Trendreport Paris Winter 2015/16 – Der Mix macht´s

Kenzo H/W 2015/15

Foto: Kenzo H/W 2015/15

Je wärmer es wurde, umso mehr legten die Modeschaffenden am Rande der Laufstege eine Schicht nach der anderen ihrer noch auf kühle Temperaturen eingestellten Garderobe ab. Gut angezogen bedeutet schließlich immer auch, passend zum Anlass und zum Wetter. Die Kenzo-Kollektion ist ein gutes Beispiel für den Lagenlook, den viele Designer für den Winter 2015/16 favorisieren. Eine schützende Hülle gegen die Natur sollen die übereinander geschichteten Kleider bei Kenzo sein.

 Dries Van Noten H/W 2015/16

Foto: Dries Van Noten H/W 2015/16

Die Idee der Funktionskleidung in einer modischen Vision. Für echte Abenteurer allerdings wohl eher keine Option. Zu den Schauen, die mit besonderer Spannung erwartet werden, weil sie entweder immer originell, in der Regel trendsetzend oder mindestens trendbestätigend sind, gehört die von von Dries Van Noten. Sein Stoffreichtum und seine fabelhafte Fähigkeit zum Mix der Stile lässt das Modeherz höher schlagen. Wie er Sweatshirt mit Seide kombiniert oder Brokat mit Stepp, Blumenmuster untereinander und mit Streifen, das macht ihm keiner nach. Etwas noch nicht Gesehenes gibt es wohl nicht mehr in der Mode. Umso moderner und beeindruckender ist, wie Dries Van Noten schon Gesehenes durch die Art, wie er es zusammenstellt, völlig neu aussehen lässt. Zu einer fast militärisch strengen Kombination aus khakifarbenem Hemd und weiter Hose gesellt Van Noten etwa einen reich bestickten Überrock. Ein Bouquet aus Blumen und Federn dient als Halsschmuck. „Grounded Glamour“ lautete sein Motto, geerdeter Glamour also. Das Gold, Brokat, die Pailletten brachten den Glamour, das Leinen, die Baumwolle oder Röcke und Hosen zum Beispiel im Safaristil die Erdung.

 Wunderkind H/W 2015/16

Foto: Wunderkind H/W 2015/16

„Femme animale“ statt „femme fleur“

Auch mit Spannung erwartet war das Comeback von John Galliano bei Margiela. Es gelang unter anderem mit Humor: Ein Model etwa klemmte seine Handtasche unter den Arm, als ob sie das Kostbarste wäre, was es hätte. Das durfte gerne als Anspielung auf das Gerangel und Gedrängel um die jeweilige It-Bag der Saison angesehen werden. Unübersehbar hatten es Galliano die 60er angetan. Lange schmale Mäntel, kurze Kleider in A-Linie, Knickerbockerhosen, Miniröcke … Insgesamt war die Kollektion – mal abgesehen von Make-up und Haaren – weniger theatralisch als von Galliano gewohnt, aber mehr als von Margiela bekannt. Die Modewelt freute sich jedenfalls einen Provokateur wiederzuhaben. Der Skandal ist vergessen. Der Sünder hat bereut und ist wieder in die Familie aufgenommen. 60er-Jahre-Referenzen waren auch bei Dior deutlich spürbar. Die „femme fleur“, bislang das Thema von Raf Simons, wurde diesmal durch die „femme animale“ verdrängt. Auch sie ist nämlich eine Facette der Dior-Frau. Statt keuscher, blumenhafter Schönheit geht es bei Dior im Winter 2015/16 explizit um Erotik und Sexyness. Die glänzenden Vinyl-Overknees, die er aus seiner Couture-Kollektion übernahm, machen das unübersehbar, genauso wie die abstrakten Animalmuster. Damit bleibt Simons übrigens auch der Tradition des Hauses treu: Dior selbst zeigte 1947 ein verfremdetes Animalmuster, nämlich die Abstraktion eines Leopardenfells. Kleider in A-Linie und in Mini-Länge, doppelt geknöpfte Hosenanzüge und vor allen Dingen die schmalen, schön fallenden Mäntel überzeugten. Er wollte ein „befreiteres, düstereres und sexuelleres“ Bild zeichnen, sagte Raf Simons im Vorfeld. Sorgen, die Dior-Schau sei nicht jugendfrei, musste sich aber trotzdem niemand machen. Dunkel waren auch viele der Glamourroben von Elie Saab, dessen Kleider ja mit dem roten Teppich oft noch einen zweiten Laufsteg finden. Passend zum aktuellen Film „Into the Woods“ – bei der Oscarverleihung leer ausgegangen – stand die Elie-Saab-Schau unter dem Motto „The Way of the Woods“. Film und Kollektion berichten von der Faszination des Waldes und erzählen ein Märchen. Elie Saab präsentiert klassisch schöne Kleider, auf denen immer wieder Blattmotive aus Spitze oder in Form von Applikationen auftauchen. Blattfarbener Pelz, blattfarbener Chiffon tun das Übrige, um das Thema zu bespielen.

Ein bisschen Hippie geht immer

Wolfgang Joop schloss sich mit seiner Wunderkind-Kollektion dem Trend zum wilden Mustermix an. Sein Bohemienlook soll Exzess und Gelassenheit in einer sich verändernden Welt zum Ausdruck bringen. Hedi Slimane, der Saint Laurent Paris von Los Angeles aus leitet, zeigte wieder mal seinen Rockgroupie-Chic. Bad girls waren sein Thema mit zerissenen Strümpfen und sehr kurzen Kleiden. Karl Lagerfeld gelang es, für Chanel eigentlich jeden Trend der letzten Jahrzehnte zu bedienen. In der Kulisse einer französischen Brasserie, genannt „Gabrielle“, so hieß Chanel ja – wenn sie auch unter Coco bekannter ist –, zeigte er karierte Kostüme, Pencil Skirts mit Strickpullovern kombiniert, Faltenröcke, Mäntel in Midi-Länge, Hemdblusenkleider, Schluppenblusen und breite Haarbänder. Wenig gewagt, aber très chic. Fazit!? Viele Trends aus Mailand fanden sich auch in Paris wieder. Da das modische Rad nicht neu erfunden werden kann, suchen die Designer nach neuen Proportionen und Zusammenstellungen von Farben und Mustern. Mal fließen die Kleider über den Körper, mal scheinen sie ihn wie ein Rüstung abzuschirmen. Culottes, also Kniebundhosen, überlange Mäntel, mal voluminös, mal schmal und clean geschnitten, lange Westen und Tunikamäntel, Oberteile in XXL-Größe, gerne kombiniert zu weiten Röcken und Hosen, gehören zur modischen Garderobe im nächsten Herbst. Übrigens, noch ein ganz aktueller Tipp: Wer die Straßen von Paris als Laufsteg betrachtet, wird feststellen: Überlange Hosen mit Schlag und ein weiter Hut sind die Must-haves der Fashionistas. Ein bisschen Hippie geht immer.