Gut aussehen und modisch angezogen zu sein, ist oft ein Spagat. Der wird gerade etwas einfacher.
„Work Life Balance“, also Arbeit und Privatleben in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, gehört zu den modernen Lifestyle-Schlagworten, wenn es um die Optimierung des Lebens geht. Allerdings, ein Karl Lagerfeld, zum Beispiel, konnte mit diesem Begriff gar nichts anfangen. Gerade für Menschen in kreativen Berufen lässt sich nämlich Berufliches von Privatem oft nicht unterscheiden. Ein im Vorübergehen gesehener cooler Street Look, eine Reise, der Besuch einer Ausstellung sind Inspiration für den Job. Die richtige Balance bedeutet also für jeden etwas anderes. Balance ist auch das Thema der Mode im Herbst. Und sie sieht bei Versace anders aus als bei Jil Sander. Unübersehbar ist aber, dass nach einigen Saisons der besonderen Dekoriertheit, der lauten Farben und des wilden Mustermix Beruhigung einkehrt. Manch einer spricht sogar vom Comeback des Minimalismus. So weit sind wir noch nicht. Aber jetzt gilt: lieber ein ausdrucksvolles Muster als Mustermix um jeden Preis, lieber eine ausdrucksvolle Farbe als Colour Blocking. Der gute Geschmack hat ein Comeback. Hosenanzüge, klassische Mäntel in Cremeweiß oder Kamelhaarfarben waren nie ganz aus der Mode, jetzt wirken sie wieder trendy, genauso wie Faltenröcke oder Schluppenblusen. Es sind ein wenig versnobte Upper Class Outfits, die in Zeiten extremer Veränderung und Unsicherheit ein Gefühl von Solidität verleihen. Es gibt zwei Möglichkeiten, sie zu tragen: ironisch oder lässig. Je nachdem, in welche Richtung die Waage ausschlägt. Wer sich sich jung und wild fühlt – das ist keine Frage von Lebensjahren – kann die neue „Biederkeit“ auf die Spitze treiben und mit Seidenkleid und Perlenkette ein Statement gegen Athleisure Wear und Jogginghosen setzten. In der lässigen Variante werden Seidenbluse und Kamelhaarmantel mit Jeans und Sneaker kombiniert. Wie auch immer, die Mode tendiert dazu, weniger aufgeregt zu sein. Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet die Mode als Beruhigungsmittel in aufgeregten Zeiten.