Gefühlt entstehen Barbershops an jeder Ecke. Erstaunlich, dass einer wie La BarBer Queer nur in Berlin zu finden ist.
La BarBer Queer ist ein Barbershop in der Panierstraße in Berlin-Neukölln. Die Regenbogenfahne vor der Tür zeigt an, dass der Laden gerade für die queere Community offen ist. Die Gegend ist hip, multikulti, aber durchaus auch rau. Typisch Berlin, typisch Berlin-Neukölln. Gleich nebenan gibt es einen anderen Barbershop ohne Regenbogenfahne vor der Tür. „Wir verstehen uns gut. Manchmal kommen die Jungs vorbei und holen sich Tipps.“ sagt Shae O’Neill, der La BarBer Queer vor vier Jahren eröffnet hat und sich selbst als non binäre Person definiert. „Wir sind keine Konkurrenten. Unsere Kunden sind nicht ihre und umgekehrt“.
Vor acht Jahren ist Shae O’Neill aus Madrid nach Berlin gezogen, aufgewachsen ist er in Malaga. Um sein Studium als Flugzeugmechanikerin zu finanzieren, hatte er in Spanien Haare geschnitten, ein Talent, das Freundinnen und Freunde schon immer zu schätzen wussten. Praktika in einem Salon führten ihn schließlich in den den Barbern vorbehaltenen Bereich. Auch hier fand Shae keinen Wohlfüfühlort, manche Kunden und Kollegen wunderten sich, machten Bemerkungen. Shae zog nach Berlin und arbeitete wieder in einem traditionellen, Männern vorbehaltenen Barbershop. Viele von Shaes queeren Kunden wünschten sich eine andere Umgebung und Atmosphäre. Shae wollte deshalb für Frauen, die einen maskulinen Haarschnitt wünschen, intersexuelle Personen, Menschen in der Transition, die ganze queere Community einen Raum schaffen. Ganz bewusst hat er deshalb seinen queeren Barbershop eröffnet. La BarBer Queer schließt niemanden aus, jeder ist willkommen. Das Motto des Salons lautet „Haar hat kein Geschlecht“. „Die betont feminine oder maskuline Atmosphäre in einem Damen- oder Herrensalon kann gerade für Menschen, deren Geschlechtsangleichung noch nicht abgeschlossen ist, unangenehm sein“, ist Shaes Erfahrung. Wer bei La BarBer Queer einen Termin bucht, kann sicher sein, nicht beurteilt, schräg angeschaut zu werden oder sich Fragen stellen zu müssen. 12.000 Kundinnen und Kunden wissen das zu schätzen, verkündete Shae im Juni 2024 stolz auf Instagram. Wer eine gefällig unauffällige Frisur sucht, ist eher an der falschen Adresse. Es wird, wie es sich für einen Barbershop gehört, viel rasiert, die Farben werden wild gewählt: Grün, Pink, Orange gehören zum Standardprogramm.
La BarBer Queer ist ein rougher, im wahrsten Sinne des Wortes unverputzter Shop. Die Ablagen vor den Spiegeln sind aus altem Holz gefertigt – Gebrauchsspuren inklusive. An der Wand führt ein Rohr ins Leere. Das Roughe ist kein bewusstes Styling, sondern der Geschichte des Geschäfts geschuldet.
Dass Shae die Räume in der Panierstraße gefunden hat, war reiner Zufall. „Ich habe den Laden kennengelernt, weil ich ein paar Sneaker verkaufen wollte, die ich zu groß gekauft hatte“, erzählt er. Eine Mitarbeiterin des Studios meldete sich auf ihre Anzeige, Shae tauschte Sneaker gegen Tattoo und erfuhr, dass die Betreiber der Bar aufgeben wollten. Sie bewarb sich um die Räume mit den unverputzten Ziegelwänden und dem schwarz-weiß gefliesten Fußboden. So wurde sie erst mal zur Barbetreiberin. „Mit dem Umsatz der ersten Woche konnte ich drei Stühle secondhand kaufen und Spiegel bei Ikea“, erzählt Shae. „Ich hatte kein Geld, keinen Businessplan, nur den Wunsch, mich selbstständig zu machen.“ Dann kamen Corona und ein kalter Winter. Shae verkaufte an der Ladentür Glühwein für die Straße. „Ich musste die Miete irgendwie bezahlen.“ Inzwischen ist die Bar geschlossen und in zwei Räumen stehen neun Stühle. Acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf freier Basis bedienen die Kundinnen und Kunden. Auch das Tattoo-Studio hat sich verabschiedet, vermutlich kommen in den freien Raum demnächst noch zwei Stühle. Das Geschäft läuft gut. Ein Kurzhaarschnitt kostet um die 50 Euro. Preisunterschiede zwischen den Geschlechtern gibt es nicht. Die Haarlänge und die Services bestimmen den Preis. Shaes Spezialität ist eine spezielle Variante des Mullets mit Koteletten und ausgetüfteltem Fade-Cut, die er vor kurzem auch schon in einem Workshop in Chicago gezeigt hat.
Kunden und Kundinnen gerade aus Hamburg und Köln fragen immer wieder, ob LLa BarBer Queer nicht expandieren möchte. Auch eine Gruppe von queeren Teenagern aus Potsdambei Berlin, die manchmal alle Termine an einem Tag buchen, hätten gerne einen Salon vor Ort. Noch ist es nicht so weit. La BarBer Queer war Shaes Traum von einem Barbershop für die Community, der realisiert wurde ohne Strategie und richtigen Plan. Es hat geklappt. „Wenn ich heute einen neuen Salon aufmachen würde, würde ich anders an die Sache herangehen“, sagt er, “weniger naiv.“ Noch fehlt ihr das Geld. Über Partner aus der Industrie, die für ihr Konzept aufgeschlossen sind, würde er sich freuen. „Intersectionality“, „Community“, „Diversity“, „Trans“ steht auf dem Tanktop, das Shae trägt. Wer einen Termin im La BarBer Queer hat, soll sich wohlfühlen. Dabei geht es nicht allein um Queerness, die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtszugehörigkeit, sondern um Toleranz für unterschiedlichste Lebensentwürfe. Das ist neben der fachlichen Qualifikation die Voraussetzung, um hier zu arbeiten.