Zeit-Anlagen

Vom Vater an den Sohn – der junge Herr trägt den Scheitel so adrett wie der Papa, das elegante Ambiente suggeriert Tradition, Bildung, Geschmack und finanzielle Sorglosigkeit.

Jaeger le coultureMaster Grande Tradition Tourbillon Cylindrique

Foto: Jaeger le coultureMaster Grande Tradition Tourbillon Cylindrique

Die Uhr, um die es in dieser Werbung geht, wird einmal der Junior tragen, daran lassen Bild und Text keinen Zweifel. Bei einer edlen Uhr geht es eben um mehr als nur darum, einen Zeitmesser für den Arm zu kaufen.

Rolex Submariner

Foto: Rolex Submariner

Zumindest im Luxusgenre der hohen Uhrmacherkunst ist die noble Uhr ein Statussymbol, ein Ausdruck von Kultiviertheit und vielleicht auch eine Geldanlage? Lutz Reuer ist regelmäßig auf der Basel World zu treffen. Der Juwelier und Uhrenhändler mit internationalen Kontakten schätzt die Messe nicht nur wegen ihre Größe, „sie ist auch die Schönte, Es ist immer wieder beeindruckend mit welchem Aufwand sich die Unternehmen hier präsentieren.“

Rolex Daytona 1963 "Paul Newman Uhr"

Foto: Rolex Daytona 1963 „Paul-Newman-Uhr“

Die Basel World ist für Lutz Reuer unverzichtbar, um sich zu informieren, Kollegen zu treffen und vielleicht auch das eine oder andere Geschäft anzubahnen. Er verkauft hochkarätige Juwelen – immer mehr gut verdienende Frauen tun das übrigens für sich selbst, so die Erfahrung –, und auch edle Uhren aus kleinen feinen Manufakturen. H. Moser & Cie. oder Ulysse aus der Schweiz etwa, von Moritz Grossmann aus Glashütte oder Pequignet aus Frankreich, um nur einige zu nennen. Auch Rolexuhren, fast schon so etwas wie Luxus für die Masse, gibt es bei Lutz Reuer, allerdings nur Vintage-Modelle. Die Preise für Luxusuhren sind in den letzten Jahren ständig gestiegen.

 

So kostete die Submariner, eine Taucheruhr von Rolex, vor zehn Jahren etwa 3000 Euro, heute muss man für eine neues Model 6850 Euro auf den Tisch legen. Manche Uhren darf nur der ausgewiesene Liebhaber kaufen Also, Uhren als Geldanlage? Lutz Reuer zögert, ein feines Lächeln umspielt seinen Mund: „Sie werden sicher kein Geld verlieren. Für eine gut erhaltene Uhr bekommen sie auch nach zehn Jahren mindestens noch das, was sie bezahlt haben“. Kein Geld verlieren bedeutet noch nicht, Geld zu gewinnen. Die Uhr als Anlageobjekt wäre also wohl doch etwas übertrieben.

Ausnahmen bestätigen die Regel, die sogenannte „Paul-Newman-Uhr“, eine Rolex Daytona, die der Star 1969 im Film „Winning“ trug, ist so eine. Besondere Kennzeichen: Ein Gehäuse aus Stahl und zusätzlich ein besonders seltenes Zifferblatt. Während das normale Daytona-Zifferblatt schwarz ist und silbern abgesetzte Totalisatoren, also Unterzifferblätter, für die Stoppuhr hat, ist das Paul-Newman-Modell schwarz-weiß oder weiß-schwarz abgesetzt. Das lässt sich der Kenner schon etwas kosten. 2009 schätzte Sotheby’s dieses Modell noch auf etwa 50.000 bis 70.000 Schweizer Franken. Heute liegt der geschätzte Wert bereits zwischen 60.000 und 80.000 Franken. In den Sechzigern hat die Uhr etwa 1800 Franken gekostet. Die teuerste jemals versteigerte Uhr ist eine Patek Philippe von 1943 mit Mondphase, sie brachte 2011 6.259.000 Schweizer Franken. Überhaupt ist Patek Philippe in Sachen Wertsteigerung und Werterhalt unschlagbar, man muss sich den Besitz dieser Uhren aber gewissermassen erarbeiten. Wer nicht als Uhrenliebhaber und Sammler bekannt ist, bekommt keine Gelegenheit eines der komplizierten Modelle, die nur in sehr geringer Stückzahl hergestellt werden, zu erwerben. Die luxuriösen Uhren sollen nämlich nicht zu Spekulationszwecken gekauft werden. Trotz der hohen Preise gibt es immer mehr Interessenten als Uhren, die zum Beispiel bis zu 12 Komplikationen, also Zusatzfunktionen haben oder deren Jahreskalenders aus mehr als 300 Einzelteilen besteht.

IWC Uhr Luxus Aquatimer

Foto: IWC Aquatimer

Was macht eine Vintage-Uhr wertvoll?

Auch begehrt sind, gerade vom immens wachsenden asiatischen – speziell dem chinesischen – Markt, originalverpackte, nicht getragene Vintage-Uhren vom Edelhersteller. Vintage ist eine Uhr übrigens immer dann, wenn sie in dieser Form nicht mehr hergestellt wird. Das betrifft eine Uhr von 1950, ein Modell von 2005 aber auch, wenn die Serie ausgelaufen ist.

