CHLOE Ready to Wear Spring Summer 2016 Paris
In Paris sind die internationalen Modenschauen für den nächsten Sommer zu Ende gegangen – nach New York, London und Mailand. Überall auf der Welt arbeiten Designer und ihre Teams daran, mit ihrer Kleidung den Nerv der Zeit zu treffen: von Acne über Armani, Balmain, Burberry, Chanel, Dior, Diane von Fürstenberg bis zu Yohji Yamamoto, Zac Posen oder Zegna.
Bei aller Vielfalt: Von New York bis Paris ist eine neue Weichheit, eine feminine Verspieltheit, ein Hang zu Dekoration zu erkennen. Den New Yorker Designern gelingt es, diesem Look eine sportive Note abzugewinnen, London interpretiert viktorianisch ironisch, Mailand edel und mit einem Ausflug zum Military-Look, Paris hat von allem etwas zu bieten.
Viktorianische Keuschheit – ein Trend
Auf den Laufstegen weltweit flattern Volants, geben Spitzen Durchblicke, sind die Röcke länger und viele Schultern frei.Transparente Stoffe werden übereinandergelegt, gewähren so keinen Durchblick mehr, entwerfen dafür durch ihr Volumen eine neue Silhouette. Oversized ist ein Thema der Saison. Lange Sakkos etwa, die auch als Kleid getragen werden können, enden bei Dior sogar wie ein Faltenrock. Nach der Winterkollektion, in der sich alles um die „animalische Frau“ drehte, ist nun „Reinheit“ das Thema des Belgiers Raf Simons, der die Kollektion verantwortet.
Weiß wird da zur Lieblingsfarbe. Die Blütenblättern nachempfundenen wellenförmigen Kanten seiner Tops und Shorts verweisen darauf, dass Christian Dior die Inspiration für die Silhouetten seines New Look aus Blumen schöpfte. Viele Looks erinnern auch an viktorianische Wäsche. Kombiniert mit schwarzen strengen Blazern verlieren sie etwas von ihrer Unschuld. Endgültig Fragen werfen die engen, um den Hals gebundenen Bänder auf, doppelt gehalten durch Ketten – sogenannte Shocker.Die mädchenhafte Romantik vieler Kollektionen sollte sowieso nicht zu dem Schluss führen, dass da unbedarfte junge Dinger über den Laufsteg hüpfen. Es sind vielmehr unbeschwerte Frauen, die sich ihrer Weiblichkeit und Attraktivität selbstbewusst bewusst sind – bei Saint Laurent mit einer Neigung zum Rock-Chic. Claire Wright Kellers Chloé-Kollektion ist ein typischeres Beispiel für den French-Style der Saison.
Immer wichtiger: Bilder für das world wide web
Sommerliche Spitzenkleider mit 70ies-Appeal machen genauso gute Laune wie ein langer schwingender Rock mit Streublümchenmuster, zu dem ein sportiver Sweater mit Reißverschluss kombiniert wird. Die seidenen, zart pastellfarben gestreiften Pumphosen sind, kombiniert mit den schulterfreien Strickpullis mit Bauchtasche, sofort alltags- und unbedingt urlaubstauglich. Dazu passt das Chanel-Motto „Airline“. Reisen oder die Sehnsucht nach Ferne sind in vielen Kollektionen für den nächsten Sommer ein Thema. Lagerfeld inszeniert es cool, stromlinienförmig in der Kulisse eines Airports. Lange weite Röcke, Ethno-Motive nur in der Abstraktion. Kein Stewardessenlook, sondern praktikable Outifts für die elegante Reisende. Gleich ein ganzes Jahr unterwegs? Für die Céline-Designerin Phoebe Philo war diese Idee Ausgangspunkt ihrer Kollektion. Wohlfühlkleider für jede Gelegenheit, lautet ihr Motto: Spitzenhängerchen, weite Hosen, schwingende Röcke, taillierte Mäntel sind ihr Angebot. Phoebe Philo wird von Frauen als Frauenversteherin geliebt.
Frauen Versteigerinnen und Versteher
Aber auch Alber Elbaz gilt als einer, der weiß, was Frauen sich wirklich wünschen. Seine Schau beginnt harmlos mit einer Reihe schwarz-weißer Outfits, etwa eine hochgeschnittene schwarze Hose, zu der eine weiße Bluse mit scharfem Kragen und weiten Armen kombiniert ist – sozusagen Arbeitskleidung –, und endet mit einer Parade von Cocktailkleidern, die Alber Elbaz‘ modischen Sinn für Humor beweisen. Viele Stoffe sind mit den Accessoires bedruckt, die den Modedesignern am verlässlichsten Umsatz sichern: Taschen und Schuhe. Alber Elbaz‘ Schau war im wahrsten Sinne des Wortes wie eine Varietéschau in verschiedenen Akten inszeniert. Ein wenig old fashioned und nicht darauf aus, Bilder für Instagram zu produzieren. Für viele Designer wird aber genau das immer wichtiger. Dries Van Noten gelingt der perfekte Instagram-Moment, wenn er seine Models am Ende der Schau ganze drei Minuten abwechselnd, jeweils in eine andere Richtung schauend, stehen bleiben lässt. Van Notens Kennzeichen sind der Reichtum seiner Stoffe, ihrer Farben, Dekorationen und seiner Fähigkeit, Unterschiedliches zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen. Der Hollywood-Glamour der der 30er und 40er Jahre scheint eine der Inspirationsquellen für seine Gewänder gewesen zu sein. Gold, Kupfer, Pink, Türkisblau, Violett oder Wassermelone sind die Farben für seine Kleider, die übergroßen Blazer und Mäntel, mit den breiten Schultern oder die weiten Hosen im Marlene-Schnitt. Am Ende sind es die Kombination der Farben und Muster, an Nelken erinnernde Blüten oder flügelgleiche Schwingen, die Dries Van Noten so besonders machen. Auch diese Kollektion ist ein Beispiel für die neue modische Romantik. Für weniger subtile, dafür aber für den roten Hollywood-Teppich geeignete Roben ist Elie Saab bekannt. Er engagierte Kendall Jenner und Gigi Hadid für seine Schau. Das garantiert Aufmerksamkeit im world wide web und auch im jungen Hollywood. Für seine Verhältnisse war die Schau geradezu alltagstauglich. Hosenanzüge, Blazer, Spitzenhosen zu Seidenblazern und flachen (!) Schuhen, sogar Bomberjacken gehen über den Laufsteg. Paris wäre nicht Paris, wenn es nicht noch viel mehr zu bieten hätte. Der junge Designer für Issey Miyake, Yoshiyuki Miyamae, experimentiert mit den typischen Plisseefalten, für die das Label berühmt wurde, und „bäckt“ sich nun welche. Seine farbenfrohe Kollektion beschwingte nicht zuletzt durch die sommerlichen Looks in Kontrastfarben mit den Fransen, die so optimistisch beim Laufen wippen. Romantisch, gepaart mit einem Tick Sportivität also sieht die Mode den Sommer 2016. Die Farben? Wie aus dem Aquarellkasten. Fast zu schön, um wahr zu sein.
ELIE SAAB/ISSEY MIYAKE Ready to Wear Spring Summer 2016 Paris