Beauty Boys

Der ungeschminkten Wahrheit im Spiegel zu begegnen, kann eine Herausforderung sein. Auch für Männer!

Das neue Jahr mit frischem Teint und leuchtenden Augen zu begrüßen ist wünschenswert, manchmal allerdings gar nicht so einfach. Dem einen sieht man noch die Silvesternacht an, dem anderen die Sorgen, was wohl kommt. Die Damen können in solchen Problemlagen ihr Schminktäschchen herausholen und mit ein paar Pinselstrichen Augenringe und fahle Wangen verschwinden lassen. Dann noch etwas Wimperntusche und Eyeliner, die Welt sieht danach nicht anders aus – sie selber aber schon: strahlender, frischer, optimistischer. Männer mit Schminktäschchen bleiben lieber diskret – jedenfalls die meisten. Die Zahl an androgynen Jungs und auch knackigen Kerlen, die etwa auf Instagram zeigen, wie sie mit Concealer, Make-up und Co. ein optimaleres Bild ihrer Selbst schaffen, ist nicht unbeträchtlich. Maxim Giacomo aus Deutschland hat über 220.000 Follower und eine eigene Kosmetiklinie. Ihm folgen in erster Linie Frauen. Das gilt auch für Manny Gutierrez (4 Millionen Follower) und James Charles (20 Millionen Follower) aus den USA. Viele Männer finden den Look dieser Instagram-Stars zu extrem. Sie wünschen sich den „No-Make-up-Look“, wollen Problemzonen kaschieren, frisch und gepflegt aussehen. Der offensichtlich geschminkte Mann wird zwar nicht mehr so angefeindet, Männlichkeit sieht in den Augen der meisten aber noch anders aus. Das muss nicht so bleiben. Im Rokoko waren Rouge und Puder für Herren von Stand schon mal eine Selbstverständlichkeit, im alten Ägypten griffen sie zum Kajalstift, um den Göttern zu ähneln. Die modernen Beauty Boys betrachten ihr Make-up als Kunst und emanzipatorischen Akt einer neuen Männlichkeit. Die Raffinesse ihres Umgangs mit allem, was die Kosmetikindustrie im Angebot hat, ist faszinierend, aber vor allen Dingen abgeschaut bei dem, was Diven aus Film und Show in Petto haben. Könnte es nicht eine eigene, männliche Make-up-Ästhetik geben? Sie muss ja nicht gleich eine Kriegsbemalung sein. Das suggeriert der Instagram-Account der Kosmetiklinie „War Paint For Men“. Zwischen Diven-Make-up und War-Paint sollte es doch eine Kompromisslinie geben.