Wohnen – Es werde Licht!

Wenn uns im Sommer ein durch das Fenster fallender Sonnenstrahl in den Augen kitzelt und weckt, macht das Aufstehen so viel weniger Mühe als jetzt, wo man an manchen Tagen meint, es würde niemals richtig hell. Wer andauernde Dunkelheit ohne Trübsal übersteht, braucht schon ein ziemlich sonniges Gemüt. Und dass ein Sonnenbad der Seele guttut, wird wohl niemand bestreiten. Wann die Sonne auf- und untergeht können wir nun nicht selber bestimmen, die Lichtstimmung im eigenen Zuhause allerdings schon. Und dabei geht es nicht nur darum, einen Raum einfach auszuleuchten, also hell zu machen, sondern ihn stimmungsvoll in Szene zu setzen. Auch Lichtfarbe und Intensität beeinflussen nämlich unser Wohlbefinden. Blaues Licht zum Beispiel verringert den Melantoninspiegel und hält deshalb munter. Der Basler Chronobiologe Professor Christian Cajochen vergleicht es mit einem Espresso.“ Der belebende Effekt ist manchmal genau richtig, aber eben nicht immer. Smarte Beleuchtungssysteme passen die Lichtverhältnisse deshalb automatisch der Tageszeit an. Sie lassen die Sonne am Morgen gewissermaßen auf- und am Abend langsam untergehen – natürlich ohne uns dann ganz im Dunklen sitzen zu lassen.

Wie gelingen im eigenen Heim atmosphärische Lichtstimmungen?

 

Innenarchitekten empfehlen, in größeren Räumen fünf bis sieben unterschiedliche Lichtquellen einzurichten. Decken- oder Wandleuchten sorgen für eine Grundbeleuchtung, Tisch- und Stehlampen akzentuieren Bereiche mit Licht und Schatten. Spots setzen Akzente. Besonders praktisch ist es, wenn sich das Licht per Fernbedienung steuern und dimmen lässt. Kleine Tischlampen, die ohne viel Aufwand mal ins Regal mal auf ein Sideboard gestellt werden können, sind gerade sehr gefragt. Die kleinen Lichtquellen, mal diffus mal ausgerichtet, sind im wahrsten Sinne Stimmungsmacher. Sie schaffen Atmosphäre. Claudia Ruhsek, Inhaberin von Ruby, einem Geschäft, das für hochklassiges Wohndesign steht, empfiehlt ihren Kundinnen als Grundregel, dass ein Raum drei atmosphärische Leuchten braucht, um ausreichend inszeniert zu sein. „Dies können Pendelleuchten, Tisch- oder Bodenleuchten sein – je nach räumlichen Gegebenheiten.“

Bei der Planung für das eigene Heim gilt es also zu bedenken, welchen Zweck genau die neue Lampe zu erfüllen hat. Soll sie ausschließlich dekorativ sein, eine bestimmte Stimmung verbreiten, ist sie zum Lesen gedacht oder eher dazu, ein schönes Detail der Architektur oder ein Bild zu betonen?

Thorsten Kußmack ist Architekt und hat sich auf Lichtplanung spezialisiert. Leider, so seine Erfahrung, wenden sich gerade privaten Kunden oft erst an ihn, wenn der Trockenbau fertig ist und die Decke gerade fein verspachtelt wurde. Das bedeutet, dass die Auslässe für Leuchten festgelegt sind und manchmal auch schlicht vergessen wurden. Wenn Auslässe da sind, neigen Elektriker dazu, sie genau in der Mitte zu platzieren. Das ist alte Gewohnheit, wenig originell und auch über dem Esstisch nicht immer optimal. Wer also in eine neue Wohnung zieht oder sogar ein Haus baut, sollte die Lichtplanung von Anfang an mit im Auge haben. Wo soll es hell sein? Wo eher gemütlich schummerig? Steht der Sessel in der dunklen Ecke hinten oder am Fenster? Wo wird das Kunstwerk hängen, das mit einem Spot in Szene gesetzt werden soll? Wer darüber rechtzeitig nachdenkt, spart Kosten und macht Kompromisse unnötig. „Man kann natürlich immer versuchen, aus der Not eine Tugend zu machen“, sagt Thorsten Kußmack, „und Kabel etwa bewusst sichtbar verlegen.“ Eine Lösung findet sich, davon ist er überzeugt, aber eben nicht unbedingt die allerschönste. Schienenlösungen können zum Beispiel helfen, Licht an Decken zu bringen, die nur einen Auslass haben. Die Schienen sollten dann aber Teil eines ästhetischen Konzepts sein. Gerade Betondecken, bei denen sich Auslässe nachträglich nur sehr aufwändig machen lassen, bieten sich dafür an.
Ein Tipp vom Lichtplaner generell ist, öfter über Wandleuchten nachzudenken. „Sie werden unterschätzt“, findet Thorsten Kußmack, „dabei geben sie ein atmosphärisch schönes Licht in mittlerer Höhe. „Leider“, bedauert der Lichtplaner, „sehen Elektroplaner selten Auslässe für Wandleuchten vor.“ Sinnvoll findet Kußmack, eine Nachtbeleuchtung auf dem Weg ins und im Badezimmer einzurichten. Oft fällt das Einschlafen einfach schwer, weil das Bad zu hell beleuchtet ist und der Schlafrhythmus durch den Toilettengang durcheinanderkommt. Auch Kinder schlafen oft deswegen schlecht wieder ein, einfach weil es zwischendurch zu hell war. 

