas Kollektion folgte der Idee, den eigenen Kleiderschrank zu durchforsten und Bewährtes, Altes und Bekanntes neu zu entdecken, neu zu kombinieren und so zu neuem Leben zu erwecken. Auch hier also die Idee, die Geschichte, diesmal die eigene, zu nutzen, um daraus die Zukunft zu gestalten. Mit Nadelstreifen und asiatisch inspirierten Blumenprints, asymmetrischen Röcken, Shorts, Schlaghosen und transparenten Tops, einem Drunter und Drüber an Westen, Kleidern und Jacken, eigenwilligen Mustern und Materialmix wird das Gefühl gelebter Mode inszeniert.

Issey Myiake Sommer 2015

Foto: Issey Myiake Sommer 2015

 

In Mode ist, das führt Paris noch einmal besonders deutlich vor, das Eklektizistische. Summa summarum spiegelt die Mode die Komplexität der Welt, in der wir leben, wobei sich die Modemacher entschlossen haben, das Schöne zu betonten. Oft spielt die Natur eine Rolle, wie etwa bei den wolkenleichten Kleidern von Issey Miyake, die auf raffinierte Art mit Hilfe von Wasserdampf dreidimensionale Strukturen bekommen, oder bei Dries van Noten, der seine Models über einen Teppich wie aus Moos laufen lässt.

Foto: Dries van Noten Sommer 2015

Dries van Noten Sommer 2015

 

Dries van Noten Sommer 2015

Foto: Dries van Noten Sommer 2015

Sanfte Bewegung war das Thema seiner von den Präraffaeliten inspirierten wunderschönen Schau. Am Körper herunterfließende Chiffonkleider, schwingende Fransen, mit denen Röcke oder Tops besetzt waren, aber auch der Mustermix machte die Schau zu einer Abfolge ineinandergreifender Bewegungen. Fast könnte man meinen, der Modemacher möchte unserem immer schnelleren Leben einen langsamen, ruhigen Fluss der Mode entgegensetzen.