Zu Weihnachten wollen wir es uns schön machen. Wie das aussieht, ändert sich im Laufe der Jahre.
Weihnachten wird die Geburt Christi gefeiert. Das ist nicht nebensächlich, aber doch, wenn man ehrlich ist, in vielen Familien nicht mehr die Hauptsache. Längst sind die Feiertage und die Adventszeit zu einer Tradition geworden, in der es in erster Linie darum geht, Gemeinschaft zu erleben, sich mit Geschenken für schöne Stunden und Liebe zu bedanken und – nicht zuletzt – der dunklen Jahreszeit ein bisschen Glamour zu geben. Traditionell gehören dazu rote Kerzen, rote Schleifen, rote Kugeln. Manch einer liebt allerdings auch vielfarbig flackernde Lichterketten auf dem Balkon und beleuchtete Hirsche im Vorgarten, um die Weihnachtszeit im wahrsten Sinne des Wortes einzuleuchten. Zwischen roten Kerzen und schrillen Lichtern gibt es natürlich noch vielfältige andere Möglichkeiten, es sich Weihnachten schön zu machen. Rückblickend betrachtet, scheint sich in den letzten Jahren das Bedürfnis nach überbordendem Schmuck, nach Glanz und Glitter zugunsten einer edleren, schlichteren Weihnacht durchzusetzen. Man könnte mit Loriot sagen „Früher war mehr Lametta“. Vermutlich hat das damit zu tun, dass wir Weihnachten wirklich als Auszeit am Ende eines anstrengenden Jahres brauchen. Die letzten Jahre waren in vieler Hinsicht fordernd. Da ist es schön und wichtig, sich Ruhe zu gönnen. Die Weihnachtsdeko sollte also helfen, sie zu verbreiten und nicht allzu sehr blinken und flackern.
Weihnachtstrends
Moosiges Grün, Orange wie das Herbstlaub, erdiges Braun oder Eisblau sind Naturtöne, die helfen, uns zu erden. Sie werden dieses Jahr als Weihnachtsfarben in Dekomagazinen und Interiorzeitschriften propagiert. Alles Farben, die übrigens gerade auch in der Mode und im Interior Design angesagt sind. Schön, dass sie mit einem Hauch von weihnachtlichem Gold harmonieren. Weihnachten ist kein Fest, um in Sack und Asche zu gehen. Zur Naturthematik passt, dass Holz, Wolle, Papier und recycelte Materialien für den Christbaumschmuck, Tischschmuck und selbstverständlich die Geschenkverpackungen en vogue sind. Getrocknete Blüten, Tannenzapfen statt einer Schleife aus Kunststoff, ausgelesene Magazinseiten, Poster oder Kalenderblätter des vergangenen Jahres sind individueller als mancher Bogen Geschenkpapier. Sterne für die Tanne lassen sich aus Salzteig ausstechen, Christbaumschmuck aus Holzperlen aufziehen. Aus Vorratsgläsern können Windlichter werden.
Spiegel der Zeit
Im 19. Jahrhundert wurde in den Familien der Weihnachtsschmuck fast ausschließlich selbst gebastelt. „Papier, Stroh und Watte waren damals die beliebtesten Materialien“, weiss Sandra Müller Tietz, Kuratorin am Universitätsmuseum Bonn. Die Geschichte des Weihnachtsbaums geht aber sogar bis ins 16. Jahrhundert zurück erklärt die Historikerin, die sich für einen Vortrag in das Thema eingearbeitet hat. „Dekoriert wurde zuerst mit Nüssen, Obst, Gebäck, Zuckerzeug und Äpfeln, deshalb hieß der Weihnachtsbaum in manchen Regionen auch Zuckerbaum,“ erklärt sie. Jean Paul schreibt in seinem Roman „Der Jubelsenior“ von 1797: „In einigen der nächsten Häuser waren schon die Frucht- oder Zuckerbäume angezündet und die (…) Kinder hüpften um die brennenden Zweige und um das versilberte Obst.“ Jean Pauls Zitat weist auch darauf hin, dass Nüsse und Äpfel oft versilbert oder vergoldet wurden.
Das muss gar nicht unbedingt sein: Polierte rote Äpfel stehen einer Weihnachtskugel im Glanz kaum nach. Und, warum sich nicht an diese alten Traditionen erinnern? Bonbons und Zuckerstangen, Lebkuchen oder Äpfel machen den Weihnachtsbaum ohne Frage zu einer Zierde. An die Tradition des essbaren Schmucks erinnert übrigens der Baumschmuck aus Glas, der ab Mitte des 19. Jahrhunderts in den Thüringischen Glashütten in Lauscha hergestellt wurde. Typisch waren in den ersten Jahren aus Glas geblasene Äpfel und Nüsse. Während der beiden Weltkriege wurde der Christbaumschmuck dann sogar politisch, ergänzt die Sandra Müller-Tietz. Kleine Zeppeline, Pickelhauben oder Kugeln mit Nazi-Symbolen baumelten an den Tannenzweigen. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts entstand eine regelrechte Weihnachtsindustrie, die Engel, Sterne, Weihnachtsmänner etc. als Massenware produzierte. Der Schritt zur endgültigen Kommerzialisierung wurde schließlich Ende der 60er Jahre vollzogen, als es nicht mehr nur darum ging, den Baum schön zu schmücken, sondern einem ausgerufenen Trend zu folgen. Mal sollte alles golden sein, dann wurde Kupfer propagiert, später standen weiße Kugeln hoch im Kurs, dann wieder silberne. 2017 wurden zum Beispiel Jeansblau und Waldmeistergrün für den Weihnachtsschmuck empfohlen. Selbstverständlich wartet längst auch ein großes Angebot von ökologisch verantwortungsvollem, nachhaltig und fair produziertem Schmuck aus Stroh, Filz oder Holz in Geschäften und Onlineshops auf verantworungsvolle Weihnachtsmänner und Frauen. Und bis heute ist Weihnachtsschmuck auch nicht nur hübsch. Es gab Kugeln mit Corona Masken und Parteislogans.
Weinhachtsschmuck war über die Jahrhunderte also immer ein Spiegel seiner Zeit. Viele von uns haben über die Jahrzehnte einen großen Fundus angesammelt, in manch einem Karton liegen sogar noch richtig alte Kugeln. Es ist Zeit, sie wieder zu entdecken. Nicht nur aus Gründen der Nachhaltigkeit, sondern weil sie einfach schön sind. Schimmernder Glasschmuck, der an Jugendtage erinnert, selbst gebastelte Sterne, fair produzierte Holzkugeln, und dazwischen ein paar Äpfel und Zuckerstangen: Wäre so ein Mix nicht genauso zeitgemäß wie dekorativ!?