Welches Leuchtmittels in welche Lampe gehört, ist eine Wissenschaft für sich.

 

 

Die LichtexpertInnen konstatierten, dass sich LED-Leuchtmittel flächendeckend durchgesetzt haben. Das LED-Leuchtmittel sollte für private Räume eine warme Lichtfarbe von 2700 Kelvin haben. Und vor Ort muss geklärt werden, ob die LED- Leuchte gedimmt werden kann. „Wenn im Altbau nur 3-adrige Kabel verbaut sind, ist es oft nicht möglich, LEDs zu dimmen“, so die schon häufiger gemachte Erfahrung von Claudia Ruhsek. Besonders gelungen findet sie die LED-Leuchten „Noctambule“ von Konstantin Grcic und „Arrangements“ vom Designer Michael Anastassiades für Flos. Neben den LED-Leuchten gibt es aber auch noch den Trend zu Vintage Leuchten mit warmer Anmutung. Beispiele wären da die Leuchte Fun von Verner Panton für Verpan oder die Moragas Leuchte von 1957, die Antoni de Moragas für Santa & Cole entworfen hat. Zeitgenössisch retro ist etwa die Lampe Hashira von Norm Architekts für den Hersteller Menu.

Fazit: Die Auswahl der Leuchten für eine Wohnung rundet die Einrichtung ab, sie ergänzt das andere Mobiliar. Unterschieden wird zwischen architektonischem Licht für die Grundbeleuchtung, das sich am besten zurücknimmt, wenn möglich bleibt die Lichtquelle sogar unsichtbar. Die dekorativen Leuchten setzen Akzente und sorgen für Atmosphäre. Und da ist die Auswahl riesengroß und für jeden Einrichtungsstil etwas zu finden. Trends!? Handwerklichkeit ist ein Thema. Lampen aus mundgeblasenem Glas oder Keramikfüße geben minimalistischen Einrichtungen etwas Wärme oder vervollkommnen kuschliges Hygge Ambiente. Die Glasvase Madre von Andrea Anastasio für Foscarini ist ein Beispiel für eine atmosphärische Leuchte, die mit ihrem in der Mitte offenen Leuchtkörper schon fast eine Skulptur ist. In einer Höhlung auf der Oberseite der Lampe lassen sich sogar noch ein paar Zweige dekorieren. Der Keramikfuß der Lampen der Sicilia-Kollektion von Sarah Lavoine ist ein anderes Beispiel für Handwerklichkeit. Er wird in Frankreich in Zusammenarbeit mit dem Haus Jars handgefertigt, bemalt und emailliert. Gerade besonders trendy sind noch Pendelleuchten im Lagenlook, also mit zwei Schirmen aus unterschiedlichen Materialien oder Farben. Grün- und Blautöne, Meeresfarben, werden aktuell für Lampen gerne verwendet und die können aus Kunststoff, Glas oder auch Metall sein. Immer noch sehr gefragt sind außerdem Leuchten, die das Leuchtmittel selbst in den Vordergrund stellen. Stichwort: Loft-Wohnen. Wer sich also erstmal – möglichst frühzeitig – darüber klar geworden ist, wie und wo das eigene Zuhause erhellt werden soll, wird bei der Suche nach den richtigen Lampen die schöne Qual der Wahl haben. Das Angebot von retro bis modernistisch ist in allen Preislagen riesig. Wer sich privat vom Experten beraten lassen möchte, muss mit ca. 70 Euro die Stunde rechnen. Bei Bauvorhaben richtet sich die Bezahlung für den Lichtplaner, genau wie die der Architekten, nach der Höhe der Bausumme und wird nach Honorarordnung abgerechnet. 

Für den großen Architekten Le Corbusier war es schon 1923 keine Frage: „Ein Haus ist nur bewohnbar, wenn es voller Licht und Luft ist“. Der Meisterarchitekt war ein anspruchsvoller Mann und sicher ein wenig verwöhnt. Aber wo er Recht hat, hat er Recht: Das Licht bestimmt unsere Stimmung. 

Aufmacher Foto: Vite Foscarini