Nomos Orion Uhren Wertanlage

Foto: Nomos Orion

Die Rolex Sea-Dweller etwa wird jetzt nur noch mit einer 44mm Lünette hergestellt, bis 2011 war sie noch 40mm groß. Alle Sea-Dweller-Modelle bis 2011 können sich also mit Recht Vintage nennen. Wer bei seiner Uhr mindestens den Wert erhalten will, muss zwingend Kaufbelege, Papiere und die Box, in der sie erworben wurde, beieinander halten. Auch bei einer Uhr kann Provenienzforschung betrieben werden. Wertvoll kann eine Vintage-Uhr nur sein, wenn sie nicht „kaputt-repariert“ wurde. Es gibt nämlich unseriöse Händler, die aus drei alten nicht funktionstüchtigen Uhren eine neue basteln. Wenn die auch funktionieren mag, für den Kenner ist sie keine Option. Werknummer und Gehäusenummer müssen zueinander passen (was nicht bedeutet, dass sie identisch sind), die Zeiger müssen original sein, was sich zum Beispiel daran zeigt, dass sie zueinander passen und farblich harmonieren. Auch die falsche Leuchtmasse ist ein Ausschlusskriterium, aber nicht unüblich. Bis in die 60er Jahre wurde noch Radium verwendet, um die Uhr zum Leuchten zu bringen, bis Mitte der 90er Jahre Tritium, heute meist Superluminova. Eine Uhr aus den 60er Jahren mit Zeigern, die dank Superluminova leuchten, sollte einen also vom Kauf abhalten. Keine gute Idee ist es übrigens auch, etwas an seiner Uhr zu verändern, jedenfalls, wenn man Wiederverkauf nicht ausschließt. Luxusuhren schwarz mattieren zu lassen ist zum Beispiel gerade ein bisschen schick. Für Lutz Reuer ein Trend, dem er nicht unbedingt folgen würde. Abgesehen davon, dass er neureich wirkt, jede Gewährleistung geht sofort verloren, und als Sammlerobjekt ist die Uhr aus dem Rennen. Würde man eine geschwärzte Rolex mit Reparaturbedarf ans Werk schicken, sie käme unangerührt zurück, quasi verstoßen aus der Rolexfamilie.

Apropos Sammeln: Wer einmal begonnen hat, sich für eine schöne Uhr zu interessieren, läuft Gefahr, mehr zu wollen. Zuerst eine Stahluhr, dann fehlt noch eine goldene für den Abend, und schon möchte vor allen Dingen Mann eine bestimmte Serie vollständig haben. Die meisten sammeln nur eine Marke, wer richtig infiziert ist, vergrößert aber das Portfolio fast zwangsläufig. Es gibt schließlich immer noch eine Uhr, die hat, was einer anderen fehlt: Der Glasboden, die ewige Uhr, das originale Armband, die Weltzeit … Kostbare Uhren sind Sammlerstücke und besondere Geschenke „Zum Abitur oder zu runden Geburtstagen werden schon immer gerne Uhren verschenkt. Ein Trend sind zur Zeit Uhren aus dem Geburtsjahr des Beschenkten“, sagt Lutz Reuer.

Wer nur die Zeit lesen will, kann auch auf das Handy schauen

Meist sind Uhren noch Männersache, mit viel mehr darf sich der elegante Mann ja auch nicht schmücken. Die Damen beginnen sich erst langsam auch für Uhren zu interessieren. Die ursprünglich für sie gedachten kleinen Modelle lassen sie aber links liegen. Das führt so weit, dass eine elegante, feine und kleine goldene Uhr aus den 60ern heute preiswerter sein kann als eine große Stahluhr. Die kleine Damenuhr könnte sich also durchaus zum Spekulationsobjekt eignen, Trends drehen sich schließlich – diese Aussage bleibt bitte ohne Gewähr. Der Trend zur großen Uhr, der in den letzten Jahren zu beobachten war, sagt Lutz Reuer, ebbe übrigens schon wieder ab. Bei 40mm pendeln sich die neuen Modelle ein.“ Auch für die Damen ist das heute eine nicht unübliche Größe. Ganz abseits vom schnöden Mammon und der Frage, ob die Uhr als Aktie gehandelt werden kann, ist das eigentliche Faszinosum einer handwerklich gefertigten Uhr aber doch ihre liebevolle Feinarbeit, ihre faszinierende Mechanik, dieser Mikrokosmos von Hebeln und Federn, das Schwingen der Unruhe und das Ineinandergreifen einer Vielzahl von Rädchen, die die Zeit gleichsam verzehren. Wie ein Herzschlag arbeitet das Werk. „Zeit in ihrer schönsten Form“, heißt es in einer Werbung. Beim Kauf einer Uhr geht es also mehr oder weniger unbewusst wohl darum, die Zeit zu fassen, vielleicht sogar, sich ihr entgegenzustellen, durch das Vererben des Zeitmessers sich unsterblich zu machen. Dass das seinen Preis hat, sollte sich von selbst verstehen. Einfach die korrekte Uhrzeit ablesen, da kann man auch aufs Handy schauen, und weil es vermutlich schon wieder ein neues Model ist, sich gleich daran erinnern, wie schnell manche Dinge alt und wertlos werden.